Eine Hand übergibt einen Hausschlüssel einer anderen Hand (Foto: Colourbox, Foto: Colourbox.de -)

Durchsetzung der Russlandsanktionen

17 Immobilienfirmen mit ungeklärten Eigentumsverhältnissen in Baden-Württemberg

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AUTOR/IN
René Althammer
Karsten Heuke
Robert Schöffel
Ahmet Şenyurt

Um die EU-Sanktionen gegen russische Oligarchen umzusetzen, müssen deren Eigentumsverhältnisse in Deutschland erst einmal geklärt werden. Doch das ist häufig gar nicht so einfach.

In Baden-Württemberg gibt es im Immobiliensektor 17 Firmen, deren tatsächliche Eigentümer kaum ermittelbar sind. Eine Datenauswertung des Dienstleisters „Creditreform“ im Auftrag von BR, MDR, SWR und RBB zeigt, dass die Firmen Anteilseigner in Ländern wie Zypern oder den Jungferninseln haben. Das kann auch für die Durchsetzung der Russlandsanktionen ein Problem sein.

Laut der Auswertung sitzen die Firmen unter anderem in Stuttgart und weiteren Städten in der Umgebung. 14 der Unternehmen haben Anteilseigner in Zypern. Zwei weitere haben Verbindungen zu den Cayman-Islands und eine zu den britischen Jungferninseln. Solche Firmen-Verbindungen gelten laut Expertinnen und Experten als Indiz dafür, dass die wahren Eigentümer von Immobilien verschleiert werden sollen.

Ein Firmenname oder eine Mittelsperson genügt

Denn in diesen sogenannten Offshore-Ländern genügt es, einen Firmennamen oder eine Mittelsperson zu registrieren. Und so tauchen auch in deutschen Grundbuchämtern häufig nur Firmennamen oder die Namen von Anwältinnen und Anwälten auf. Das wird zum Problem, wenn die Immobilien von russischen Staatsangehörigen identifiziert werden sollen, die auf der Sanktionsliste der EU stehen.

So geht das Bundeskriminalamt aktuell davon aus, dass in Deutschland mehr als zehn Oligarchen mit Bezügen zu 60 Offshore-Firmen tätig sind. Inwieweit es bei den baden-württembergischen Firmen um Bezüge zu russischen Oligarchen geht, ist noch unklar.

Creditreform-Daten zeigen Offshore-Verbindungen

Die meisten Immobilienfirmen mit ungeklärten Besitzverhältnissen gibt es laut der Creditreform-Auswertung in Berlin. Von bundesweit 774 identifizierten Firmen sind hier 618 ansässig. Die stärksten Bezüge deutscher Firmen gibt es nach Zypern (673 deutsche Firmen), gefolgt von Anteilseignern auf den britischen Jungferninseln (82), den Cayman-Inseln (17) und den Marshall-Inseln (2).

Experten wie Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit kritisieren diese Konstrukte: „Kriminelle aus der ganzen Welt einschließlich Russland verstecken deswegen hier immer noch viele Milliarden verdächtiger, aber nach wie vor ungeklärter Herkunft".

Transparenzregister weiter lückenhaft

Seit 2017 soll das Transparenzregister eigentlich dafür sorgen, dass sich die wirtschaftlich Berechtigten hinter ominösen Firmenstrukturen offenbaren – ursprünglich bis 2021. Doch wegen neuer Gesetze und Übergangsfristen wurde dieser Termin verschoben. Viele Unternehmen hätten sich bis 30. Juni 2022 registrieren müssen, einige haben sogar Zeit bis zum 31. Dezember 2022.

Nach Auskunft des Bundesverwaltungsamtes, bei dem das Transparenzregister angesiedelt ist, müssen sich insgesamt circa 1,7 Millionen Unternehmen registrieren, bislang haben dies aber nur 850.000 getan. 37.227 Bußgeldverfahren wurden deshalb bereits eingeleitet, Verwarnungen und Bußgelder in Höhe von gut 8,2 Millionen Euro verhängt.

Die Luxemburger Schifffahrtsbehörde hat einer mutmaßlichen russischen Oligarchen-Jacht das Anmeldezertifikat entzogen. Hintergrund sind Recherchen des Südwestrundfunks (SWR):

Eigentümer können unerkannt bleiben

Doch selbst, wenn alle Fristen abgelaufen sind, besteht ein Schlupfloch: Wenn der wirkliche Eigentümer sich nicht ermitteln lässt, dann kann der gesetzliche Vertreter, in der Regel ein Manager, der auf keiner Sanktionsliste erscheint, gemeldet werden. Ermittlerinnen und Ermittler, die dem Verdacht auf Geldwäsche nachgehen, halten das schon seit Jahren für "eine Art Begünstigung von Straftaten".

Sebastian Fiedler, ehemaliger Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter und seit Herbst 2021 für die SPD im Bundestag, kritisiert das ebenfalls schon lange. Was bei der Geldwäsche versäumt wurde, falle Deutschland jetzt bei der Durchsetzung der Sanktionen auf die Füße, so Fiedler. Seine Hoffnung ruht auf dem für den Spätsommer geplanten Sanktionsdurchsetzungsgesetz II.

Scharfe Sanktionen sollen Wladimir Putin in die Knie zwingen und den Krieg Russlands gegen die Ukraine beenden. Aber wie weit reichen die Wirtschaftssanktionen?

Beschlagnahme verdächtiger Vermögen geplant

Die Leerstellen könnten laut Fiedler dann geschlossen werden. Es solle, wahrscheinlich angesiedelt beim Zoll, eine "zentrale Bundesorganisation" geschaffen werden, "die auch in der Lage ist, sich um die Durchsetzung der Sanktionen zu kümmern". Gemeinsam mit dem BKA, so Fiedler, könnten dann Experten endlich mit dem nötigen Know-how an die Arbeit gehen – und sanktionierte Vermögen ebenso wie Geldwäscher aufspüren.

Schwerer ins Gewicht fallen würde aber wohl der Plan, den auch die im Frühjahr gegründete Taskforce der Bundesregierung zur Sanktionsdurchsetzung favorisiert: die "Einziehung" verdächtiger Vermögen bis hin zur "Enteignung". Der Staat, so Fiedler, wird dann bei "verdächtigen Vermögenswerten" einen Auskunftsanspruch haben. "Und wenn derjenige, der da offiziell eingetragen ist, nicht sagt, woher das Vermögen kommt, ist es weg." Unterstützt wird die Forderung auch von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die schon im Mai einen entsprechenden Antrag einbrachte.

Von der FDP kommt Widerstand

Doch gegen diese Pläne gibt es Widerstand. Markus Herbrand, der finanzpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, sagt, dass derart rigorose Maßnahmen auf sanktionierte Personen beschränkt bleiben sollten. "Eine Schnüffeldatenbank, die sämtliche Vermögenswerte und deren Besitzer unter Generalverdacht stellt und damit unter Erklärungsdruck setzt", wäre nach seiner Meinung der falsche Weg.

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