Der inzwischen suspendierte Inspekteur der Polizei Baden-Württemberg, kommt zum Prozessauftakt mit seiner Anwältin in das Gerichtsgebäude.  (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Bernd Weißbrod / Archivbild)

Prozess um sexuelle Nötigung bei Polizei BW

Rückschlag für Inspekteur: Brisantes Telefonat als Beweismittel zugelassen - bleibt aber nichtöffentlich

Stand

Im Prozess um sexuelle Nötigung gegen den ehemaligen Polizei-Inspekteur in BW wurde das wohl wichtigste Beweismittel zugelassen - aber unter Ausschluss der Öffentlichkeit angehört.

Video herunterladen (27,4 MB | MP4)

Im Prozess gegen den Inspekteur der Polizei wegen sexueller Nötigung hat das Landgericht Stuttgart dem Wunsch der Staatsanwaltschaft entsprochen und das wohl wichtigste Beweismittel zugelassen. Der rund einstündige Mitschnitt des Videotelefonats zwischen dem Inspekteur und dem mutmaßlichen Opfer darf genutzt werden - und wurde am Freitag auch angehört, allerdings unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Was genau in dem Mitschnitt zu hören ist, muss geheim gehalten werden, entschied das Gericht zum Schutz der Privat- und Intimsphäre des Angeklagten. Darauf hatte die Verteidigung von Andreas R. gepocht.

Zuvor hatte Richter Volker Peterke bereits entschieden, dass das allgemeine Interesse an der Aufklärung einer schweren Straftat in diesem Fall schwerer wiege als die Persönlichkeitsrechte des Angeklagten. Deswegen wurde das von der Polizeibeamtin aufgezeichnete Telefonat als Beweismittel zugelassen.

Heimlicher Mitschnitt als Beweismittel

Aus Sicht der Staatsanwaltschaft wird in dem 55-minütigen Mitschnitt vom 16.11.2021 deutlich, warum der Inspekteur die Frau wenige Tage zuvor vor einer Stuttgarter Kneipe sexuell genötigt haben soll. Nach SWR-Informationen versuchte Andreas R. in dem Videotelefonat die Polizistin zu überreden, sich mit ihm einzulassen. Er soll dabei ausgenutzt haben, dass die Frau sich nach eigenen Angaben vor beruflichen Nachteilen fürchtete - sollte sie ihren Vorgesetzten zurückweisen.

Stuttgart

Ranghöchster Polizist in BW vor Gericht Prozess um sexuelle Nötigung: Verriet sich Inspekteur in Videotelefonat?

Im Prozess gegen den Polizeiinspekteur Andreas R. soll am Freitag voraussichtlich entschieden werden, ob das wohl wichtigste Beweismittel genutzt werden darf: ein Videotelefonat.

Die Verteidigung des freigestellten Inspekteurs lehnte eine Nutzung des Gesprächs vor Gericht strikt ab. Der Mitschnitt sei als Beweismittel nicht verwertbar, weil die Polizistin das Gespräch heimlich aufgezeichnet habe, was illegal sei. Das Gericht erläuterte jedoch, die Frau habe den Mitschnitt als Privat- und nicht als Amtsperson gemacht - als Polizeibeamtin hätte sie eine gerichtliche Genehmigung gebraucht. Als Privatperson habe sie das Ziel gehabt, Beweise für die sexuelle Nötigung zu sammeln.

Wie kam der Mitschnitt zustande?

Der juristische Streit um das Videotelefonat hat eine Vorgeschichte: Eigentlich hätte die Frau ihren Gesprächspartner vor dem Mitschnitt um Erlaubnis fragen müssen. Zwischenzeitlich ermittelte deshalb die Staatsanwaltschaft gegen die heute 34-jährige Beamtin. Die Ermittlungen wurden aber eingestellt mit der Begründung, die Frau habe "aufgrund eines zu rechtfertigenden Notstands" nicht rechtswidrig gehandelt.

"Die Aufzeichnung des Gesprächs mit dem Inspekteur der Polizei des Landes Baden-Württemberg war eine geeignete und verhältnismäßige Maßnahme, um der fortdauernden Gefahr, von ihm zur Aufnahme einer sexuellen Beziehung gedrängt zu werden, durch Herbeiführung eines Straf- und Disziplinarverfahrens gegen ihn zu begegnen", erklärte die Staatsanwaltschaft. Andreas R. legte Beschwerde ein, die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart lehnte diese ab.

Nur Vorteile, keine Nachteile: Andreas R. wirbt um Gunst der Kollegin

Aber worum geht es genau in dem Skype-Gespräch? Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Mitschnitt eine "Tatmotivation" dokumentiert. Andreas R. hatte die jüngere Kollegin, die im Homeoffice arbeitete, zu dem Gespräch angefragt - wenige Tage nach dem Kneipenabend, der einem Personalgespräch im Innenministerium folgte. Dabei versuchte der verheiratete Inspekteur nach SWR-Informationen die junge Frau zu überreden, eine Beziehung mit ihm einzugehen. In dem Gespräch versicherte er mehrfach, dass sie durch den privaten Kontakt beruflich nur Vorteile haben werde. Er sei in der Lage, Dienstliches von Privatem zu trennen.

Aus dem Telefonat geht nach SWR-Informationen auch hervor, dass sich die Frau vor dienstlichen Konsequenzen fürchtete, sollte sie den Inspekteur zurückweisen. Andreas R. soll gesagt haben, er hoffe, dass sie seine Unterstützung nicht ausschlage - das wäre äußerst schade. Er werde sie bei jedem Schritt im Assessment Center begleiten und sie auf jeden Fall durchbringen, sodass sie es in den höheren Dienst schaffe.

Mehr zum Prozess um den ehemaligen Polizeiinspekteur

Baden-Württemberg

Wegen Weitergabe von Dienstgeheimnissen Staatsanwaltschaft ermittelt gegen BW-Innenminister Strobl - SPD und FDP fordern Rücktritt

In der Affäre um die Weitergabe von Dienstgeheimnissen an die Presse wird nun auch gegen Innenminister Strobl ermittelt. Der räumt Fehler ein, will aber im Amt bleiben.

Stuttgart

Ranghöchster Polizist in BW vor Gericht Prozess um sexuelle Nötigung: Verriet sich Inspekteur in Videotelefonat?

Im Prozess gegen den Polizeiinspekteur Andreas R. soll am Freitag voraussichtlich entschieden werden, ob das wohl wichtigste Beweismittel genutzt werden darf: ein Videotelefonat.

Baden-Württemberg

Prozess gegen Andreas R. Details zur Polizei-Affäre BW: Zeugen zeichnen Ablauf des Abends nach

Im Prozess um sexuelle Nötigung gegen den ranghöchsten Polizisten des Landes Andreas R. haben mehrere Zeugen ausgesagt. Eine weitere Frau berichtete von unangemessenen Bemerkungen.

Baden-Württemberg

Untersuchungsausschuss des Landtags Schon früher Zweifel am freigestellten Inspekteur der BW-Polizei?

Seit einer Woche läuft der Prozess gegen einen freigestellten Inspekteur der Polizei. Der Vorwurf: sexuelle Nötigung und Machtmissbrauch. Nun sagen im U-Ausschuss Führungskräfte aus.

SWR1 Baden-Württemberg SWR1 Baden-Württemberg

Baden-Württemberg

Zweiter Prozesstag in Stuttgart Nebenkläger werfen Polizei-Inspekteur Diffamierung des mutmaßlichen Opfers vor

Am zweiten Tag des Prozesses gegen den freigestellten Polizeiinspekteur Andreas R. haben die Nebenkläger die "Lügen-Vorwürfe" der Verteidigung gekontert. Die gezeigten Videoaufnahmen bringen nur wenig Klarheit.

Guten Morgen Baden-Württemberg SWR1 Baden-Württemberg

Prozessbeginn in Stuttgart Polizei-Inspekteur vor Gericht: Kommissarin der Lüge bezichtigt

Seit fast eineinhalb Jahren beschäftigt der Skandal um mutmaßliche sexuelle Belästigung im Innenministerium die Polizei in Baden-Württemberg. Nun steht der suspendierte Polizei-Inspekteur des Landes vor Gericht.

SWR4 BW am Freitag SWR4 Baden-Württemberg

Stand
AUTOR/IN
SWR