Es begann alles mit einem ganz normalen Husten und leichtem Fieber. "Plötzlich stieg es auf 41 Grad und sie hatte einen Fieberkrampf", schildert eine Mutter den Zustand ihrer Tochter dem SWR. Ihre Tochter ist zweieinhalb Jahre alt. Es ist ihr zweites Kind. Noch nie habe sie so etwas erlebt. "Kinder schleppen ja immer irgendwas aus der Kita an. Daher hatten wir uns bei dem Husten keine Gedanken gemacht. Außerdem hat unsere Tochter auch keine Vorerkrankungen", erzählt die 38-Jährige. Ohnehin sei man so sehr auf Corona fixiert, dass sie ihre Tochter erst mal jeden Tag auf Corona habe testen lassen. "Da alle Tests negativ ausfielen, dachten wir uns, dass das ja dann nicht so schlimm sein kann."
Nachts sei die Mutter von dem Zittern ihrer Tochter geweckt worden. Als sie das Licht anmachte, sah sie wie sich bei ihrem Kind die Augen verdreht hatten. "Ein Fieberschock." Außerdem habe sie gespuckt, was sie normalerweise nie mache. "Da haben wir natürlich Panik bekommen und sind sofort ins Krankenhaus gefahren. Die Ärzte sagten uns sofort, dass das RSV momentan umgehe", erzählt sie.
24-Stunden-Überwachung in der Klinik
Über einen Test sei dann am nächsten Morgen bei ihrer Tochter das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) diagnostiziert worden. "Man hat sie sofort an den Monitor angeschlossen. Blutdruck, Atmung und Sauerstoffsättigung wurden rund um die Uhr überwacht. Sie bekam Asthmaspray", so die Mutter. Am Donnerstag war sie den zweiten Tag im Krankenhaus, das Fieber habe etwas nachgelassen, sei aber noch da.
Normalerweise gehe das Fieber innerhalb von 24 Stunden runter, habe ihr eine Krankenschwester gesagt. "Wir sind da also noch nicht durch. Das Virus ist echt hartnäckig." Zumindest habe die Tochter nun wieder mit dem Essen und Trinken begonnen. Außerdem müsse sie 24 Stunden fieberfrei sein, bevor sie entlassen werden könne.
Durch Corona-Maßnahmen: Virus schlägt härter zu als sonst
Dieses Szenario durchleben diesen Herbst besonders viele Mütter und Väter. Dies sei kein Zufall, weiß Jan Steffen Jürgensen vom Klinikum Stuttgart: "Wir haben jetzt seit 18 Monaten mit relativ strengen Hygieneregeln, reduzierter Mobilität und eingeschränktem Reisen gegen Corona auch den Kontakt mit anderen Erregern deutlich reduziert", erklärt Jürgensen dem SWR. In der Regel bekomme jedes Kind in den ersten zwei Lebensjahren eine RSV-Infektion. "Jeden Winter werden sie dann "natürlich geboostert", wodurch die Infekte mit den für das Immunsystem bekannten Erregern milder werden". Wegen der fehlenden Booster gebe es schwerere Verläufe auch bei Kindern bis vier Jahre, so Jürgensen.

Das Olgahospital im Klinikum Stuttgart gilt als die größte Kinderklinik Deutschlands. Dort wurden seit September rund 100 Kinder mit RSV-Infekt aufgenommen, heißt es seitens der Klinik. "Alleine im Oktober wurden 80 Kinder eingeliefert. Die Zahl der stationären Aufnahmen wegen anderer Atemwegsinfekte liegt in Summe auf einem ähnlichen Niveau. Rund zehn bis 15 Prozent der Kinder mit RSV-Infekt werden momentan intensivmedizinisch behandelt. Das betrifft ehemalige Frühgeborene, teilweise aber auch zuvor gesunde Kinder", so Jürgensen. Im Frühherbst habe die Klinik eigentlich in normalen Jahren keine RSV-Patienten - das fange erst im November an. "Aktuell sind 30 bis 40 Prozent mehr Patienten in der Notaufnahme als in einem normalen Oktober."
Angespannte Lage im Stuttgarter Olgahospital
Die Lage sei angespannt, aber noch kontrolliert. "Es werden allerdings wie in anderen Kinderkrankenhäusern bereits planbare stationäre Aufnahmen wie kleinere OPs oder stationäre Abklärungen chronischer Erkrankungen verschoben", erklärt Jürgensen weiter. Wichtig sei jetzt, Erkrankungen zu vermeiden, gegen die es Impfungen gebe. Das gelte für Covid-19 ebenso wie für Influenza. "Wir weichen mit einigen kranken Kindern bereits innerhalb des Klinikums Stuttgart auf die Erwachsenenstationen aus", betont er. Dass zeitgleich 10 Prozent der Intensivbetten in Baden-Württemberg mit ungeimpften Covid-19-Fällen belegt seien, sei für alle bitter und belaste das Gesundheitswesen leider unnötig; mit negativen Auswirkungen auch für die Kinder.
Auch die Politik ist schon alarmiert
Aufgrund der momentan großen Erkrankungswelle rufe Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) Pädiatrie-Experten wegen der sehr angespannten RSV-Situation zeitnah zu einem intensiven Fachgespräch zusammen, sagte Markus Jox, Sprecher des Sozialministeriums Baden-Württemberg, dem SWR. "Dieser Austausch wird voraussichtlich innerhalb der nächsten zwei Wochen stattfinden", so Jox.