Winfried Kretschmann (Bündnis 90Die Grünen), Ministerpräsident von Baden-Württemberg, spricht bei einer Regierungspressekonferenz im Landtag zu Journalisten. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Bernd Weißbrod)

Diskussion um Öffnungsstrategie

Kretschmann will vor Ostern nicht über Corona-Lockerungen reden

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Auf der Regierungspressekonferenz am Dienstag hat Ministerpräsident Kretschmann keine Hoffnung auf baldige Lockerungen der Coronamaßnahmen gemacht. Das sorgt für Kritik von Opposition und Wirtschaft.

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Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sieht mindestens bis Mitte April keine Chance für das Ende von Corona-Beschränkungen. Eine Debatte über Exitstrategien vor Ostern sehe er überhaupt nicht, sagte der Regierungschef am Dienstag in Stuttgart. Diese Aussage sorgt für Kritik von der Opposition:

"Man muss sich doch an der Lage orientieren und nicht am Osterhasen."

Lob und Tadel hingegen kommen von der SPD: "Ministerpräsident Kretschmann hat Recht, dass es im Moment leider noch keinen Grund gibt, einen Exit umzusetzen. Falsch liegt er aber mit der Weigerung, einen Exit zu planen - und vorzubereiten, wie eine Rückkehr zur Normalität aussehen kann," so SPD-Fraktionschef Andreas Stoch auf Twitter. Man müsse den Menschen ein Licht am Ende des Tunnels zeigen, erklärte Stoch im SWR-Interview ausführlicher. Die Landesregierung müsse jetzt auf Basis der Omikron-Variante eine Exitstrategie ausarbeiten, das könnten die Menschen von der Poitik erwarten. Das gebe auch Hoffnung für ein Ende und eine Bewältigung der Pandemie, so Stoch weiter.

Stoch und Gögel: Menschen brauchen Hoffnung

AfD-Fraktionschef Bernd Gögel sagte im SWR-Interview zu Kretschmanns Äußerungen: "Man muss die Realität jetzt tatsächlich einmal vor Augen führen: Wir haben konstante Zahlen im Gesundheitswesen, wir haben eine sinkende Hospitalisierungsinzidenz, wenngleich sich das noch bewahrheiten muss über einige Tage oder ein zwei Wochen." Aber es sei eine Stabilisierung eingetreten, so Gögel. Man könne nicht von einer Überlastung oder einer Katastrophe für das Gesundheitswesen sprechen. Die Menschen, die nach über zwei Jahren Pandemie müde seien, brauchten jetzt einen Hoffnungsschimmer und keine totalitäre Aussage, dass es vor Ostern keine Veränderungen geben könne. Das halte er für völlig überzogen.

Kretschmann: Keine "haltlosen Ausstiegsdebatten"

"Wir brechen keine Debatte über Exitstrategien vom Zaun - das wäre völlig unangemessen und das völlig falsche Signal," so Kretschmann. So habe Baden-Württemberg vor kurzem erst Regeln verschärft, sagte er mit Blick auf die FFP2-Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr. Das werde man nicht durch "haltlose Ausstiegsdebatten" konterkarieren. Man werde sich höchstens grundsätzlich und sehr vertraulich darüber unterhalten, wann eine Exitdebatte sinnvoll wäre, sagte Kretschmann. Man sei immer noch in einer dramatischen Situation. Es seien erst mal keine Lockerungen geplant. Er schließe aber grundsätzlich gar nichts aus in der Pandemie. Eine Regierungssprecherin stellte klar, dass das Land mit seinem Stufensystem aus Alarmstufen ja einen Fahrplan für Lockerungen habe. Lockerungen werde es in dem Maße geben, wie es verantwortbar sei.

Im Großen und Ganzen habe er sich immer an die Beschlüsse von Bund und Ländern gehalten. Bis zur nächsten Ministerpräsidentenkonferenz Mitte Februar werde man genau beobachten, wie sich die Lage in den Krankenhäusern entwickle, sagte Kretschmann. Es gebe derzeit etwa viele Klagen von überlasteten Arztpraxen, führte Kretschmann an.

Hagel: Werden mehr auf Eigenverantwortung setzen

CDU-Fraktionschef Manuel Hagel stellte Lockerungen nach Aschermittwoch (2. März) in Aussicht. "In Moment sprechen die Fakten eine klare Sprache: Die Fallzahlen wie die Krankenhauseinweisungen steigen", sagte CDU-Fraktionschef Hagel der Deutschen Presse-Agentur. "Daher sind wir uns in der Koalition einig, dass wir bis Aschermittwoch weiter konsequent bleiben müssen." Die grün-schwarze Koalition habe sich in der Pandemie immer "faktenbasiert, lageabhängig und entlang wissenschaftlichem Rat" entschieden. Das werde man weiterhin tun. "Wenn sich die pandemische Lage aufhellt, werden wir nach Aschermittwoch auch über Lockerungen und den sukzessiven Ausstieg aus der Verordnungspraxis sprechen können", sagte Hagel. "Wir müssen, wir wollen und wir werden dann, noch mehr als bisher, auf Eigenverantwortung setzen."

Wirtschaft verwundert über Kretschmanns Corona-Kurs

Kretschmanns Kurs in der Corona-Pandemie hat in der Wirtschaft Verwunderung ausgelöst. "Wir sind über die rigide Haltung des Ministerpräsidenten doch erstaunt." Das sagte der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Südwestmetall, Peer-Michael Dick, der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag in Stuttgart. "Mögliche Lockerungen der Corona-Maßnahmen oder zumindest Überlegungen dazu dürfen nicht einfach durch Vorfestlegungen ausgeschlossen werden", sagte Dick. Mit einer solchen Vorgehensweise gerate das Prinzip der Verhältnismäßigkeit zunehmend ins Wanken.

"Die künftigen Schritte in der Corona-Politik müssen auch weiterhin vom Infektionsgeschehen und hier insbesondere von der Hospitalisierungsinzidenz abhängig gemacht werden."

Der Präsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertages (BWIHK), Wolfgang Grenke, sagte, die Festlegungen Kretschmanns seien für Unternehmen schwer nachzuvollziehen. "Viele Betriebe sind mittlerweile existenziell bedroht, unsere Innenstädte drohen im Rekordtempo zu veröden", erklärte Grenke. Es sei nicht mehr möglich, weiter auf Sicht zu fahren. Die betroffenen Branchen bräuchten "ein klares Signal, was ab Frühjahr wieder möglich sein wird".

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SWR