In Baden-Württemberg laufen am Samstag (2. April) nach über zwei Jahren Pandemie nahezu alle Corona-Schutzmaßnahmen aus. Die Koalition aus Grünen und CDU verständigte sich am Dienstag darauf, die im Bundesgesetz noch vorgesehenen Hotspot-Regeln nicht anzuwenden.
Grün-Schwarz hält Hotspot-Regel für nicht rechtssicher
Hintergrund ist, dass Grün-Schwarz bezweifelt, dass die Regeln vor Gericht standhalten. Das bedeutet, dass von Sonntag (3. April) an in Innenräumen keine Masken mehr getragen werden müssen und die Zugangsregeln wegfallen. Nur im ÖPNV, in Kliniken und in Arztpraxen müssen noch Masken getragen werden.
Fragen und Antworten zu Isolation, Maskenpflicht und Co. Corona-Regeln in BW: Was in Baden-Württemberg jetzt noch gilt
Die bestehende Corona-Verordnung wird verlängert. Wo gibt es noch Einschränkungen? Fragen und Antworten zu den wichtigsten Regeln.
Vertreter der grün-schwarzen Koalition sagten am Dienstag in Stuttgart, sie bedauerten diesen Schritt, sähen rechtlich allerdings keine andere Möglichkeit. Die Hürden für die Hotspot-Regel seien so hoch, dass sie in Baden-Württemberg nicht umgesetzt werden könnten, so Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz gegenüber dem SWR. In Baden-Württemberg seien nicht so viele Krankenhausbetten belegt wie in Mecklenburg-Vorpommern, wo die Landesregierung die Hotspot-Regelung anwenden will.
Gescheiterter Vorstoß bei Gesundheitsministerkonferenz Hintergrund: Deshalb verzichtet Baden-Württemberg darauf, die Hotspot-Regel anzuwenden
Baden-Württemberg ist noch am Montag mit dem Vorstoß gescheitert, die Corona-Schutzmaßnahmen zu verlängern. Die Alternative heißt Hotspot-Regel. Doch die will die BW-Regierung nicht anwenden.
Kretschmann: Wir halten uns auch an schlechte Gesetze des Bundes
In der Regierungspressekonferenz am Dienstag betonte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) noch einmal seine Sicht der Dinge: Nach der Änderung des Infektionsschutzgesetzes habe er keine andere Möglichkeit mehr, als zu appellieren. Die Sichtweise des Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD), dass die Hotspot-Regel auch vorbeugend angewendet werden könne, wenn das Gesundheitssystem noch nicht überlastet sei, teilte Kretschmann ausdrücklich nicht.
"Der Gesundheitsminister kann jetzt nicht kommen, um sein eigenes Gesetz gesund zu beten. Darum heißt er nicht Gesundheitsminister."
Der Bund habe den Ländern - trotz laut Kretschmann parteiübergreifend scharfer Kritik von Ministerpräsidentinnen und -präsidenten - die Instrumente weggenommen, so der BW-Ministerpräsident. "Aber es wäre richtig gewesen, uns den Instrumentenkasten zu geben, damit wir nach Lage der Dinge, die Instrumente anwenden können." Nun renne man den Problemen hinterher, die man selbst geschaffen habe. "Wir halten uns an Gesetze des Bundes. Und wir halten uns auch an schlechte Gesetze", so Kretschmann. Er könne toben, wie er wolle, doch das nütze nichts mehr, so der BW-Regierungschef. Den Bund könne er nicht noch ausdrücklicher kritisieren, als er das bereits tue, sagte Kretschmann.
Auch Strobl und Hagel kritisieren Ampel-Koalition scharf
Innenminister Thomas Strobl (CDU) kritisierte die Ampel-Koalition in Berlin:
"Leider hat der Bund den Ländern den Werkzeugkoffer mit den wirksamsten Instrumenten zur Pandemiebekämpfung vor der Nase zugeklappt und aus der Hand genommen."
Auch der Chef der CDU-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg, Manuel Hagel, zeigte sich unzufrieden mit der Pandemiepolitik des Bundes. Insbesondere mit dem geänderten Infektionsschutzgesetz und der Hotspot-Regel. Diese helfe Baden-Württemberg wegen rechtlicher Ungenauigkeiten nicht weiter, so Hagel. "Sie ist das Feigenblatt, mit dem die Ampelregierung in Berlin ihr politisches Durcheinander kaschieren möchte."
Opposition beurteilt Verzicht auf Hotspot-Regel sehr unterschiedlich
FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke zeigte sich hingegen erfreut über die Pandemiepolitik aus Berlin: "Unsinnige Überreaktionen aus der Vergangenheit, wie Ausgangssperren und flächendeckende Lockdowns", habe die Ampel Winfried Kretschmann "gottlob dauerhaft aus der Hand genommen".
Er begrüße, so Rülke weiter, dass die Landesregierung nicht den Versuch unternehme, "das Infektionsschutzgesetz des Bundes dazu zu missbrauchen, das ganze Land zum Hotspot zu erklären". Wegen der "milden Virusvariante Omikron", der Situation im Gesundheitswesen und dem Frühling sei es richtig, den Menschen "ihre Freiheitsrechte wieder vollständig zurückzugeben", so Rülke.
Der SPD-Landesvorsitzende Andreas Stoch kritisierte dagegen, dass die Landesregierung die Hotspot-Regel nicht anwenden möchte:
Kretschmann: Menschen sollen in Innenräumen freiwillig Masken tragen
BW-Regierungschef Kretschmann sprach am Dienstag von einer nach wie vor angespannten Corona-Lage und appellierte an die Bevölkerung, in Innenräumen freiwillig weiter Masken zu tragen. "Damit schützen wir nicht nur die eigene Gesundheit, sondern zeigen auch Solidarität in der Gemeinschaft", teilte der Regierungschef mit.
Kretschmann erklärte außerdem, derzeit sei das Gesundheitssystem in Baden-Württemberg trotz hoher Ansteckungszahlen durch Covid-19-Patientinnen und -Patienten nicht überlastet. Sowohl Normal- als auch Intensivstationen seien noch weit von ihrer Belastungsgrenze entfernt. Es würden auch keine geplanten Operationen verschoben. Nur einzelne Kliniken hätten berichtet, dass sie wegen infizierter Pflegekräfte Probleme haben.
Frühling mache die Lage beherrschbar - Vorbereitungen für den Herbst
"Derzeit ist in Baden-Württemberg keine globale Belastungssituation der Krankenhäuser mit flächendeckender Einschränkung der Regelversorgung erkennbar." Aus "saisonalen Gründen" rechnet der Regierungschef damit, dass die Corona-Pandemie in Baden-Württemberg auch nach dem Wegfall von Maskenpflicht und Co. am Sonntag (3. April) beherrschbar bleibe.
Um regionale Überlastungen im Gesundheitssystem zu vermeiden, will die Landesregierung in Zukunft etwa Personal zwischen Standorten verlagern und externes Personal nutzen, heißt es im Beschluss des Koalitionsausschusses vom Dienstag.
Mit Blick auf den Herbst will man sich in Stuttgart für eine Weiterentwicklung des Corona-Managements einsetzen. Grün-Schwarz nennt hier insbesondere die Überwachung des Infektionsgeschehens sowie einen einheitlichen Rahmen für Absonderung und Teststrategie. Auch die Impfquote wolle man bis zum Herbst erhöhen und signalisiert weiterhin Unterstützung für den Vorschlag einer allgemeinen Corona-Impfpflicht.