Der Start des 49-Euro-Tickets zum 1. Januar 2023 wird immer unwahrscheinlicher. Gerade die Verkehrsunternehmen in Land und Bund äußern diesbezüglich ihre Skepsis. Daher fordert Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) die Bundesländer nun auf, die Umsetzung des sogenannten Deutschlandtickets zügig zu klären. Erst dann könne ein verbindlicher Starttermin genannt werden, sagte er der "Rheinischen Post". Wissing geht davon aus, dass er in einigen Wochen ein verbindliches Startdatum nennen kann.
Bund und Länder haben sich am 2. November auf weitere Entlastungen für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen geeinigt. Darum geht es:
Und doch ist in vielen Regionen Baden-Württembergs schon jetzt klar, dass sich das 49-Euro-Ticket für viele Bürgerinnen und Bürger lohnen wird. So kosten vergleichbare Angebote bei den verschiedenen Verkehrsverbünden in Südbaden derzeit zwischen 60 und 80 Euro. Allerdings darf mit diesen Abonnements nur der Nahverkehr im jeweiligen Verbund genutzt werden.
Karlsruher Verkehrsverbund rechnet mit hoher Nachfrage
Auch im Karlsruher Verkehrsverbund (KVV) gibt es bislang preislich keine vergleichbaren Angebote. Das günstigste Abo liegt aktuell bei 69 Euro - für zwei Tarifzonen. Das Deutschlandticket wird also in jedem Fall günstiger sein. Daher rechnen die KVV-Verantwortlichen mit einem "Run" auf die neuen Monatskarten, auch wenn die Absatzzahlen vom 9-Euro-Ticket wohl nicht erreicht werden.
Das sieht man bei den Verkehrsbetrieben in Heilbronn-Franken ähnlich. Der Preis sei so attraktiv, dass man auf jeden Fall mit mehr Kunden rechne, sagte der Geschäftsführer der Heilbronner-Hohenloher-Haller-Nahverkehr GmbH (HNV), Gerhard Gross.
Nopper sorgt sich um Finanzierung des Deutschlandtickets
Stuttgarts Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) beschäftigt vor allem die Finanzierung des 49-Euro-Tickets. Er sorge sich, "dass die Kommunen und damit letztlich auch die Fahrgäste die Verlierer des Finanzierungskompromisses von Bund und Ländern sein könnten", teilte er mit.
Mit den jährlich einkalkulierten drei Milliarden Euro könnten zwar Mindereinnahmen der Verkehrsunternehmen ausgeglichen werden. Das Geld reiche aber nicht, um das Angebot zum Erreichen der Klimaziele zu verbessern und die Infrastruktur zu erneuern, so der Stuttgarter OB.
Laut Stuttgarter OB fehlen elf Milliarden Euro
Bundesweit werde, so Nopper, mit einem ungedeckten Finanzbedarf von jährlich elf Milliarden Euro gerechnet. In Stuttgart werde das jährliche Defizit der Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) von bisher rund 20 Millionen Euro auf über 150 Millionen Euro pro Jahr steigen, prognostiziert der OB, der auch SSB-Aufsichtsratsvorsitzender ist.
Enttäuschung beim Gemeindetag BW
Kritik am Entlastungspaket, auf das sich Bund und Länder am Mittwoch geeinigt haben, kommt auch vom Gemeindetag Baden-Württemberg. Gerade die Zusagen für die Übernahme von Kosten bei der Flüchtlingsunterbringung reichen Steffen Jäger, Präsident des Gemeindetages, nicht aus. Aus kommunaler Sicht seien sie enttäuschend. Die tatsächlichen Kosten könnten durch die bisher gemachten Zusagen nicht gedeckt werden.
Landkreistag will Übernahme aller Kosten einfordern
Ähnliche Kritik kommt vom Landkreistag. Präsident Jürgen Walter kündigte an, beim Land die vollen tatsächlichen Kosten einzufordern. Er monierte, die Länder hätten sich mit Finanzzusagen des Bundes zufriedengegeben, die meilenweit von dem entfernt seien, was sie selbst für erforderlich hielten. "Dies war nur deshalb möglich, weil die Hauptbetroffenen, die Kommunen, nicht mit am Verhandlungstisch saßen", sagte Walter.
Auch Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) teilt die Bedenken bei den Finanzierungsfragen. "Das wird alles andere als einfach. Wir werden sowohl bei der Unterbringung von Geflüchteten als auch beim öffentlichen Nahverkehr mit deutlich weniger Geld als notwendig aus Berlin klarkommen müssen", sagte er.
Bund-Länder-Treffen BW will faire Kostenverteilung bei Flüchtlingsunterbringung
Land und Kommunen kommen bei der Aufnahme Geflüchteter an ihre Grenzen - finanziell, aber auch räumlich. Die vom Bund angekündigten Immobilien entpuppen sich als "wenig hilfreich".
Finanzministerium: Lücke von vielen 100 Millionen Euro
Nach Angaben des Finanzministeriums bleibt ein Großteil der stark gestiegenen Kosten am Land und den Kommunen hängen. Für dieses und das kommende Jahr gebe es vom Bund noch mal knapp 200 Millionen Euro für die Flüchtlingsunterbringung. Alleine die Kommunen kalkulierten aber mit mehr als 900 Millionen Euro und das Land rechnet überschlägig für Erstaufnahme, Bildung und Integration zusätzlich mit mehr als 500 Millionen Euro Kosten. Für Flüchtlinge, die nicht aus der Ukraine stammten, flössen nächstes Jahr gerade noch 84 Millionen Euro vom Bund.