Die Polizei sichert den Bereich um das Stadion des SV Waldhof Mannheim ab, hier der Zugang vor dem Gästefans auf den Einlass warten. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Michael Deines)

SC Freiburg, VfB Stuttgart, Karlsruher SC und Stuttgarter Kickers

Kennzeichnungspflicht für die Polizei in BW: Das sagen Fußball-Fans

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Katharina Fuß
SWR-Redakteurin Katharina Fuß (Foto: Fotoatelier M., Terzo Algeri)

Ist es sinnvoll, Polizistinnen und Polizisten in BW bei großen Einsätzen wie Fußballspielen individuell zu kennzeichnen? Die Fans im Land haben dazu unterschiedliche Meinungen.

Polizistinnen und Polizisten in Baden-Württemberg sollen bei großen Einsätzen künftig individuell gekennzeichnet werden. Die grün-schwarze Landesregierung hat einen entsprechenden Gesetzesentwurf des Innenministeriums verabschiedet. Die Fans der Vereine in Baden-Württemberg haben zur Kennzeichnungspflicht unterschiedliche Meinungen.

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Polizeigewerkschaften sehen "Misstrauensvotum" Kennzeichnungspflicht für Polizei: Kretschmann weist Kritik zurück

Polizistinnen und Polizisten in Baden-Württemberg sollen bei großen Einsätzen künftig individuell gekennzeichnet werden. Die beiden großen Polizeigewerkschaften lehnen das ab.

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Fan-Initiative "Unsere Kurve" begrüßt Kennzeichnungspflicht

Helen Breit ist Fan des SC Freiburg und Vorstandsvorsitzende der bundesweiten Fan-Initiative "Unsere Kurve", sie hält die Kennzeichnungspflicht der Polizei bei Fußballspielen für unfassbar wichtig. Im SWR-Interview sagte sie: "Als Fußballfan ist man bei Spielen mit Hundertschaften von Polizisten konfrontiert, die sind behelmt, ich kann die Gesichter nicht sehen, das ist eine Masse von Polizistinnen und Polizisten." Dem pflichtet auch der Abteilungsleiter der Fanhilfe Karlsruhe, Martin Winter, bei. "Hundertschaften der Polizei treten in der Regel voll vermummt auf und die sind sich dann des Bonus der Anonymität durchaus bewusst." Das bedeute, dass während Streifenbeamtinnen und -beamte niemals jemand beleidigen oder tätlich angreifen würden, werde das in Hundertschaften leider relativ oft billigend in Kauf genommen, so Winter.

Prinzipiell könne die Polizei bei bestimmten Vorfällen Gewalt anwenden, das sei erstmal legitim und ihre Aufgabe, betont Helen Breit. Aber es gebe eben Situationen, in denen man als Fan der festen Überzeugung sei, dass da gerade die Polizeikräfte übertrieben hart vorgingen und dann wolle man, dass das strafrechtlich verfolgt werde. "Wenn es mir aber unmöglich gemacht wird, den Mensch zu identifizieren, der da gehandelt hat und der untertauchen kann in der Masse - dann habe ich ein großes Problem und meines Erachtens auch ein rechtsstaatliches Problem", kritisiert die Vorsitzende von "Unsere Kurve".

Mutmaßliche Polizeigewalt gegen SC-Fan konnte nicht nachverfolgt werden

In der Freiburger Fanszene habe es vor Jahren einen konkreten Fall gegeben, bei dem eine Kennzeichnungspflicht der Polizei laut Helen Breit geholfen hätte. Damals habe ein Polizeibeamter einem jungen Freiburg-Fan vier Zähne ausgeschlagen und sei dann in der Masse der Polizeikräfte verschwunden, berichtet Breit.

Die Fanbauftragte Helen Breit aus Freiburg fordert, dass Fußball-Fans die Polizeikräfte filmen dürfen. Diese dürften schließlich auch die Fans filmen. Das Videomaterial der Fans sei hilfreich, um festzustellen, ob Polizeigewalt stattgefunden habe oder nicht:


"Es ist schwer, sich in einer Stresssituation einen Zahlencode zu merken"

Joachim Schmid ist Vorsitzender des VfB Stuttgart-Fanclubs "Rot-Weiße Schwaben Berkheim". Da er selbst früher Polizist war, hat er ein gespaltene Meinung zur Kennzeichnungspflicht. Prinzipiell hält er es für keine gute Idee, Polizistinnen und Polizisten zu kennzeichnen. "Man könnte auch, wenn irgendwas vorfällt, nach dem Namen fragen, ein Polizist ist eigentlich dazu verpflichtet, dann seinen Namen zu nennen."

Außerdem glaubt Schmid, dass es den Fans schwer fallen wird, sich in einer Stresssituation mit der Polizei eine fünfstellige Nummer zu merken.

Fan-Initiative fordert: Polizeikräfte sollten zulassen, gefilmt zu werden

Auch Helen Breit von der Fan-Initiative "Unsere Kurve" hält es für kompliziert, sich als Fan diesen Code zu merken. Aber die Kennzeichnung sei ein wichtiger Schritt, um Polizistinnen und Polizisten genau identifizieren zu können. Breit fordert außerdem, dass die Polizeikräfte zulassen, dass man sie filmt. Diese dürften ja auch die Fans filmen und das Videomaterial der Fans sei hilfreich, um festzustellen, ob Polizeigewalt stattgefunden habe oder nicht. Sie habe die Erfahrung gemacht, dass Videomaterial der Polizei plötzlich verschwinde, wenn man Polizeigewalt nachverfolgen wolle.

Fanhilfe Karlsruhe unterstützt KSC-Fans bei Konflikten mit der Polizei

Diese Erfahrung gibt es auch in der Karlsruher Fanszene. Martin Winter von der Fanhilfe berichtet, dass bei Auseinandersetzungen mit der Polizei oft die Handys von Fans beschlagnahmt oder zerstört werden.

Die Fanhilfe Karlsruhe unterstützt Fans des Karlsruher SC, die im Zusammenhang mit ihrem Fandasein in juristische Konflikte geraten sind oder kommen könnten. Zum Beispiel vermittelt sie eine Rechtsberatung oder berät Fans, wenn sie in Auseinandersetzungen mit der Polizei geraten.

Der Abteilungsleiter Martin Winter wünscht sich, dass bei der Kennzeichnungspflicht in Baden-Württemberg die Kennzeichnungsnummer nicht nur vorne an der Uniform des Beamten oder der Beamtin angebracht wird, sondern auch auf der Rückseite. Er habe nämlich in anderen Bundesländern, in denen es die Kennzeichnungspflicht schon gibt, erlebt, dass die Polizeikräfte diese dann versuchen zu verstecken. So könnten die Beamtinnen und Beamten dann auch nicht identifiziert werden, sagt Winter.

SWR-Userinnen und User diskutieren über Kennzeichnungspflicht

Auch bei den SWR-Userinnen und -User sorgt das Thema Kennzeichnungspflicht für Diskussionen. Viele verstehen die Kritik daran nicht. Ein SWR-User schreibt dazu bei Facebook: "Die allermeisten Polizistinnen und Polizisten leisten hervorragende Arbeit, aber ...

"Wie überall gibt es auch im Polizeidienst Leute, die da nicht hingehören und sich hinter der Uniform und Schutzausrüstung verstecken, um mal richtig drauf zu kloppen."

Einige Nutzerinnen und Nutzer halten die Kennzeichnungspflicht aber auch für falsch und fragen, ob man dann nicht auch Demonstrierende oder Fußballfans kennzeichnen müsste. Eine SWR-Userin bei Instagram findet die Entscheidung der Landesregierung unmöglich. Sie nennt schwarze Schafe bei der Polizei eine Ausnahme und schreibt weiter: "Ich bin 71 Jahre alt und habe in meinem Leben schon an vielen Demonstrationen teilgenommen, zuletzt vermehrt gegen Naziaufmärsche. Immer fühlte ich mich sicher, wenn die Polizei anwesend war."

"Ich bin voller Bewunderung über die Geduld, die die Beamten und Beamtinnen gegenüber den Anfeindungen, den Pöbeleien aufbrachten."

Polizeigewerkschaften lehnen Kennzeichnungspflicht ab

Die beiden großen Polizeigewerkschaften sind gegen die Kennzeichnungspflicht. Sie kritisieren den Gesetzesentwurf als "Misstrauensvotum" gegen die Polizei. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte, er könne diese Kritik nicht nachvollziehen: "Das hat mit Misstrauen überhaupt nichts zu tun. Sondern das dient einfach dazu, dass man in problematischen Fällen nachverfolgen kann, wer das war", sagte Kretschmann.

Die Fanvertreterin Helen Breit aus Freiburg hält das Argument der Polizeigewerkschaften für vorgeschoben und glaubt, dass die Kennzeichnungspflicht bei der Polizei eher Vertrauen als Misstrauen schafft. Nicht die gesamte Institution der Polizei werde so als Feindbild abgelehnt, sondern man habe den Effekt, dass das Fehlverhalten einzelner Polizeikräfte kontrolliert werden könne, so Breit.

"Es macht die Arbeit der Polizei transparenter und überprüfbarer"

Daniel Metz, Sozialarbeiter vom Stuttgarter Kickers-Fanprojekt, findet die Kennzeichnungspflicht von Polizistinnen und Polizisten wichtig. Es sei schon länger ein wichtiges Thema innerhalb der bundesweiten Fanszenen. "Sicherlich respektiert und erkennt man an, dass Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte einen schwierigen Job haben, der nicht immer einfach zu meistern ist, aber auch hier können Fehler und Fehlhandlungen passieren", meint Metz.

Eine Kennzeichnungspflicht bringe klar den Vorteil, dass einem eventuellen Fehlverhalten von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten gezielter und erfolgreicher nachgegangen werden kann, als dies bisher der Fall war. Dass die Polizeigewerkschaften nun von einem Misstrauensvotum sprechen, könne Metz nur bedingt nachvollziehen. "Ich sehe es eher als einen ersten wichtigen Schritt in die richtige Richtung. Meiner Meinung nach macht es die Arbeit der Polizei transparenter und überprüfbarer, was doch auch im Interesse der Polizeigewerkschaften sein dürfte", sagte Metz.

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