Während vor der Haustüre aktuell mehr als 30 Grad den Asphalt zum Kochen bringen und Räume teilweise zu warm sind, machen sich einige Sorgen um eine kalte Wohnung im Winter. Die Angst dabei: Die Energiekrise spitzt sich so weit zu, dass Gas unbezahlbar wird und Haushalte auf andere Wärmequellen wie Heizlüfter, die mit Strom betrieben werden, zurückgreifen müssen. Einige Haushalte in Baden-Württemberg bereiten sich deshalb auf einen möglichen Ausnahmezustand vor - es wird gekauft und gehortet. Darunter auch sogenannte Prepper, die sich mit Vorräten und Überlebensstrategien rüsten. Aber was bewegt diese Menschen?
Prepper-Szene gewinnt an Popularität
Vor allem die Corona-Pandemie hat in Deutschland immer mehr Menschen dazu gebracht, sich auf den Extremfall vorzubereiten. Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und die ausgelöste Energiekrise mit steigenden Lebensmittelpreisen heizt das Phänomen weiter an. Der Krieg erscheine den Menschen "sozial nah", erklärt Psychologe Andre Ilcin im SWR-Gespräch. Dadurch werde die Bedrohung auch bei uns in Deutschland wahrgenommen. "Und dieses Gefühl bettet sich meist in Angst."
Auch Behörden raten zur Vorbereitung
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft schreibt auf seiner Homepage: "Über mögliche Versorgungsengpässe macht sich kaum noch jemand Gedanken." Aber die Realität sieht anders aus. Supermärkte führen zeitweise kein Öl, Mehl oder bestimmte Hygieneartikel fehlen ganz.
In einem Ratgeber des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenschutz wird konkret empfohlen, sich einen "ausreichenden Vorrat" an Lebensmitteln anzulegen. "Ihr Ziel muss es sein, 10 Tage ohne Einkaufen überstehen zu können", heißt es dort.
Auch das Thema Energiekrise führt die Menschen in die Läden, sie fürchten sich vor einem kalten Winter und decken sich mit alternativen Wärmequellen ein.
Nachfrage nach Elektroheizungen stark
Noch vor Beginn der Recherche zeigte eine einfache Google-Suche (19.7.), dass im Web derzeit verstärkt nach dem Kauf einer Elektroheizung gesucht wird, in Verbindung mit dem Stichwort Krieg:

Wir "verzeichnen eine gestiegene Nachfrage" bei elektrischen Heizungen, Konvektoren und Heizlüftern, sagt Florian Preuß, Pressesprecher der HORNBACH Baumarkt AG, gegenüber dem SWR. "Sogar Gaskocher und Kartuschen haben zeitweise einen Run erlebt." Die Nachfrage war in den letzten drei Wochen, nach Ausrufung der zweiten Stufe des Notfallplans Gas auf Bundesebene, "wirklich extrem stark", schreibt Preuß auf Nachfrage. Auch andere namhafte Elektroanbieter haben dem SWR ähnliche Beobachtungen bestätigt.
Pellets zeitweise in Baumärkten ausverkauft
Einen weiteren Effekt, den der Baumarkt wahrnehme, sei, dass sich Menschen verstärkt Gedanken über die Energiesparmaßnahmen in Haus und Wohnung machten. So seien Dämmstoffe, um den Energieverbrauch zu senken, seit Jahresbeginn sehr stark gefragt. Den stärksten Anstieg habe das Unternehmen bei Pellets erlebt, hier liege die Nachfrage seit Januar 100 Prozent über dem Vorjahr.
"Es boomt und wir kommen nicht hinterher", sagt Julia Schelling vom gleichnamigen Elektrofachhandel in Stuttgart. Der Fachhandel bekomme keine weiteren Produkte von Lieferanten, heißt es im SWR-Gespräch. Die Nachfrage sei besonders in den letzten zwei bis drei Wochen zu spüren. Dieses Phänomen ist Frau Schelling neu. Ähnlichen Zulauf kenne der Familienbetrieb nur aus Zeiten, als die Energiesparlampe eingeführt wurde.
"Wir haben im Sommer noch nie einen Heizlüfter verkauft."
Diese Käufe haben einen Nachahmungseffekt, beschreibt der Psychologe. Auch wenn im Winter wahrscheinlich kaum einer frieren werde, "befriedige" der Einkauf den Menschen und führe zu einem Sicherheitsgefühl. Und diese Käufe müssen laut Andre Ilcin nicht immer Sinn ergeben. Das haben auch die Hamsterkäufe von Klopapier während der Corona-Pandemie in Deutschland gezeigt.
Menschen trainieren für den Ernstfall
Um sich sicherer zu fühlen, besuchen Menschen Überlebenstrainings. Zum Beispiel im Schwarzwald, wie ein Bericht des SWR-Magazins "Zur Sache Baden-Württemberg!" zeigt. "Es könnte vielleicht irgendwann der Tag kommen, wo es Sinn macht, sich über Wasser halten zu können", sagt eine Teilnehmerin. Ein anderer ist bei dem Kurs im Wald, um später in der Lage zu sein "mich selber und auch meine Liebsten um mich herum vernünftig versorgen zu können".
Experte: Strukturen beibehalten
Der Antrieb, solche Kurse zu besuchen, könnte laut Psychologe der Gedanke sein "für das Schlimme gewappnet zu sein" und das löse wiederum ein Sicherheitsgefühl aus. "Dieses Ungewisse macht uns auch Angst. Es weckt bei uns Unsicherheit, Unwohlsein und das Gefühl, etwas zu verpassen oder etwas könne mir passieren", so der Experte für klinische Psychologie und Psychotherapie in Berlin.
Angst sei grundsätzlich aber nicht nur negativ, erklärt der Psychologe. Angst und Wut schütze uns Menschen auch. Er empfiehlt, trotz Krise und Konflikten an alten Gewohnheiten festzuhalten und Bedürfnisse zu stillen.
"Für Stabilität brauchen wir Menschen viele Glücksgefühle."
Dosen für den Notfall
Phillipp Nater, Geschäftsführer in Rielasingen (Kreis Konstanz), erzählt im SWR, wie "fragil das System" aktuell sei und bezieht sich dabei auf die Lieferketten, die durch den Krieg erheblich gestört beziehungsweise unterbrochen sind. Naters Unternehmen verkauft unter anderem konservierte Lebensmittel und Notfallpakete.
Für einen wirklichen Notfall ist Deutschland aber vorbereitet. Es gibt eine Zivile Notfallreserve und die Bundesreserve Getreide. Dort sind etwa Lebensmittel gelagert wie Reis, Hülsenfrüchte sowie Kondensmilch oder auch Getreide. Je nachdem, wie viele Personen versorgt werden müssen, reichen die Lebensmittel laut einem FAQ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft zwischen wenigen Tagen bis hin zu mehreren Wochen.