Die Polizei hat bei einem Großeinsatz eine terroristische Gruppe zerschlagen, die einen politischen Umsturz in Deutschland geplant haben soll. Sie scheint eng mit der sogenannten "Reichsbürger"-Szene verbunden. Mehr als die Hälfte der 25 am Mittwoch festgenommenen Verdächtigen aus der "Reichsbürger"-Szene ist inzwischen in Untersuchungshaft.
In 13 Fällen hätten Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof die Haftbefehle in Vollzug gesetzt, sagte eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe am späten Mittwochnachmittag. Bis zum Abend kamen sechs weitere hinzu: Ein Sprecher teilte mit, dass nun 19 Haftbefehle in Vollzug gesetzt worden seien. In keinem Fall, über den schon entschieden wurde, seien die Betroffenen wieder auf freien Fuß gekommen. Planmäßig sollen auch an diesem Donnerstag noch Verdächtige den Richtern des Bundesgerichtshofs vorgeführt werden.
- Baden-Württemberg Schwerpunkt der Razzien
- 150 Durchsuchungen in ganz Deutschland
- Ex-Bundestagsabgeordnete unter Beschuldigten
- Spezialkräfte im Einsatz
- Gruppe soll Sturz der Regierung geplant haben
- "Militärischer Arm" mit früheren Bundeswehrsoldaten
- Ermittlungsrichter in Karlsruhe entscheidet
- Weitere Durchsuchungen und Festnahmen möglich
- So reagiert die Politik in BW
Baden-Württemberg Schwerpunkt der Razzien
Ein Schwerpunkt der Aktion war in Baden-Württemberg. Hier waren laut Innenminister Thomas Strobl hunderte Polizeibeamte im Einsatz. Sie hatten am Mittwoch 38 Objekte durchsucht, unter anderem in Pforzheim, im Enzkreis, im Ortenaukreis, im Bodenseekreis und in den Kreisen Breisgau-Hochschwarzwald, Freudenstadt und Rottweil.
150 Durchsuchungen in ganz Deutschland
Bundesweit waren bis zu 3.000 Polizeikräfte in elf Bundesländern dabei, Haftbefehle und Durchsuchungsbeschlüsse im Auftrag des Generalbundesanwalts zu vollstrecken. Insgesamt gab es 150 Durchsuchungen. 25 Personen seien festgenommen worden, teilten Bundesanwaltschaft und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) mit. 22 der Festgenommenen wirft die Bundesanwaltschaft vor, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein. Drei gelten als Unterstützer. Zudem gebe es 27 weitere Beschuldigte.
Ex-Bundestagsabgeordnete unter Beschuldigten
Zu den Tatverdächtigen zählt auch die Berliner Richterin und frühere AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann.
Den Festgenommenen werde Unterstützung oder Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen, bekräftigte Frank. "Die Vereinigung hat sich nach unseren Erkenntnissen zum Ziel gesetzt, die bestehende staatliche Ordnung in Deutschland, die freiheitlich-demokratische Grundordnung, unter Einsatz von Gewalt und militärischen Mitteln zu beseitigen."

Spezialkräfte im Einsatz
Das Spezialeinsatzkommando (SEK) der Polizei Baden-Württemberg war ebenso im Einsatz, wie sogenannte "Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten" (BFE) der Bereitschaftspolizei und die Eliteeinheit GSG9 - das SEK der Bundespolizei. Koordiniert wurde die Aktion vom Bundeskriminalamt.
Gruppe soll Sturz der Regierung geplant haben
Bei den Razzien geht es um eine Gruppe von rund fünfzig Personen aus sogenannten "Reichsbürgern", Anhängern der QAnon-Ideologie, militanten "Querdenkern" und Esoterikern. Sie sollen nach SWR-Informationen einen Umsturz geplant haben - mit Hilfe von Gewalt und militärischen Mitteln, sagte der Generalbundesanwalt.
Die Gruppe wollte aus Sicht der Ermittlerinnen und Ermittlern eine neue Regierung unter Führung eines Prinzen aus dem Hochadel einsetzen, der Anführer der Gruppe sein soll. Dabei handelt es sich um den Unternehmer Heinrich XIII. Prinz Reuß aus Hessen. Mit dem Umsturz sollte ein Staat nach Vorbild des Deutschen Reichs von 1871 errichtet werden. Ziel sei es auch gewesen, gewaltsam in den Bundestag einzudringen. Führende Ermittler bezeichnen den heutigen Einsatz gegen die Gruppe als beispiellos: "Das sprengt vom Umfang her alle Dimensionen."
Generalbundesanwalt Frank teilte mit, dass die Vereinigung als "eine Art Rat" aufgebaut sei. "Dies soll eine Regierungsorganisation sein." Unterteilt sei der Rat in Ressorts ähnlich der Regierung eines Staates. "Bereits einzelne Personen waren vorgesehen für die Übernahme einzelner Ressorts, darunter für das Justizressort eine ehemalige Abgeordnete des Deutschen Bundestages."
Für den Umsturz seien gezielt Soldaten und Polizisten angesprochen worden, teilte die Bundesanwaltschaft mit.
"Militärischer Arm" mit früheren Bundeswehrsoldaten organisiert
Sorgen machten den Ermittlerinnen und Ermittlern vor allem mehrere frühere Soldaten des "Kommando Spezialkräfte" (KSK) der Bundeswehr, die zu den Beschuldigten gehören. Sie sollen besonders im Nahkampf ausgebildet sein. Unter anderem habe die Gruppe auch einen "militärischen Arm" organisiert, der eine "neue deutsche Armee" aufbauen solle, so Generalbundesanwalt Frank.
Die Ermittlungen richten sich demnach auch gegen einen aktiven KSK-Soldaten. Es soll sich um einen Mann aus dem Stab handeln. Nach Informationen des SWR und ARD-Hauptstadtstudios soll auch ein Dienstzimmer der Graf-Zeppelin-Kaserne in Calw durchsucht worden sein. Unter den Beschuldigten sind nach SWR-Recherchen neben den früheren Soldaten auch Polizeibeamte und Ärzte.
Ermittlungsrichter in Karlsruhe entscheidet
Die festgenommenen Männer und Frauen werden auch am Donnerstag noch zum Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe gebracht, der über die Untersuchungshaft entscheidet. Den Angehörigen des Netzwerks soll laut Bundesanwaltschaft bewusst gewesen sein, dass ihre Pläne nur mit dem Einsatz von militärischen Mitteln und Gewalt hätten verwirklicht werden könnten. Dazu hätten auch Tötungen gehört. Für den BGH ist diese Dimension bislang einmalig.
Nach bundesweiter Razzia gegen "Reichsbürger" Hochrangiger "Reichsbürger" war auch in der Region aktiv
Zwar gab es am Mittwochmorgen offenbar keine Razzien gegen sogenannte "Reichsbürger" in Heilbronn-Franken - einer der Beschuldigten hat aber trotzdem rege Kontakte in die Region.
Weitere Festnahmen und Durchsuchungen möglich
Der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger Münch, geht von weiteren Durchsuchungen und Beschuldigten in den nächsten Tagen aus. "Wir werden noch viele Beweismittel auswerten, um genauer zu schauen: Wie weit waren die Planungen im Detail? Und vielleicht gibt es noch weitere Personen, die wir feststellen - das ist nicht auszuschließen", sagte er Mittwochabend im ZDF-"heute journal".
So reagiert die Politik in BW
Der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) hat die "Reichsbürger"-Szene am Mittwoch als "staatsfeindliches, brandgefährliches und vor allem gewaltbereites Milieu" bezeichnet. Der Großeinsatz am Mittwoch gegen die Szene sei ein "präziser und erfolgreicher Schlag gegen den Rechtsextremismus und den Rechtsterrorismus" gewesen.
Der Verfassungsschutzexperte der SPD-Landtagsfraktion, Boris Weirauch, machte klar, die "Reichsbürger" seien nicht einfach nur "Spinner, sondern mitunter gefährliche Terroristen". Man müsse ihnen mit der Härte des Rechtsstaates begegnen.
Razzia gegen bewaffnete Gruppe BW-Innenminister: "Reichsbürger"-Szene ist "brandgefährlich"
In Baden-Württemberg gab es heute einen Großeinsatz gegen sogenannte bewaffnete "Reichsbürger". Innenminister Strobl warnt vor der Szene. Die Opposition fordert ihn auf, mehr zu tun.