BW-Innenminister Thomas Strobl (CDU) steht am Pult im Landtag vor dem Untersuchungsausschuss, im Hintergrund das BW-Wappen. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Bernd Weißbrod)

Vorwürfe um sexuelle Belästigung bei der Polizei

U-Ausschuss zur Polizeiaffäre: Strobl bleibt Antworten schuldig

Stand

Bis tief in die Nacht hat Innenminister Thomas Strobl (CDU) hunderte Fragen zur Polizeiaffäre beantwortet. Fast 15 Stunden lang dauerte die Marathonsitzung des U-Ausschusses.

Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) ist am Freitag bis tief in die Nacht vom Untersuchungsausschuss zur sogenannten Polizeiaffäre befragt worden. In der fast 15-stündigen Sitzung beantwortete er mehrere hundert Fragen - eine brachte den Innenminister dann aber doch in Bedrängnis.

Angebot der Staatsanwaltschaft? Strobl verweigert Aussage

SPD-Obmann Sascha Binder wollte wissen, ob Strobl die Einstellung des Verfahrens von der Staatsanwaltschaft gegen ihn angeboten wurde - gegen eine Geldzahlung. Der Innenminister berief sich nach längerem Hin und Her auf sein Zeugnisverweigerungsrecht und machte dazu keine Aussage.

Zwar geht es im U-Ausschuss vorrangig um sexuelle Belästigung bei der Polizei, die Beförderungspraxis und die Handlungen Strobls sollen aber ebenso beleuchtet werden. Für die politische Zukunft des 62-jährigen Ministers und CDU-Landeschefs sind vor allem die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen ihn entscheidend. Der Vorwurf: Strobl soll einen Journalisten der "Stuttgarter Nachrichten" dazu angestiftet haben, aus Verfahrensakten zu zitieren. Auch gegen den Reporter wird ermittelt.

Staatsanwaltschaft offerierte Reporter Einstellung des Verfahrens

Die Staatsanwaltschaft hat nach Angaben der "Stuttgarter Nachrichten" dem beteiligten Redakteur Mitte August die Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldzahlung angeboten. Der Redakteur habe dies jedoch abgelehnt. Dieses Angebot ist auch deshalb brisant, weil es nun denkbar erscheint, dass auch Strobl eine solche Offerte erhalten hat oder noch erhalten könnte. Doch neben Strobl selbst lehnte auch die Staatsanwaltschaft eine Stellungnahme dazu ab. Sollte er tatsächlich ein solches Angebot der Ermittlungsbehörde erhalten haben, könnte es eng für Strobl werden. Denn auch in der CDU wird dem Vernehmen nach bezweifelt, dass der Minister in dem Fall im Amt bleiben kann.

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Opposition wirft Strobl unter anderem Geheimnisverrat vor

SPD-Obmann Sascha Binder sagte nach der Sitzung, es sei einmalig, dass ein Innenminister vom Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, "weil er sich sonst damit selbst belasten könnte". Die Opposition aus SPD, FDP und AfD hatte den Minister seit dem frühen Freitagnachmittag befragt. Sie werfen dem CDU-Politiker Geheimnisverrat und einen Verstoß gegen den Datenschutz vor, weil er ein Schreiben des Anwalts des suspendierten Inspekteurs der Polizei an einen Journalisten weitergegeben hatte.

Strobl verteidigt Herausgabe von Anwaltsschreiben

Gegen den ranghöchsten Polizisten wird wegen sexueller Belästigung ermittelt. Strobl verteidigte in der Sitzung immer wieder sein Vorgehen. Er habe sich entschieden, das Schreiben an den Reporter zu geben und dabei das Interesse der Öffentlichkeit als gewichtiger eingeschätzt als den Datenschutz. Denn der Anwalt habe ihm ein "vergiftetes Angebot" gemacht, in dem er quasi auf dem kleinen Dienstweg die Vorwürfe klären wollte. Strobl betonte erneut, er habe jeden Anschein, es könnte einen "Hinterzimmer-Deal" geben, vermeiden wollen und habe deshalb das Schreiben an den Journalisten gegeben.

Worum geht es in der Affäre und wie verteidigt sich Innenminister Strobl? Ein Überblick:

FDP kritisiert "unschlüssiges Verhalten"

FDP-Obfrau Julia Goll blieb trotz der Aussage Strobls dabei, dass der Minister ohne Not das Anwaltsschreibens an die Presse gegeben habe. "Für mich ist das völlig unschlüssig." Die Länge der Sitzung habe auch an Strobl gelegen. "Den Antworten hat eine gewisse Stringenz gefehlt." Die Befragung endete am frühen Samstagmorgen um 00:50 Uhr im Landtag in Stuttgart.

CDU-Obfrau Christiane Staab beklagte, die Opposition habe immer wieder Fragen gleichen Inhalts gestellt. Strobl habe die Vorwürfe gegen ihn überzeugend entkräftet. Grünen-Obmann Oliver Hildenbrand sagte, der Erkenntnisgewinn im Hinblick auf das Anwaltsschreiben habe sich in Grenzen gehalten. Hierzu sei schon vorher das meiste bekannt gewesen. Für ihn sei wichtig, dass es nach dem Ausschuss gelinge, "Gelegenheitsstrukturen für sexualisierte Gewalt in der Landesverwaltung entschiedener entgegenzutreten".

Polizeiinspekteur soll Kollegin sexuell belästigt haben

Ausgangspunkt der Affäre sind die Vorwürfe gegen den vom Dienst suspendierten Inspekteur der Polizei. Der soll versucht haben, eine Kollegin zum Sex zu überreden. Dabei soll er auch darauf hingewiesen haben, dass er über ihre Beförderung entscheide. Seit November ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den ranghöchsten Polizeibeamten des Landes.

Strobl: Keine parteipolitisch motivierte Beförderungspraxis in der Polizei

In der Sitzung des Untersuchungsausschusses ging es ebenfalls um das Thema sexuelle Belästigung in Landesbehörden und um die Beförderungspraxis in der Polizeiführung. Den Vorwurf einer parteipolitisch motivierten Beförderungspraxis wies Strobl entschieden von sich. Dieser sei "bösartig und wahrheitswidrig", so der Minister.

SPD-Obmann Binder zeigte sich weniger zufrieden mit den Antworten des Ministers. Er sei erstaunt gewesen, dass Strobl bei ziemlich vielen Dingen nicht beteiligt oder unwissend gewesen sei. Der Minister habe wenig Ahnung gehabt, wie ein Auswahlverfahren für den Inspekteur der Polizei laufe, so Binder.

Ebenfalls im Fokus der kritischen Fragen stand der Zeitablauf im Ministerium, von der ersten Informationen zur sexuellen Belästigung bis zur Entscheidung, die Staatsanwaltschaft zu informieren. Nach Angaben Strobls seien dabei mehrere Tage vergangen. Der Minister erklärte, dass Überprüfungen der Grund für diesen Verzug waren. Auch die Abgabe der Dienstwaffe des Inspekteurs hätte geregelt werden müssen.

Innenminister beklagt persönlichen Charakter der Debatte

Zu Beginn seiner Aussage hatte Strobl beklagt, dass es in der aktuellen Debatte nicht mehr um die Vorwürfe gegen den Inspekteur der Polizei wegen sexueller Belästigung gehe. Das eigentliche Thema der Affäre sei aus dem Mittelpunkt geraten und einer "parteipolitischen, ja persönlichen Auseinandersetzung" gewichen, kritisierte der CDU-Politiker, der als Innenminister auch für die Polizei im Land verantwortlich ist.

Im Untersuchungsausschuss ging es auch um die Frage, inwieweit die Karriere des inzwischen suspendierten Polizeiinspekteurs im Innenministerium überprüft worden war. Hierzu merkte Strobl an, dass der Inspekteur auch unter Amtsvorgängern exzellente Bewertungen erhalten hätte. Den Befragungen zugrunde liegen ein 87-seitiger Regierungsbericht und 420.000 Seiten Aktenmaterial.

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SWR