Die unerlaubte Abfrage von Daten aus der Luca-App durch Ermittlungsbehörden in Mainz ist nach SWR-Informationen kein Einzelfall. Auch im Kreis Breisgau-Hochschwarzwald, dem Rhein-Neckar-Kreis und im Landkreis Heilbronn gab es entsprechende Anfragen der Polizei. Das zeigt eine SWR-Anfrage bei allen Gesundheitsämtern im Land. Die Anfragen zu Ermittlungszwecken seien allerdings alle abgelehnt worden, teilten die Gesundheitsämter mit.
Anfrage wegen Schmuck-Diebstahl
Die Polizei in Heilbronn bestätigte eine entsprechende Anfrage im Dezember. Man habe sich erkundigt, ob man für die Suche nach einem Dieb auf verschlüsselte Kontaktdaten zurückgreifen könne, teilte ein Sprecher mit. Konkret ging es um einen Diebstahl in der Schmuckabteilung eines Einzelhandelsgeschäfts.
Der Polizeisprecher betonte aber, die Beamtin habe lediglich mit dem Gesundheitsamt des Landratsamtes Heilbronn die "rechtlichen Möglichkeiten der Nutzung von Daten der Luca-App-Daten erörtert". Da man schnell festgestellt habe, dass dies rechtlich nicht möglich sei, habe sich die Anfrage mit dem kurzen Telefonat erledigt, so der Sprecher.
Ermittler in Mainz nutzten Daten rechtswidrig
In Mainz stehen Ermittlungsbehörden und Gesundheitsamt in der Kritik, weil sie zur Klärung eines Todesfalls verbotenerweise die Daten von einer Gaststätte angefragt und genutzt hatten. Die Staatsanwaltschaft Mainz hat inzwischen eingeräumt, dass es für die polizeiliche Nutzung der Daten keine hinreichende rechtliche Grundlage gegeben habe. Die Behörde entschuldigte sich. Sie hatte der Abfrage eigenen Angaben zufolge zugestimmt.
21 potentielle Zeugen seien telefonisch kontaktiert worden. Hintergrund waren Ermittlungen zum Tod eines Mannes, der im November 2021 unter ungeklärten Umständen vor einem Mainzer Lokal gestürzt war.
Kritik von Datenschützern und Politikern
Der rheinland-pfälzische Landesbeauftragte für den Datenschutz, Dieter Kugelmann, hat wegen des Mainzer Vorfalls inzwischen ein aufsichtsrechtliches Verfahren eingeleitet. Er sprach von einem besorgniserregenden Vorfall. Auch Politiker aus Baden-Württemberg erneuerten Kritik an der Software. So sagte der digitalpolitische Sprecher der FDP, Daniel Karrais, der Fall belege erneut die Datenschutz- und Sicherheitsprobleme der App.
"Was die Warnung und die Nachverfolgung angeht, ist die Luca-App ohnehin mausetot", so der netzpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Landtag, Alexander Salomon.
Vertrag mit Baden-Württemberg läuft Ende März aus
Baden-Württemberg will Ende Februar über die weitere Nutzung der Luca-App für die Corona-Kontaktdatenverfolgung entscheiden. Der Vertrag mit den Betreibern der Software läuft Ende März aus und verlängert sich ohne eine fristgerechte Kündigung automatisch. "Über eine mögliche Verlängerung wird in den nächsten Wochen unter anderem mit den baden-württembergischen Gesundheitsämtern, die Luca nutzen, beraten", sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums. Einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur zufolge erwägen auch zehn weitere Bundesländer, die Verträge mit den App-Betreibern zu beenden. Schleswig-Holstein hat demnach schon entschieden, die Lizenz nicht über März hinaus zu verlängern.
Weitergabe der Daten rechtswidrig
Das Land hatte die Luca-App im Frühjahr ohne Ausschreibung und Wettbewerbsverfahren für 3,7 Millionen Euro erworben. Die für die Kontaktnachverfolgung verwendete App soll ausschließlich zur Unterbrechung von Infektionsketten dienen. Laut Infektionsschutzgesetz ist jegliche Weitergabe der Daten zu anderen Zwecken - also auch bei Ermittlungen der Polizei - ausgeschlossen. Nach Unternehmensangaben haben bundesweit 40 Millionen Menschen die Luca-App installiert.