Krähe sitzt mit offenem Schnabel im Gras (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance / Christoph Schmidt)

Pickattacken in BW

Können Rabenvögel Schafe töten?

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Es klingt nach Hitchcock, doch laut dem Landesschafzuchtverein gibt es sie wirklich: Die Pickattacken von Raben auf Schafe. Nachweise dafür gibt es aber wohl nur in Einzelfällen.

Für den Landesschafzuchtverband in Baden-Württemberg ist die Sache klar: Attacken von Rabenvögeln auf Schafe sind schon seit Längerem ein Problem. "Es finden nach wie vor Übergriffe auf Schafe statt", erklärte Geschäftsführerin Anette Wohlfarth der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Sie nannte dabei aber keine konkreten Zahlen.

Auch das baden-württembergische Umweltministerium nennt keine genauen Zahlen. Vereinzelt würden Schäfereibetriebe Pickschäden melden, die mutmaßlich von Rabenvögeln verursacht wurden, heißt es. Nachweise dafür habe es jedoch nur in Einzelfällen gegeben. Gerade "Kolkraben-Jungvogeltrupps" würden immer wieder Probleme machen - vor allem dann, wenn die Schafe eingezäunt seien. Es gebe allerdings keine verlässlichen Zahlen, wie oft das passiert und wie schwer diese Verletzungen sind.

Ein Kolkrabe (Corvus corax) auf einem Felsbrocken (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa/Patrick Pleul)
Sieht man einen großen schwarzen Vogel in der Stadt, ist es quasi ausgeschlossen, dass es sich um einen Kolkraben handelt. Denn der riesige Singvogel liebt eher einsame Waldgebiete, bevorzugt in felsiger Landschaft. Er ist bis zu 15 Zentimeter größer als die Krähen, die jeder kennt, und sogar größer als ein Mäusebussard. Seine Stimme klingt auch nicht wie das heisere, manchmal garstige "Kräh, Kräh" der Krähen, sondern kehlig, klangvoll eher wie ein "Grog, Grog". picture alliance/Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa/Patrick Pleul Bild in Detailansicht öffnen
Sieht man einen schwarzen Vogel in Siedlungsgebieten und er ist größer als eine Amsel oder ein Star, dann ist es wahrscheinlich eine Krähe. Die Rabenkrähe ist dabei der weitaus häufigste Rabenvogel in Deutschland. Sie ist komplett schwarz und wenig scheu. Auch in Baden-Württemberg kann man den schlauen Vogel leicht beobachten, wenn er etwa in Mülleimern in Parks nach Essbarem sucht. picture alliance/dpa/Peter Kneffel Bild in Detailansicht öffnen
Saatkrähen sind etwa gleichgroß wie Rabenkrähen, unterscheiden sich aber durch den ungefiederten Schnabelansatz, der selbst aus weiterer Entfernung hell erscheint. Saatkrähen sind allerdings viel seltener als Rabenkrähen und stehen daher in Baden-Württemberg unter Schutz. picture-alliance/dpa/dpaweb/Carsten Rehder Bild in Detailansicht öffnen
Die Nebelkrähe gilt als Zwillingsart der Rabenkrähe und ist durch ihre "graue Weste" unverwechselbar. In Baden-Württemberg wird man sie allerdings kaum antreffen, denn sie ist eher im Osten und Norden verbreitet. Wer schon mal in Berlin war, wird sich erinnern, dass die Nebelkrähen dort neben den dreisten Spatzen allem Fressbaren hinterherjagen. picture alliance/Silas Stein/dpa/Silas Stein Bild in Detailansicht öffnen
Auch die Dohle gehört zu den Rabenvögeln. Wie viele Krähen liebt sie die Gesellschaft des Menschen und findet sich in vielen Siedlungsgebieten. Sie ist allerdings viel kleiner und gedrungener als die Krähen, hat einen auffällig grauen Nacken und blaue Augen. picture alliance/dpa/Stefan Sauer Bild in Detailansicht öffnen

Vogelexperte: "Absolute Ausnahme, dass Schafe durch Picken sterben"

Häufig könne auch nicht mehr unterschieden werden, ob die Pickverletzungen zum Tod des Tieres geführt haben oder ob sie erst nach dessen Tod zugefügt wurden, so das Umweltministerium. "In den meisten Fällen scheinen Pickverletzungen jedoch eine Folge von schon vorher bestehenden Problemen bei der Tierhaltung zu sein." Als Beispiel nennt das Ministerium erkrankte Tiere.

Ähnlich sieht das auch Vogelexperte Veit Hennig von der Universität Hamburg, der solche Vorfälle unter anderem im Auftrag des Landes untersucht hat. Er sagt, es sei die absolute Ausnahme, dass Schafe durch Picken sterben. Dass ein Hieb tödlich sei, komme so gut wie nicht vor. Die Schafe, oft Lämmer, müssten durch Krankheiten geschwächt sein oder von ihren Müttern alleingelassen worden sein.

Rabenvögel verursachen noch mehr Probleme in der Landwirtschaft

Rabenvögel bereiten in Baden-Württemberg anhaltend Probleme, auch in anderen Bereichen. Auf einen Antrag der CDU im Landtag listete das Umweltministerium neben den Verletzungen an Schafen auch Schäden am Saatgut und Gemüse oder Belästigungen durch Lärm und Verschmutzung auf.

So genannte Vergrämungsmethoden, um die Vögel zu vertreiben, sind nicht so einfach umzusetzen. Zum einen besteht laut Umweltministerium die Gefahr der Aufsplitterung der Kolonien, so dass sich die Tiere großflächiger verteilen und sich die Belastungen in der Summe noch vergrößern. Zum anderen könnten Methoden wie Lärmmaschinen oder Scheinwerfer zu Beschwerden von Anwohnerinnen und Anwohner führen.

Rabenkrähen dürfen geschossen werden

Was also tun? Dem Ministerium zufolge dürfen Rabenkrähen außerhalb von geschützten Gebieten während der Jagdzeit geschossen werden. Im Jagdjahr 2019/2020 seien rund 21.000 der Tiere gejagt worden. Das sei nach Rehen, Wildschweinen und Füchsen die viertgrößte Jagdstrecke aller im Land bejagbaren Arten gewesen. Nur die selten vorkommende Saatkrähe ist geschützt und darf nicht gejagt werden.

Außerdem nutzen ökologische Landwirtschaftsbetriebe Pflanzenstärkungsmittel auf Basis von Hopfenextrakt, um Krähenfraß zu verhindern. Richtig Vergrämungsmethoden können laut Ministerium wegen der Gefahr, dass die Rabenvögelpopulation sich aufspaltet und immer größer wird, nur in "besonders sensiblen Bereichen", wie Krankenhäusern oder Schulen angewandt werden.

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