Arzt mit Stetoskop (Foto: dpa/picture-alliance)

Überforderung der Arztpraxen

Corona-Überlastung: Patienten schildern Grenzsituationen bei Hausärzten

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Senada Sokollu

Patientenstopp, Überbelastung, Zutrittsverbot: Immer wieder werden Patienten in der Pandemie von Hausarztpraxen abgewiesen - zum Auskurieren ohne Behandlung.

Angefangen habe es mit Husten und irgendwann habe die Lunge gebrannt, schildert eine Stuttgarterin, die anonym bleiben möchte. "Ich habe seit fast 20 Jahren Asthma. Der Zustand wurde einfach nicht besser. Ich wollte mich vom Arzt untersuchen lassen", erzählt sie im Gespräch mit dem SWR. Sie selbst sei geboostert und die Corona-Schnelltests seien negativ gewesen, trotzdem habe sie einen PCR-Test machen wollen.

Der erste Hausarzt in Stuttgart habe sie abgewiesen und sie an ihre Hausarztpraxis außerhalb der Stadt verwiesen, erzählt sie. "Ich bin dann mit Symptomen mit der S-Bahn zu meiner Hausärztin gefahren, die im Urlaub war. Der vertretende Arzt wollte keinen PCR-Test bei mir machen, weil meine Symptome zu schwach seien und in die Praxis hineinlassen wollte er mich auch nicht", sagt sie. Sie habe 20 Minuten krank vor der Tür gestanden ohne Untersuchung. "Erst auf Nachfrage wurde mir ein Rezept für ein Cortison-Spray ausgestellt - also praktisch durch meine Selbstdiagnose."

"Ärzte sind doch dafür da, einen zu behandeln"

Der Arzt habe ihr gesagt, sie solle zu einem privaten Anbieter gehen, um einen PCR-Test zu machen. "Der hat dann circa 50 Euro gekostet. Den musste ich selbst bezahlen." Am nächsten Tag sei das Testergebnis negativ gewesen, aber dennoch: "Ich war fünf Stunden unterwegs, um überhaupt versorgt zu werden. Man stelle sich mal vor wie viele potentielle Risikokontakte ich verursacht hätte", kritisiert sie.

Das habe ihr Angst gemacht. "Ich bin eine junge Frau. Was wäre aber wenn ich Mitte 70 wäre und nicht behandelt werden würde?" Ärzte seien doch dafür da, einen zu behandeln.

Überbelastung von Praxen - Patientenstopp

Eine andere Patientin schildert eine schlechte medizinische Versorgung bei einem Meningokokken-Fall. Ein Bekannter habe sich mit Meningokokken angesteckt und liege bereits im Koma. Erst Tage später seien Kontaktpersonen des Kranken vom Gesundheitsamt kontaktiert worden. "Man rief mich an Tag neun (von zehn) der Inkubationszeit an und riet mir, zum Arzt zu gehen. Bis dahin hätte die Krankheit bei mir auch schon längst ausbrechen können", sagt sie.

Man habe ihr geraten, sich in irgendeiner Hausarztpraxis prophylaktisch ein Antibiotikum verschreiben zu lassen. Ein Termin bei einem Arzt sei nicht nötig. "Von zwei Stuttgarter Hausarztpraxen wurde ich abgewiesen, obwohl es ein Notfall war. Beide haben wegen Corona zu viel zu tun und haben einen Patientenstopp", erzählt sie. Sie sei zur Notaufnahme ins Krankenhaus geschickt worden und habe dort zwei Stunden auf ihr Rezept warten müssen.

Grenzsituationen durch die Pandemie

Fälle wie diese sind keine Ausnahmesituation mehr, weiß die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD). Sie selbst mussten pandemiebedingt 27 von 30 Beratungsstellen in ganz Deutschland schließen. Gleichzeitig sei das Anrufvolumen pandemiebedingt höher: rund 180.000 Anrufe pro Jahr. "Das ist auch das, was wir immer wieder in der Beratung erleben: Dass wir durch die Pandemie in Grenzsituationen kommen und dass das Gesundheitssystem stellenweise auch einfach überlastet ist", so Johannes Schenkel, ärztlicher Leiter der UPD im Gespräch mit dem SWR.

Grundsätzlich gelte für gesunde Menschen mit leichten Symptomen wie Husten und Schnupfen das Motto: zu Hause bleiben und mit dem Hausarzt telefonisch Kontakt aufnehmen, so Schenkel. "Das gilt bei einer Asthma-Patientin aber nur sehr eingeschränkt." Dies sei im oben beschriebenen Fall "nicht richtig und nicht gut gelaufen", kritisiert Schenkel.

Dr. Johannes Schenkel, ärztlicher Leiter der UPD  (Foto: SWR)
Dr. Johannes Schenkel, ärztlicher Leiter der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD)

Zugang zum Gesundheitssystem erschwert

Patientinnen und Patienten könnten eine bestimmte medizinische Maßnahme nicht einfordern im Sinne von: 'Ich habe ein Recht drauf und Sie müssen den PCR-Test machen', erklärt Schenkel. "So ist die Rechtslage nicht. Das gilt nur für die Notfallversorgung", so der Arzt. Die müsse ein Arzt immer leisten, aber was einzelne Maßnahmen angehe, müsse man immer den einzelnen Fall anschauen, so Schenkel.

"Wir haben immer wieder Schilderungen, dass den Menschen der Zugang zum System jetzt in der Pandemie schwerer fällt, weil Hausarztpraxen schlechter erreichbar sind, weil das Angebot psychotherapeutischer Versorgung geringer ist." Einerseits sei das System überlastet, andererseits sei die Nachfrage pandemiebedingt höher.

Gesundheitssystem soll entlastet werden

"Um das Gesundheitssystem zu entlasten, wollen wir nicht, dass Menschen mit Erkältungssymptomen in der Praxis verweilen. Das soll die Ansteckung anderer Patienten verhindern", erklärt ein Arzt, der anonym bleiben möchte. Vor allem wenn eine Patientin oder ein Patient nicht geimpft, aber erkältet sei. "Dann lassen wir den Patienten nicht in die Praxis. Wir machen dann auch keinen PCR-Test. Bei Geimpften schon", betont der Arzt im SWR-Gespräch. Das müsse jeder Arzt für sich entscheiden, fügt er hinzu.

"Per Telefon und Video sind Beratungen und Krankschreibungen möglich. Wir Ärzte machen daher auch Gebrauch davon, Menschen bei Erkältungssymptomen nicht in die Praxis zu lassen."

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