Marienplatz und Zahnradbahn in Stuttgart.  (Foto: IMAGO, IMAGO / Dirk Sattler)

ÖPNV ab September

Nahverkehr in BW: So geht es nach Ende des 9-Euro-Tickets weiter

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Matthias Roman Schneider

Busse und Bahnen waren in den vergangenen drei Monaten, dank 9-Euro-Ticket, für viele Menschen um einiges attraktiver. Jetzt geht es allerdings zurück zum alten Flickenteppich.

Wer in Baden-Württemberg mit dem Nahverkehr, Bus, Stadtbahn und den Regionalbahnen unterwegs ist, muss sich mit 21 verschiedenen Verkehrsverbünden auseinandersetzen. In jedem dieser Verbünde gelten andere Preise für Fahrkarten. Das 9-Euro-Ticket, das in den vergangenen drei Monaten zur Verfügung stand, hatte für viele Nutzende den großen Vorteil, dass es neben dem günstigen Preis unkompliziert nutzbar war.

Der SWR hat dazu zum Beispiel in Karlsruhe mit Bahnreisenden gesprochen.

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Andere Stadt - anderes Ticket

In Stuttgart kostet ein Einzelfahrschein für eine befahrene Zone 2,80 Euro, für zwei Zonen 3,40 Euro. In Mannheim kostet eine Fahrt durch die ganze Stadt 2,80 Euro. In Freiburg kostet die Fahrt mit dem ÖPNV in der Stadt innerhalb einer Stunde 2,50 Euro. Wer zwei Stunden fahren möchte, zahlt sogar 4,20 Euro. Wenn man sich die Ticketgestaltung von nur drei baden-württembergischen Großstädten nacheinander anschaut, sieht man schnell, dass in jeder Stadt andere Faktoren eine Rolle spielen. Also Zonen, Strecke oder Zeit.

Während aktuell noch über eine mögliche Nachfolge zum einfachen 9-Euro-Ticket, das gleichermaßen in allen Tarifzonen galt, gestritten wird, müssen sich potentielle Fahrgäste also zunächst wieder auf eine unübersichtliche Tarif-Landschaft einstellen. Denn ab September ist alles wieder so, wie es vorher war. Künftig werden Tickets für Bus und Bahn teilweise sogar teurer als vor der Vergünstigungsaktion.

Vergleichbare Fahrkarte zum 9-Euro-Ticket?

In Baden-Württemberg kann man zum sogenannten BW-Tarif Fahrkarten und Zeitkarten erwerben, die es einfach ermöglichen sollen in verschiedenen Verkehrsverbünden unterwegs zu sein. Allerdings muss man sich beim Buchen dieser Fahrkarten vorab auf eine Strecke innerhalb der 21 Verkehrsverbünde festlegen. Somit richtet sich dieser Tarif eher an Pendelnde als an Spontanreisende. Zudem kostet so ein Ticket laut Betreiberwebseite monatlich bis zu 260 Euro. Selbstverständlich gibt es auch günstigere Varianten der Tickets im BW-Tarif - vergleichbar mit dem Preis des 9-Euro-Tickets sind diese allerdings nicht. In der Flexibilität kommt ein Tagesticket im BW-Tarif dem 9-Euro-Ticket gleich. Denn auch damit können frei alle Tarifzonen befahren werden, nur eben nicht einen kompletten Monat am Stück.

Mehrere Verkehrsverbünde in BW wollen die Preise anheben

Vor allem in den Ballungsräumen, wie im Großraum Stuttgart, wird es teurer. Als Gründe werden bei den Verkehrsverbünden für die Preisanhebungen unter anderem steigende Personalkosten sowie erhöhte Kosten für Diesel und Strom genannt. Die Nahverkehrsunternehmen haben durch das verbilligte 9-Euro-Ticket, das Ende August ausläuft, weniger Einnahmen.

Aus eigener Kraft könnten beispielsweise der Verkehrsverbund Stuttgart und damit auch seine kommunalen Träger auf keinen Fall ein weiteres vergünstigtes Angebot in der Art des 9-Euro-Tickets finanzieren, heißt es von Seiten der Verkehrsverbünde.

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Verkehrsunternehmen fordert Landes- und Bundesticket

In der Diskussion um eine Nachfolgelösung für das 9-Euro-Ticket hat der Geschäftsführer des Verkehrsverbundes OstalbMobil in Aalen, Paul-Gerhard Maier, zwei Tarife vorgeschlagen: ein bundesweites Ticket und ein Landesticket.

Maier sagte dazu dem SWR, dass für deren Finanzierung auch Bund, Land und gegebenenfalls Kommunen einspringen müssten: "Es ist die Frage, wer dieses Ticket nachher bezahlen soll. Denn mit 9 Euro, 29 Euro, 49 oder 69 Euro - die Preise, die so im Gespräch sind - sind natürlich die Kosten nie gedeckt."

Politik ist gefragt

Es gibt auch auf deutschlandweiter Ebene Ideen den Tarifflickenteppich mit neuen Tickets zu vereinfachen. Von 9 bis 69 Euro sind inzwischen zahlreiche Vorschläge gemacht worden. Die SPD im Bundestag etwa hat ein bundesweites 49-Euro-Ticket ins Spiel gebracht, die Grünen wollen das um ein regionales Monatsticket für 29 Euro ergänzen. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) wiederum hatte sich für ein 69-Euro-Ticket ausgesprochen. Bei der Finanzierungsfrage ist aus Sicht der Länder klar: Einfach ein weiteres billiges ÖPNV-Ticket darf es nicht geben. Das hatte zuletzt Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) verlauten lassen.

Kretschmann hat bei der Diskussion um eine Nachfolge für das 9-Euro-Ticket ein Mitspracherecht der Länder verlangt. Vorschläge müssten sauber und nachhaltig durchfinanziert sein.

Bundesminister haben sich auf Nachfolge geeinigt

Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte bis zuletzt eine Nachfolgelösung für das 9-Euro-Ticket blockiert, nun seinen Widerstand aber aufgegeben. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) teilte am 31. August mit, er habe Lindner davon überzeugt, dass es ein weiteres, moderneres Ticket geben müsse. Mit Blick auf die Vielfalt an Tarifzonen und Verkehrsverbünde betonte er, man brauche in Deutschland eine bessere Tarifstruktur im öffentlichen Personennahverkehr.

"Die Menschen haben durch den Kauf dieser vielen Tickets darüber abgestimmt, dass es so nicht bleiben soll", so Wissing im Deutschlandfunk. Er sei sich mit Lindner aber einig, dass es keinen kostenlosen ÖPNV geben könne. "Aber natürlich muss die Preisgestaltung am Ende attraktiv sein." Dafür werde der Finanzminister auch noch mal in die Kasse greifen. Am Ende müssten Bund und Länder das neue Ticket gemeinsam finanzieren.

Erste Modelle werden in Baden-Württemberg umgesetzt

Die Stadt Heidelberg will die Geschichte des 9-Euro-Tickets weiterschreiben. Dort gilt im Stadtgebiet ab September das 3-Euro-Ticket, so hat es der Gemeinderat beschlossen. Das Projekt nennt sich "hd-4-mobility". Warum er das 3-Euro-Ticket für einen "ersten wichtigen Schritt auf dem Weg zum kostenlosen Nahverkehr hält", sagt der Oberbürgermeister von Heidelberg, Eckart Würzner, im Gespräch mit SWR Aktuell-Moderatorin Petra Waldvogel:

Vor allem für junge Menschen in Baden-Württemberg wird es im kommenden Jahr ein Angebot geben. Land, Kommunen und Verbünde bieten ab März 2023 ein 365-Euro-Jahresticket an. Das landesweite Jugendticket sollen dann alle Personen mit Wohnort in Baden-Württemberg bis zum 21. Geburtstag erwerben können, sowie Schülerinnen und Schüler, Studierende, Auszubildende und Freiwilligendienstleistende bis zum 27. Geburtstag.

Problemkinder: Angebot und Infrastruktur

Auch das Grundangebot im Nahverkehr muss laut Experten verbessert werden: mehr Infrastruktur, mehr Personal, mehr Fahrzeuge. Die Verkehrsministerinnen und -minister in den Bundesländern fordern deshalb, dass die Bundesregierung die sogenannten Regionalisierungsmittel deutlich aufstockt, mit der der Bund den ÖPNV in den Ländern und Kommunen mitfinanziert. Zusätzlich zu der bislang schon geforderten Erhöhung um 1,5 Milliarden Euro pro Jahr wollen die Länder mit Verweis auf die hohen Energiepreise für die Jahre 2022 und 2023 jeweils weitere 1,65 Milliarden Euro, berichtete die Deutsche Presse-Agentur am Dienstag. Andernfalls müssten die Unternehmen die Preise im ÖPNV bald erhöhen - anstatt eines günstigeren Angebots für Busse und Bahnen würden die Fahrten teurer.

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