Die Rechtsgrundlage für die meisten Corona-Maßnahmen in Deutschland ist am Samstag (20. März) ausgelaufen. Ein entsprechendes Gesetz haben Bundestag und Bundesrat am Freitag beschlossen. Doch nicht alle Bundesländer ziehen mit, manche nutzen stattdessen eine Übergangsfrist, um vorübergehend an einigen Corona-Maßnahmen festzuhalten.
Kretschmann: Corona-Pandemie mitnichten vorbei
"Das neue Infektionsschutzgesetz des Bundes passt nicht zur derzeitigen Corona-Lage", sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). "Ja, das Virus hat sein Gesicht verändert. Aber die Pandemie ist mitnichten vorbei." Mitten in diese erneute Welle komme jetzt ein neues Infektionsschutzgesetz, das fast keine grundlegenden Schutzmaßnahmen mehr vorsehe und den Ländern einen völlig unzureichenden Instrumentenkasten an die Hand gebe, so der baden-württembergische Regierungschef am Freitag in einer Mitteilung.
Auf der Ministerpräsidentenkonferenz Kretschmann kritisiert Bund für Umgang mit Ländern bei Corona-Politik
Die Länderchefs haben der Ampelkoalition einen Alleingang in der Sache Corona-Management vorgeworfen. Auch BW-Ministerpräsident Winfried Kretschmann fand deutliche Worte.
Baden-Württemberg hat daher eine neue Corona-Verordnung notverkündet, um zumindest bis zum Ende der Übergangsfrist am 2. April an bestimmten Regeln festzuhalten. Die Verordnung ist am Samstag (19.3.) in Kraft getreten.
Wesentliche Punkte der neuen Corona-Verordnung in BW
Mit Blick auf die derzeit hohen Inzidenzen nutzt das Land die im Gesetz vorgesehene Übergangsregel, die zumindest bis zum 2. April 2022 ergänzende Schutz-Maßnahmen ermöglicht. Diese Corona-Regeln bleiben in Baden-Württemberg bestehen oder fallen weg:
- Corona-Warnstufensystem entfällt
- Kontaktbeschränkungen für private Treffen fallen
- Regeln für öffentliche Veranstaltungen und Restaurants
- Lockerungen bei Gottesdiensten
- Wo gilt weiter Maskenpflicht
- Testpflichten bestehen weiter
- Was passiert nach dem 2. April
Corona-Warnstufensystem entfällt
Das bisherige Stufensystem in der Corona-Verordnung (Basis-, Warn- und Alarmstufe) entfällt. An die Hospitalisierungsinzidenz und die Zahl der Corona-Patientinnen und Patienten auf den Intensivstationen im Land waren bislang entsprechende Einschränkungen im öffentlichen und privaten Leben gekoppelt.
Kontaktbeschränkungen für private Treffen fallen
Seit Samstag fallen die Kontaktbeschränkungen für private Treffen und die Kapazitätsgrenzen für öffentliche Veranstaltungen weg. Dafür gibt es laut Gesundheitsministerium künftig keine Rechtsgrundlage mehr. Nach den Beschlüssen der Landesregierung dürfen sich auch Ungeimpfte seit Samstag wieder ohne jegliche Einschränkungen treffen.
Außerdem können zum Beispiel Fußballclubs ihre Stadien wieder bis zum letzten Platz füllen. Beim VfB Stuttgart durften bereits am Samstag rund 60.000 Zuschauerinnen und Zuschauer das Spiel gegen den FC Augsburg verfolgen.
Das gilt künftig in Restaurants und Clubs
An der bestehenden 3G-Regel ändert sich in Baden-Württemberg zumindest für die Übergangsfrist von zwei Wochen nichts. Veranstaltungen, Restaurants, Messen, Ausstellungen und viele andere Bereiche des öffentlichen Lebens darf weiterhin nur besuchen, wer geimpft, getestet oder genesen ist. Clubs und Diskotheken dürfen nur Geimpfte oder Genesene betreten, die gleichzeitig getestet sind (2G-Plus). Auch die Regeln zur Erstellung von Hygienekonzepten bleiben - wie gehabt - bestehen, zum Beispiel bei öffentlichen Veranstaltungen und in Diskotheken und Clubs.
Lockerungen bei Gottesdiensten der Diözese Rottenburg-Stuttgart
Die Diözese Rottenburg-Stuttgart lockert ab dem 21. März einige Regeln in den Gottesdiensten. Bei Trauungen und Taufen fällt der Mindestabstand von 1,5 Meter weg, muss bei den anderen Gottesdiensten aber weiterhin eingehalten werden. Dafür ist das Singen mit Maske wieder erlaubt, auch Gesangbücher werden ausgelegt. Bei Erstkommunion und Firmung dürfen die Gäste nun auch ohne Abstand bei der Familie sitzen. Die Maskenpflicht bleibt aber bestehen. Dafür dürfen die Gottesdienste künftig wieder länger als eine Stunde dauern und die Verpflichtung zur Abgabe der Kontaktdaten fällt weg. Zudem müssen die Sitzbänke nach den Gottesdiensten nicht mehr extra gereinigt werden. Dagegen will die Erzdiözese Freiburg an den bisherigen Regeln festhalten. Auf SWR-Anfrage sagte Pressesprecher Marc Mudrak: "Neben der Corona-Verordnung ist für das Erzbistum Freiburg die Instruktion zur Feier der Liturgie maßgeblich. Diese besteht bis auf weiteres wie gehabt fort." Auch in der evangelischen Landeskirche Baden werden die Gottesdienstregeln nicht gelockert. Das bestätigte ein Spreche auf Nachfrage.
Wo gilt noch die Maskenpflicht?
Bundesweit soll die Maskenpflicht noch in Pflegeheimen, Kliniken und im Nahverkehr gelten - so steht es in dem Gesetz der Ampel-Regierung. Das hat Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) heftig kritisiert, ihm geht das nicht weit genug. Bis mindestens zum 2. April gilt im Land daher noch eine grundsätzliche FFP2-Maskenpflicht in Innenräumen. Auch in Schulen und an Kitas soll zumindest für die zweiwöchige Übergangsfrist noch Maske getragen werden.
Testpflichten gibt es weiter
Die Testungen an den Schulen sollen dagegen angepasst werden. Ab Montag wird es an den Schulen in Baden-Württemberg dann nur noch zwei statt wie bisher drei Corona-Tests pro Woche geben. Außerdem entfallen die sogenannten Wiedereintrittstestungen an fünf aufeinanderfolgenden Tagen nach einem Infektionsfall. Die Testpflicht in Krankenhäusern oder in Pflegeeinrichtungen wird fortgeführt. Auch die allgemeine Abstandsempfehlung (1,5 Meter) bleibt erhalten.
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Was passiert nach dem 2. April?
Baden-Württemberg kann nach dem 2. April laut dem Gesetz regionale Hotspots festlegen. Der Landtag muss zunächst ein Gebiet zum Hotspot erklären. Aus Sicht der Bundesregierung kann das auch ein ganzes Bundesland sein. Das Staatsministerium hofft, zumindest in den Hotspots weiterhin eine umfassende Maskenpflicht und die 3G-Regel verordnen zu können. Die Hotspot-Regelung hält Baden-Württemberg grundsätzlich für rechtlich zu schwammig und wenig praxistauglich.
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Sieben-Tage-Inzidenz weiter auf hohem Niveau
Unterdessen bleiben die Infektionszahlen in Baden-Württemberg weiter auf einem hohen Niveau. Wie das Landesgesundheitsamt am Sonntag (Stand 16 Uhr) mitteilte, wurden innerhalb einer Woche 1.942,3 Ansteckungen mit dem Coronavirus je 100.000 Einwohner nachgewiesen. Am Vortag lag die Sieben-Tage-Inzidenz bei 1952,6, vor einer Woche bei 1.870,9. Die Behörde meldete 14.669 neue Infektionen im Vergleich zum Vortag.
Die sogenannte Hospitalisierungsinzidenz liegt aktuell bei 7,6. Sie gibt an, wie viele Corona-Infizierte binnen einer Woche und pro 100.000 Einwohner in ein Krankenhaus gekommen sind. 253 Covid-Patientinnen und -Patienten werden auf den Intensivstationen behandelt - einer weniger als am Vortag.
Landesregierung erwägt offenbar "Hotspot"-Regelung bis Ende April
Angesichts hoher Infektionszahlen will die grün-schwarze Landesregierung auch über den 2. April hinaus - wenn möglich - mit Corona-Auflagen gegensteuern. Wie die Deutsche Presse-Agentur am Freitag aus Regierungskreisen in Stuttgart erfuhr, erwägt die Koalition, danach das ganze Land zum "Hotspot" zu erklären, um bis Ende April an diesen Schutzmaßnahmen festhalten zu können. Doch wie in anderen Ländern gibt es rechtliche Bedenken, ob das Bundesgesetz eine solche Regelung hergibt. Das Staatsministerium bestätigte das gegenüber dem SWR jedoch nicht.
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