Kinder in Baden-Württemberg sind zwar fitter als es Jungen und Mädchen in Deutschland durchschnittlich sind, ein Grund zur Freude ist das allerdings nach zwei Corona-Jahren nicht. Denn ohne Schulsport und Turnvereine haben die Jüngsten massiv an Fitness eingebüßt. Das geht aus einer am Donnerstag veröffentlichten Studie der Kinderturnstiftung Baden-Württemberg hervor.
"Der Fitness-Gesamtwert ist während Corona eingebrochen", heißt es im "Fitnessbarometer 2022" unter anderem. Die Kinder seien tendenziell langsamer und weniger ausdauernd als vor der Corona-Pandemie, auch die koordinativen Fähigkeiten seien schlechter geworden.
Kinder sind langsamer und haben weniger Ausdauer
"Das Niveau ist gleichbleibend niedrig", sagt Professor Klaus Bös vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) zu den jüngsten Daten. In der Tendenz sei aber eine Verbesserung bei der Kraft erkennbar. Aus Sicht von Expertinnen und Experten fördert Bewegung die psychische, soziale und kognitive Entwicklung der Kinder. Laut Robert Koch-Institut kann körperliche Aktivität auch der Entwicklung von Fettleibigkeit (Adipositas) im Kindes- und Jugendalter vorbeugen. Jungen und Mädchen im Kita-Alter sollten sich demnach täglich mindestens 180 Minuten bewegen, im Schulalter mindestens 90 Minuten.
Clever durch Fitness? Grundschüler können sich durch Sport besser konzentrieren
Körperlich fitte Grundschulkinder schaffen eher den Sprung aufs Gymnasium. Das ergab eine Studie der Technischen Universität München.
Die Kinderturnstiftung Baden-Württemberg untersucht seit 2012 mit Sportwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern des KIT die Fitness von Drei- bis Zehnjährigen in Baden-Württemberg. Erst in den kommenden Jahren seien Aussagen über die nachhaltigen Auswirkungen der Pandemie auf die Fitness der Kinder möglich, sagt Bös. Es lasse sich aber feststellen, dass Kinder früher fitter gewesen seien, sagt Bös nach Auswertung der Daten von rund 25.400 Kindern, die durch pädagogische Fachkräfte, Lehrkräfte und Sportfachkräfte erhoben wurden.
Sportvereine fielen weg, Sport in der Familie kam dazu
Während der Pandemie mussten Turn- und Sportvereine ihre Angebote entweder ganz absagen oder zusammenstreichen, auch der Schulsport fiel monatelang aus. "Gleichzeitig wurde die Freizeit und der Alltag zuhause mit der Familie aktiver gestaltet, Spaziergänge und Fahrradtouren standen hoch im Kurs", erklärt Susanne Weimann, geschäftsführender Vorstand der Stiftung. Eltern hätten mit ihren Kindern in den Lockdowns eher kräftigende Übungen auf kleinem Raum gemacht.
Ziel müsse es sein, das aktive Familienleben beizubehalten und zusätzlich Sport- und Bewegungsstunden in Turn- und Sportvereinen, in Kitas und Schulen anzubieten. "Dann wäre ein großer Schritt gegen den akuten Bewegungsmangel getan", sagt Weimann.
Sportwissenschaftler Bös: Sportvereine müssen umdenken
Sportwissenschaftler Bös sagt, es müsse nachhaltig verankerte und auch miteinander vernetzte Angebote in der Kommune geben. Er vermisse nach wie vor ein Bewusstsein in der Politik dafür, dass der Körper ebenso wichtig sei wie der Kopf, kritisiert er.
Auch die Sportvereine müssten umdenken: "Sie verlieren zu viele Kinder, weil sie zu früh in die Sportarten gehen und die Jungen und Mädchen dort irgendwann die Motivation verlieren", sagt Bös. "Kinder müssen im Sport viel mehr zu Generalisten werden." Wichtig seien daher Konzepte für "Lifetime-Sport", also für Sportarten, die man über viele Jahre ausüben könne.