Der langjährige AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen hat die Partei verlassen. Er habe der Bundesgeschäftsstelle mitgeteilt, dass er sein Amt als Parteivorsitzender mit sofortiger Wirkung niederlegen und aus der AfD austreten werde, sagte Meuthen am Freitag. Sein Mandat im Europäischen Parlament will der 60-Jährige behalten.
AfD-Bundesvorstand nimmt Entscheidung "mit Bedauern" auf
Der Bundesvorstand der Partei erklärte kurz darauf, er nehme den Parteiaustritt Meuthens "mit Bedauern" zur Kenntnis und bedanke sich bei ihm "für die Weiterentwicklung der AfD als einzige Oppositionspartei in Deutschland". Alleiniger Parteichef ist jetzt bis zur Neuwahl der Parteispitze der bisherige Co-Vorsitzende Tino Chrupalla.
Als Parteichef, der für einen anderen Weg eingestanden sei, sei er gescheitert, sagte Meuthen dem ARD-Hauptstadtstudio. Teile der Partei stünden seiner Meinung nach "nicht auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung", sagte er. "Ich sehe da ganz klar totalitäre Anklänge". Meuthen übte harte Kritik am Zustand der AfD: "Das Herz der Partei schlägt heute sehr weit rechts und es schlägt eigentlich permanent hoch." Allenfalls als ostdeutsche Regionalpartei sehe er noch eine Zukunft für die AfD.
Meuthen äußert sich im SWR-Interview
Eine Mitverantwortung daran wies Meuthen am Freitagabend im SWR-Interview zurück. "Ich habe versucht, andere in die Partei zu integrieren - weil ich dachte, das ließe sich integrieren. Und ja, da habe ich mich getäuscht, das räume ich auch frank und frei ein." Er habe im Jahr 2018 begriffen, dass dies nicht gehe und "den Hebel umgelegt", so Meuthen weiter. Daraufhin habe er "einen sehr, sehr klaren Kurs gefahren in die Richtung einer Abgrenzung, weil ich stehe für einen bürgerlichen Kurs".
Das sagte Meuthen am Freitagabend im SWR-Interview zu seinen Austrittsgründen:
Kritik aus BW: Co-AfD-Landeschef spricht von "Ego-Trip"
Kritik an Meuthens Entscheidung kam aus Baden-Württemberg. Der stellvertretende Landesvorsitzende der AfD, Markus Frohnmaier, äußerte sich abschätzig über den Austritt des Bundessprechers aus der Partei. Meuthens Austritt sei der "einsame Ego-Trip eines persönlich gekränkten Parteivorsitzenden", schrieb Frohnmaier dem SWR. Meuthen habe sich seit Jahren nicht mehr für seinen AfD-Heimatverband Baden-Württemberg interessiert. Außerdem habe er "bei der wichtigen Vernetzung konservativer Kräfte in Europa versagt" und "die AfD isoliert".
"Junge Alternative" und "Flügel" im Fokus BW-Verfassungsschutz: Teile der AfD werben verstärkt bei Corona-Protesten
Teile der AfD in Baden-Württemberg wollen bei Corona-Protesten offenbar gezielt neue Anhänger gewinnen. Das hat das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg bestätigt.
Zurückhaltender fiel die Reaktion von AfD-Landtagsfraktionschef Bernd Gögel aus, der im Landtag eine Zeit lang Mitstreiter von Meuthen war. Er bedauere zutiefst diesen Schritt des ersten Fraktionsvorsitzenden, sagte Gögel. Der Verdienst, die AfD erstmals in den Landtag geführt zu haben, sei Meuthen nicht zu nehmen. Meuthen war mit der AfD 2016 in den baden-württembergischen Landtag eingezogen und bis November 2017 Fraktionsvorsitzender der Partei.
FDP: AfD driftet stärker in rechtsradikale Ecke
Auch FDP-Landtagsfraktionschef Hans-Ulrich Rülke äußerte sich zum Austritt von Meuthen. Rülke sagte, man könne der AfD beim Marsch in die rechtsradikale Ecke zusehen. Meuthen sei seinerzeit im Landtag von Baden-Württemberg bemüht gewesen, der AfD den Anschein von Intelligenz und Mäßigung zu geben. Wenn solche Persönlichkeiten davonliefen, blieben in der AfD rechtsradikale Sektierer, Antisemiten und Verschwörungstheoretiker zurück, so Rülke.
Manuel Hagel, Fraktionsvorsitzender der CDU im Landtag, schrieb auf Twitter: "Selbst Jörg Meuthen ist die AfD zu rechtsradikal. Das sagt alles!"
Der Fraktionschef der SPD im Landtag, Andreas Stoch, schrieb in den sozialen Medien: "Wer Meuthen als Fraktionsvorsitzender im Landtag von Baden-Württemberg erlebt hat, der weiß, dass da kein Gemäßigter zurücktritt."
Meuthen: Kein Verständnis für Gerede von "Corona-Diktatur"
Meuthen hatte zuletzt die Positionen einiger Parteifunktionäre in der Corona-Pandemie kritisiert. Obgleich er sich selbst gegen das Virus impfen ließ, trat er vehement gegen eine Impfpflicht ein. Für AfD-Politiker, die von einer "Corona-Diktatur" fabulierten, habe er aber kein Verständnis, hatte der Volkswirt betont. Mit Sorge erfüllte ihn schon länger, dass einige Spitzenfunktionäre der Partei eine möglicherweise drohende Beobachtung der AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall, gegen die sich die AfD juristisch zur Wehr setzt, aus seiner Sicht nicht ernst genug nahmen.
Die Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, Alice Weidel, vermutet indes einen Zusammenhang zwischen dem Austritt und der Aufhebung von Meuthens Immunität für ein Ermittlungsverfahren durch den zuständigen Ausschuss im EU-Parlament am Vortag. Das Verfahren steht dem Vernehmen nach in Zusammenhang mit der AfD-Spendenaffäre.
"Es fällt auf, dass der Parteiaustritt mit der Aufhebung der Immunität von Jörg Meuthen im Europäischen Parlament in einem sehr engen zeitlichen Zusammenhang steht."
In jedem Fall zeuge es von schlechtem Stil, "nun mit Schmutz auf die Partei zu werfen, deren Vorsitzender er so viele Jahre war".
Meuthen machte sich Feinde innerhalb der AfD
Meuthen haderte schon lange mit seiner Partei. Im Oktober kündigte er an, bei der ursprünglich für Dezember geplanten Neuwahl der Parteispitze nicht mehr für den Vorsitz zu kandidieren.
Nach sechseinhalb Jahren an der Spitze AfD-Chef Jörg Meuthen will nicht mehr antreten
Der langjährige AfD-Parteichef Jörg Meuthen zieht sich zurück. In einem internen Brief kündigte er an, sich bei der Neuwahl des Parteivorstands nicht mehr aufstellen zu lassen.
Der Parteitag wurde dann schließlich unter Verweis auf die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie abgesagt. Er soll in diesem Jahr nachgeholt werden.
Meuthen plädierte in den vergangenen zwei Jahren wiederholt für einen gemäßigteren Kurs der AfD. Damit machte er sich Feinde, vor allem in der Rechtsaußen-Strömung um den Thüringer Landeschef Björn Höcke.