Ein junger Mensch steht mit einem Messer in der Hand vor einer Graffitiwand. (Foto: dpa Bildfunk, Symbolbild | picture alliance / imageBROKER | uwe umstätter)

Stadt Stuttgart ist Vorreiter

Innenministerium plant messerfreie Zonen in Baden-Württemberg

Stand

Die Kabinettsvorlage ist da, aber noch sind nicht alle Fragen geklärt: Das Innenministerium setzt sich für messerfreie Zonen im Land ein. Eine Stadt zeigt bereits Interesse.

Vergangenen Oktober ist ein 22-jähriger Mann am helllichten Tage in Stuttgart-Feuerbach mit einem Messer getötet worden. Tödliche Messerangriffe wie dieser sind keine Seltenheit: Bei jedem zweiten Fall von Mord oder Totschlag in Baden-Württemberg ist ein Messer im Spiel. Laut Innenministerium überlebten das 24 Menschen im vergangenen Jahr nicht.

Das Ressort von Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU) will solche Taten erschweren und es Kommunen erleichtern, gegen Messerangriffe vorzugehen. Die entsprechende Kabinettsvorlage für eine solche Verordnung ist in der Abstimmung der Ministerien.

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Messerfreie Zone: Einige offene Fragen

Details zum geplanten Messerverbot will ein Sprecher von Strobl noch nicht nennen. Er verweist darauf, dass damit das von Grün-Schwarz im Koalitionsvertrag angekündigte Vorhaben verwirklicht wird, niederschwellige Möglichkeiten für kommunale Waffenverbotszonen zu schaffen. Für den Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Ralf Kusterer, ist die Maßnahme eine von vielen, um die Sicherheit im öffentlichen Raum zu erhöhen. Im Gespräch mit dem SWR betont er zudem, dass die Kontrolle eines Verbots nicht nur Aufgabe der Polizei, sondern auch der Ordnungsdienste sein müsste.

"Ohne Überwachung wird's nix bringen."

Laut Innenministerium passieren etwa 40 Prozent aller Aggressionsdelikte - Körperverletzung, gefährliche Körperverletzung und Raub - auf Straßen und Plätzen. Bei der neuen Verordnung ist vieles zu klären, wie ein Sprecher des Innenministeriums sagte. Ein Beispiel: Wie kann ein Mensch ein bei einem Innenstadtgeschäft gekauftes Küchenmesser nach Hause bringen, ohne dass er damit gegen ein Verbot verstößt? Oder welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um eine solche Zone zu rechtfertigen? Und wann sollen die Verbote gelten - jeden Tag, nur am Wochenende oder zu bestimmten Uhrzeiten?

Weniger Gewalttaten mit Messern - Entwicklung soll sich fortsetzen

Die derzeitige Lage: Die Gewaltkriminalität mit Messern hat abgenommen. Mit etwa 1.500 Fällen ist sie 2021 im Vergleich zum Vorjahr um etwa zehn Prozent gesunken - auf ein Fünfjahrestief. Bei 1.000 Fällen handelte es sich um schwere oder gefährliche Körperverletzung, gefolgt von räuberischem Angriff oder Erpressung (340), Mord und Totschlag (141) sowie Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (18). Damit sich diese Entwicklung fortsetzt, will das Ministerium den Kommunen erlauben, messerfreie Zonen einzurichten.

Polizeigewerkschafter Kusterer hingegen hält die Zahlen für nicht verlässlich. Wie bei ähnlichen Deliktszahlen aus den vergangenen beiden Jahren müsse man den Rückgang wegen der Pandemie auch in diesem Fall "mit Fragezeichen bedenken". Mit Verweis auf mehrere Fälle in den vergangenen Wochen, etwa in Ulm oder Weil der Stadt, erwarte er vom Ministerium ein Verbot, das die Kommunen niedrigschwellig erlassen könnten.

Stuttgarts OB Nopper zeigt Interesse

Die Stadt Stuttgart zeigt großes Interesse an dem Novum. Um schwere Straftaten mit einem Messer zu verhindern, soll es verboten werden, Messer mit einer feststehenden oder feststellbaren Klinge von mehr als vier Zentimetern mit sich zu führen. Die Stadt geht davon aus, dass sie auch Verbote an Orten anordnen kann, an denen sich besonders viele Menschen aufhalten - nicht nur an Kriminalitätsschwerpunkten.

Der Angriff auf den jungen Mann in Feuerbach hatte auch eine Debatte über Messer unter Jugendlichen in der Region Stuttgart ausgelöst. So berichtete der SWR am 20.10.2021:

Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) wartet sehnlichst auf grünes Licht vom Ministerium. Verbote sollen nach seinen Angaben in den Bereichen Kleiner Schlossplatz, Schlossplatz, Schlossgarten und Stadtgarten gelten. Die Stadt reagiert mit dieser und anderen Maßnahmen wie mehr Videoüberwachung unter anderem auf die Krawallnacht im Juni 2020.

"Wir stellen bei Kontrollen vermehrt fest, dass Messer mitgeführt werden."

Ein Verstoß gegen das Messer-Verbot soll mit bis zu 10.000 Euro geahndet werden können. Über den räumlichen und zeitlichen Geltungsbereich eines Messerverbots wird der Stuttgarter Gemeinderat entscheiden.

Messerverbot nicht in allen Städten Thema

Für andere Städte wie Mannheim und Freiburg, die ebenfalls mit aggressivem Verhalten im öffentlichen Raum zu tun hatten, ist ein Messerverbot derzeit kein Thema. Anders sieht das der Mannheimer Chef der Gewerkschaft der Polizei, Thomas Mohr: "Ich bin für eine messerfreie Zone dort, wo sich unser Klientel bewegt." Messerangriffe seien für die Beamtinnen und Beamten "Alltagsgeschäft."

Der Städtetag hält ein Verbot für eng begrenzte Gebiete unter bestimmten Voraussetzungen für zweckmäßig. Es müsse aber mit weiteren Maßnahmen verzahnt werden. Hamburg hat als erstes Bundesland 2007 Waffenverbotszonen eingeführt - auf der Reeperbahn. Die hanseatische Polizei zieht eine positive Bilanz. Waffen und gefährliche Gegenstände wie Messer konnten aus dem Verkehr gezogen werden.

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