Eine Lehrerin sitzt hinter einer Schülerin beim Unterricht (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Britta Pedersen)

Mehr Unterricht durch Referendare

Erst Teilzeit-Lehrkräfte, jetzt Referendare: Diskussion um längere Arbeitszeit geht weiter

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Das baden-württembergische Kultusministerium erwägt, Referendare eine Stunde mehr pro Woche unterrichten zu lassen. Verbände sind empört.

Eine Stunde mehr pro Woche Unterricht für Referendarinnen und Referendare und dafür eine Verkürzung der Theorieausbildung - das ist der Vorschlag des Kultusministeriums in Baden-Württemberg. Die Maßnahme sei noch in der Prüfung, sagte ein Ministeriumssprecher am Donnerstag. Ziel sei vor allem die Verbesserung der Unterrichtsversorgung. Wann darüber entschieden werde, stehe noch nicht fest.

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Kritik von Gewerkschaften und Verbänden

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) bezeichnete das Vorhaben am Donnerstag umgehend als abwegig. Ein solcher Vorschlag senke die Attraktivität und das Niveau der Ausbildung für angehende Lehrkräfte noch weiter. Gerhard Brand, Landeschef des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), wies den Vorstoß ebenfalls zurück. Ein Referendar brauche um die fünf Stunden, um eine Unterrichtsstunde vorzubereiten.

"Wenn er eine Stunde mehr Unterricht hält, hat er also einen Mehraufwand von fünf Stunden", sagte er. Der Vorstoß bedeute Überforderung für Referendarinnen und Referendare und Verschlechterung der Ausbildung. GEW und VBE bekräftigten ihre Forderung nach mehr Studienplätzen für Lehramtsstudentinnen und -studenten, um dem Lehrermangel abzuhelfen. Außerdem müssten angehende Lehrkräfte im Studium besser begleitet werden.

Kretschmann fordert mehr Arbeit für Teilzeit-Lehrkräfte

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte in den Tagen zuvor von Berufsverbänden und Gewerkschaften bereits erhebliche Kritik geerntet für seinen Vorschlag, Teilzeit-Lehrkräfte zu mehr Unterricht zu verpflichten. Die Teilzeit-Regelungen seien sehr großzügig, sodass vor allem viele Lehrerinnen nur relativ wenige Stunden unterrichteten, stellte Kretschmann fest. Er bekräftigte, wenn jede Lehrerin in Teilzeit eine Stunde mehr unterrichten würde, hätte man umgerechnet 1.000 Lehrerstellen.

Kretschmann begründete seinen Vorschlag auch mit der Aufnahme von Kindern und Jugendlichen aus der Ukraine. In den vergangenen zwei Monaten seien etwa 9.000 ukrainische Kinder und Jugendliche nach Baden-Württemberg geflüchtet, die nun betreut und unterrichtet werden müssten, erklärte der Regierungschef. Kretschmanns Idee lehnen Gewerkschaften und Verbände ebenfalls ab. Und auch in den Sozialen Medien ist die Empörung groß.

Unbezahlte Sommerferien für Lehrkräfte

Die Situation von Lehrkräften geriet in der Vergangenheit bereits öfter in Kritik. So gehört es in Baden-Württemberg zur gängigen Praxis, Lehrkräfte nach ihrem Referendariat in unbezahlte Sommerferien zu schicken. Das Vorgehen sorgt immer wieder für Kritik von Lehrergewerkschaften und der Opposition. "Die neue Kultusministerin (Theresa Schopper, Grüne) ist mit dem Versprechen angetreten, mit einem neuen Stil die Bildungspolitik in Baden-Württemberg zu gestalten", so die GEW-Landeschefin Monika Stein. Sie frage sich, warum Schopper den gefragten Nachwuchs nach der Ausbildung dann erst einmal in die Arbeitslosigkeit schicke. Stein rechnet nach eigenen Angaben mit bis zu 5.000 Betroffenen.

Der Lehrerverband VBE forderte die Politik auf, zu verhindern, dass angehende Lehrkräfte in Nachbarländer abwandern und das Land sie für teures Geld umsonst ausgebildet habe.

Lehrkräftemangel durch die Pandemie verschärft

Der Mangel an Lehrkräften ist ein großes Problem und vor allem die Pandemie verschärft die Situation zusätzlich. Aktuell melden die Schulen landesweit gut 2.200 Lehrkräfte, die mit Covid-19 infiziert sind. (Stand: 29.3.2022) Zudem fehlen darüber hinaus zunehmend Lehrende, weil sie krankheitsbedingt oder aufgrund von Schwangerschaft zu Corona-Risikogruppen gehören.

Das Land hat zwar die Vertretungsreserve im laufenden Schuljahr aufgestockt, trotzdem fehlen deutlich mehr qualifizierte Lehrer, die zur Verfügung stehen. Für Lehrerinnen und Lehrer sei die Situation "extrem frustrierend", so Harald Schröder, Kreisvorsitzender der GEW in Heilbronn. Es gehe oft nur noch darum, "irgendwie den Unterricht darzustellen - sprich, die Kinder in der Schule zu beaufsichtigen zu betreuen."

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