Aus der Ukraine flüchten täglich mehr als 100.000 Menschen. Die meisten kommen laut Migrationsministerium in unmittelbaren Nachbarländern unter. Die Europäische Union (EU) rechne mit acht Millionen Menschen, die wegen des Kriegs die Flucht aus der Ukraine antreten könnten.
Die baden-württembergische Migrationsministerin Marion Gentges (CDU) sprach am Dienstag in Stuttgart von "Fluchtbewegungen, wie wir sie in Europa seit Ende des Zweiten Weltkrieges nicht mehr kannten". Im Rahmen der Landespressekonferenz informierte die CDU-Politikerin über die Kapazitäten des Landes, um weitere Kriegsflüchtlinge aufnehmen zu können.
Kapazitäten für Kriegsflüchtlinge in BW sollen ausgebaut werden
Die Fluchtbewegung werde von Tag zu Tag größer, sagte Migrationsministerin Gentges nach einer Kabinettssitzung der grün-schwarzen Landesregierung. Für Flüchtende aus der Ukraine, die nicht bei Verwandten oder Freunden unterkommen, sind die Erstaufnahme-Einrichtungen erste Anlaufstellen. Wenn sie vor Ort ankommen und ein Bezug zu der Region besteht, können sie auch in einem Stadt- oder Landkreis vorläufig untergebracht werden.
Die grün-schwarze Landesregierung hat dafür eine Lenkungsgruppe Ukraine eingesetzt. Die neue Lenkungsgruppe mit den Amtschefs aller Ministerien soll wöchentlich zusammenkommen, um die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine zu besprechen und bei Bedarf dringende Beschlüsse zu fassen.
Unter Pandemiebedingungen seien aktuell etwa 1.200 Plätze frei, sagte die CDU-Politikerin am Montagabend im SWR. Im Hinblick auf die steigenden Ankunftszahlen sollen zusätzliche Kapazitäten geschaffen werden, ohne auf den Pandemieschutz vollends zu verzichten. Abstandsbeschränkungen werden allerdings teilweise in Abstimmung mit den Gesundheitsämtern ausgesetzt, erklärte die Ministerin. Das Land prüfe außerdem, die Corona-Beschränkungen so anzupassen, dass die Belegung in den Einrichtungen weiter erhöht werden könne. Am 20. März würden die Pandemie-Regeln nach dem Beschluss von Bund und Ländern ohnehin wegfallen.
Krieg in der Ukraine So geht es den ukrainischen Kindern nach ihrer Ankunft in Freiburg
167 Kinder und ihre Betreuerinnen und Betreuer sind drei Tage nach dem Kriegsausbruch in der Ukraine nach Freiburg gekommen. Sie sind sehr dankbar für die Hilfsbereitschaft.
Nach Angaben der Migrationsministerin stellen alle im Land an der Aufnahme von Flüchtenden Beteiligten - Landesregierung, Landkreise und Kommunen - eine enorme Hilfsbereitschaft fest. Es sei ein "Lichtblick in diesen dunklen Tagen". So waren allein 167 Kinder sowie ihre Betreuerinnen und Betreuer drei Tage nach dem Kriegsausbruch nach Freiburg gekommen. Sie seien sehr dankbar für die Hilfsbereitschaft, die ihnen entgegengebracht wurde.

Die CDU-Politikerin schloss nicht aus, dass die Kapazitäten in den Erstaufnahmeeinrichtungen trotz der Erweiterung bald erschöpft sein könnten. Dann müsse man auch darüber nachdenken, leer stehende Hotels anzumieten oder Sporthallen zu belegen. Auch mit den Kirchen sollen Gespräche geführt werden, ob es in Pfarrhäusern oder Klöstern Platz für die Aufnahme von Flüchtenden gibt.
In den nächsten Wochen müsse man sich auf mehrere tausende Kriegsflüchtlinge einstellen, so Gudrun Heute-Bluhm (CDU) vom Städtetag Baden-Württemberg gegenüber dem SWR. Die Land- und Stadtkreise würden nun weitere Unterkünfte suchen, etwa Ferienwohnungen oder Jugendherbergen. In letzter Konsequenz könnten dies auch Turnhallen sein.
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1.500 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in BW-Erstaufnahmestellen
Ukrainische Flüchtlinge können sich bis zu 90 Tage ohne Visum in Deutschland aufhalten. Mittlerweile seien rund 1.500 Geflohene aus der Ukraine in den Erstaufnahmestellen in Baden-Württemberg aufgenommen worden. Tatsächlich ist die Zahl der Ukraine-Flüchtlinge im Land laut Gentges möglicherweise wesentlich größer. Denn in Baden-Württemberg lebten schätzungsweise 16.000 Menschen mit ukrainischen Wurzeln. Da bestehe die Möglichkeit, dass Kriegsflüchtlinge bei Verwandten und Freunden unterkommen, so Gentges. 9.800 Plätze für die Erstaufnahme von Flüchtlingen hat Baden-Württemberg aktuell. Davon sind laut Gentges 4.100 belegt, somit habe man Stand heute im Normalfall noch freie Kapazitäten für 5.700 weitere Menschen.
Flüchtlinge haben Anspruch auf Sozialhilfe
Kriegsvertriebene aus der Ukraine erhielten zunächst für ein Jahr einen Aufenthaltstitel, der ihnen Zugang zu Wohnraum und Arbeitsmarkt verschaffe, so Gentges. Da sie unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen, sei auch Zugang zu Bildung und Sozialhilfe inbegriffen. Die neue Massenzustromsrichtlinie sorgt dafür, dass Menschen aus der Ukraine schnell in längerfristige Einrichtungen weiter verteilt werden.
Die Landesregierung trifft in diesem Rahmen weitere Vorbereitungen für die Aufnahme von ukrainischen Kriegsflüchtlingen. Neben den bestehenden Erstaufnahme-Einrichtungen in Heidelberg, Sigmaringen, Ellwangen (Ostalbkreis), Freiburg und Karlsruhe soll nun auch die frühere Zollernalb-Kaserne in Meßstetten (Zollernalbkreis) reaktiviert werden.
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Corona-Impfangebote direkt bei der Registrierung
Auch die Gegebenheiten durch die Corona-Pandemie habe man im Blick: "In der Ukraine liegt die Impfquote irgendwo bei 30 bis 40 Prozent", so die Ministerin. Deshalb biete man Impfangebote und teste jeden, der sich in einer Erstaufnahmestelle melde, mittels PCR-Verfahren auf das Coronavirus, versicherte Gentges.
Deutschland will übrigens eine zentrale Rolle bei der medizinischen Behandlung von Ukraine-Flüchtlingen übernehmen. Sie sollen dieselbe Versorgung bekommen wie deutsche Staatsbürger, so Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).
Langfristige Solidarität und Hilfe benötigt
BW-Ministerin Gentges wies auch auf zusätzliche Herausforderungen hin: "Der Krieg in der Ukraine hat nicht dafür gesorgt, dass es keine anderen Fluchtursachen mehr gibt. Auch aus anderen Gegenden der Welt begeben sich Menschen auf die Flucht." Die Verpflichtung, diese nach wie vor aufzunehmen und zu versorgen, bleibe weiterhin bestehen.
Ministerin: Geldspenden helfen mehr
Gentges weiter: "Wir versuchen die Hilfe zu koordinieren und raten von Sachspenden abzusehen." Professionelle Hilfsorganisationen können laut der Ministerin mit Geldspenden sehr viel mehr anfangen, da beispielsweise Medikamentenspenden vor Ort in der Ukraine nur schwer sortiert und verteilt werden könnten. Außerdem müsste man sich darauf einstellen, dass das Kriegsende noch lange nicht in Sicht sei. Sie appellierte daher am Dienstag nochmals an die dauerhafte Solidarität und Hilfsbereitschaft der Menschen in Baden-Württemberg.
Die Pressekonferenz mit Marion Gentges fand anstatt der üblichen wöchentlichen Regierungspressekonferenz statt. Der Grund: Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) befindet sich momentan wegen einer Corona-Infektion in Isolation. Vize-Ministerpräsident und Innenminister Thomas Strobl (CDU) erholt sich derzeit zu Hause von seiner überstandenen Corona-Erkrankung.