Florence Brokowski-Shekete hat eine steile Karriere hingelegt. Die 55-Jährige aus Mannheim weiß nur allzu gut, wie schwer es ist, sich als Schwarze Frau hochzuarbeiten. Als Lehrerin, später als Schulrätin und heute als Schulamtsdirektorin müsse sie sich immer wieder rechtfertigen. Die Vorurteile spüre sie subtil und manchmal habe sie auch gehört, dass "so eine wie sie eigentlich gar nicht Schulleiterin werden kann".
Florence Brokowski-Shekete im Gespräch - den Podcast mit weiteren Protagonistinnen und Protagonisten können Sie in der ARD Audiothek hören:
Sprachkenntnisse beim Smalltalk unter Beweis stellen
Doch Florence Brokowski-Shekete ließ sich nicht einschüchtern, schließlich ist sie nach eigenen Angaben ein wandelndes "Cultural Awareness Seminar". Heute ist sie Autorin, interkulturelle Trainerin und Schulamtsdirektorin. Ihre Strategie: Sie rede erstmal übers Wetter, "damit alle verstehen, dass ich ihre Sprache spreche und das auch nicht gebrochen. Das ist schon mal eine Brücke. Und dann werden auch ein paar Paragraphen genannt, damit einfach klar ist. Aha, da hat jemand Ahnung."
Schon als Kind fiel sie immer auf. In Buxtehude bei Hamburg war "Flori" das einzige Schwarze Kind und wuchs bei ihrer späteren Adoptivmutter, Irmgard Brokowski, auf. Eine alleinstehende Schneiderin, Mitte 40. Der hiesige Pfarrer hatte 1969 die zweijährige Florence Olatunde Gbolajoko Oluwadamilare vermittelt.
Ihre leiblichen Eltern waren aus Nigeria zum Studium nach Deutschland gekommen und hatten so gut wie keine Zeit. Als die Eltern in ihre Heimat zurückkehrten, war Florence neun Jahre alt und wollte in Buxtehude bleiben. Doch die Eltern nahmen sie mit, gegen ihren Willen.
Mehrfach fremd gefühlt
Doch Nigeria und das Volk ihrer Eltern, die Yoruba, blieben ihr fremd. "Das war für mich ein Verpflanzen in eine komplett andere Welt." Sie sei mit Menschen zusammen gewesen, die sie nicht kannte und auch die Eltern seien ihr eigentlich fremd gewesen. Ihr emotionales Zuhause war in Buxtehude. Die damals 12-Jährige wurde in Nigeria schwer krank und kehrte wieder zu ihrer "Herzensmama" zurück, wie die 55-Jährige ihre verstorbene Pflegemutter bis heute liebevoll nennt.
Die Hautfarbe entscheidet nicht über das Wir-Gefühl
Ein Wir-Gefühl habe nichts mit Blutverwandtschaft zu tun, sondern mit emotionaler Nähe, erklärt sie. "In Nigeria habe ich mich ja auch nicht als 'Wir' gefühlt, obwohl dort alle Schwarz waren. Denn ich bin deutsch sozialisiert worden."
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Warum Stereotype schaden
Stereotype wie "alle Deutschen sind pünktlich", "Mädchen mögen rosa" oder "Musliminnen tragen Kopftuch" verstellen laut Brokowski-Shekete den Blick und behindern Offenheit und Toleranz gegenüber Anderen. Mit Klischees wie Schwarze könnten gut singen oder seien supersportlich hat sie schon ihr ganzes Leben zu tun, erklärt sie lächelnd.
Genau das greift sie als Trainerin in ihren Schulungen für interkulturelle Kommunikation auch auf. Sie stellt den Teilnehmenden Fragen wie: Welche Stereotype oder Vorurteile bestimmen unseren Umgang mit Anderen? Was ist uns davon nicht bewusst? Wie können wir lernen, mit Fremdheit umzugehen und was müssen wir wissen, um in einer diversen Welt miteinander ohne Missverständnisse zu kommunizieren? In einer globalen Welt sei interkulturelle Kompetenz im Alltag, in Beruf und in der Schule wichtig, ist Brokowaki-Shekete überzeugt. Nur so könnten wir uns gegenseitig verstehen und Barrieren im Umgang miteinander überwinden - und das Gefühl entwickeln zusammenzugehören.
Nur so könne ein Wir-Gefühl entstehen. Ihr aktuelles Buch "Raus aus den Schubladen! Meine Gespräche mit Schwarzen Deutschen" greift das auf. Dazu gehört auch ihre Idee, schwarze Menschen zu porträtieren, die in ganz normalen Berufen arbeiten. Das seien Karrieren abseits derer "die für uns praktisch angedacht sind wie Sängerin, Tänzerin oder Sportlerin, sondern eine Gynäkologin, ein Betriebswirt, ein Sozialökonom, ein KFZ-Mechaniker".
Was es für ein Wir-Gefühl braucht?
Ein Wir-Gefühl in unserer Gesellschaft beginne nun mal nicht zuletzt in den deutschen Klassenzimmern. Für die eloquente und engagierte Mittfünfzigerin als Schulamtsdirektorin eine Herzensangelegenheit. In dieser Funktion ist sie die Ansprechpartnerin für Schulleitungen in der Region Mannheim.
Denn hört man Florence Brokowski-Shekete zu, klingt es gar nicht so kompliziert: Sie findet es wichtig, dass mehr Menschen mit Migrationsgeschichte als Vorbilder in den Schulbetrieb gehen und interkulturelles Training verpflichtend in Lehrpläne und als Fortbildungen für Lehrkräfte verankert wird.
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