Seit 2019 ist Claudia Denkinger am Universitätsklinikum Heidelberg. Sie leitet dort die Abteilung für Infektiologie und Tropenmedizin. Als internationale Forscherin hat sie bereits in den USA und in der Schweiz gearbeitet. Die USA sei Taktgeber beim Thema Globale Gesundheit gewesen, sagt sie "SWR Aktuell". Hierzu gehört auch ihre Forschung im Bereich Tuberkulose. Schon jetzt habe sich vieles verändert.

SWR Aktuell: Sind die Auswirkungen in Heidelberg schon spürbar?
Claudia Denkinger: Ja, definitiv. Nehmen wir die Auflösung von USAID (United States Agency for International Development). Das ist eine Behörde der Vereinigten Staaten für die Entwicklungszusammenarbeit. Sie hat in der Vergangenheit den größten Fördermitteltopf, den es jemals für ein Tuberkulose-Forschungsprojekt gab, zur Verfügung gestellt – insgesamt 240 Millionen Dollar. Das Geld ist teilweise schon in Unterprojekte geflossen, auch nach Heidelberg. Hier müssen wir aber jetzt auf 1,4 Millionen Dollar (etwa 1.267.000 Euro) verzichten, mit denen wir ursprünglich gerechnet hatten.
SWR Aktuell: Was bedeutet diese Entwicklung für Ihre Forschung?
Denkinger: Die Forschung zu globalen Themen wie Tuberkulose wird dadurch grundsätzlich infrage gestellt. Weniger Geld heißt auch, dass wir keine Gehälter mehr bezahlen können. Wenn Gelder fehlen, werden sich auch weniger Menschen für dieses Feld interessieren. Es wird weniger geforscht. Viele Erkrankte bleiben unentdeckt. Das heißt, dass sich die Tuberkulose wieder weiter ausbreiten könnte.
Spätestens seit Covid wissen wir alle: Infektionen kennen keine Grenzen.
Mein Team und ich wollten mit unserer Forschung dazu beitragen, dass häufiger neue vereinfachten Tuberkulose-Tests zum Einsatz kommen können - gerade in ressourcenarmen Ländern. Tatsächlich bleiben dort nämlich viele Tuberkulose Erkrankungen aktuell unerkannt. Wir waren mittendrin in den Studien und die wurden jetzt abgebrochen.
SWR Aktuell: Können sie das kompensieren?
Denkinger: Wir haben verschiedene Geldgeber angefragt, zum Beispiel das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung. Ziel ist es, eine Brückenfinanzierung hinzubekommen. Sodass wir wenigstens die laufenden Studien abschließen können. Denn sonst wären all die bereits investierten Millionen quasi umsonst gewesen.
Druck auf Medizinforschung Wie Trumps Politik deutsche Universitäten trifft
An vielen deutschen Unikliniken laufen Forschungsprojekte, die mit US-Geldern finanziert werden - mit ungewisser Zukunft. Wissenschaftler berichten gegenüber NDR, WDR und SZ von verängstigten US-Kollegen, untersagten Treffen und Zensur.
SWR Aktuell: Haben sie eine vergleichbare Situation schon einmal erlebt?
Denkinger: Nein, in dieser Form habe ich sowas noch nie gesehen. Dass Trump das in dieser Konsequenz und mit so einer Radikalität durchzieht, hätte ich niemals erwartet.
Als die Entscheidung fiel, dass USAID ausgesetzt werden würde, war ich in Genf bei der Weltgesundheitsorganisation mit einer Kollegin von USAID. Sie meinte zu mir: "Mach dir keine Sorgen, das bekommen wir wieder eingefangen." Am nächsten Tag war sie entlassen.
Auch die Einschnitte beim NIH (National Institutes of Health) waren nicht vorherzusehen. Gerade die Entscheidungen, alle Gelder für Südafrika zu kürzen, kann ich nicht verstehen.
SWR Aktuell: Muss sich die Forschung in Zukunft anders aufstellen?
Denkinger: Ja, auf alle Fälle. Wir müssen uns neu ausrichten. Das kann aber auch eine Chance sein. Deutschland und Europa könnten so exzellente Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen anwerben. Die Liste von Personen, die sich bei mir melden, weil sie die USA verlassen wollen, wird jedenfalls immer länger.