Bertram Bähr ist seit 46 Jahren Mitglied beim Technischen Hilfswerk (THW) in Viernheim. Der THW-Experte war bereits in vielen Katastrophengebieten weltweit im Einsatz. Zehn Tage lang hat er jetzt vor allem in der türkischen Stadt Kirikhan beim Suchen und Aufspüren verschütteter Menschen geholfen. Einige wenige konnte das THW-Team noch lebend aus den Trümmern retten. Darunter eine 88-jährige Frau, die etwa 120 Stunden unter den Trümmern eines eingestürzten Hauses ausharrte, bevor sie geborgen werden konnte. Inzwischen ist Bertram Bähr nach Deutschland zurückgekehrt. Nun will er mit seiner Familie in den Urlaub starten.
SWR Aktuell: Herr Bähr, welche Bilder und Erlebnisse nehmen Sie mit in Ihren Urlaub?
Bertram Bähr: Man sieht auf der einen Seite das Chaotische, die Zerstörung, das Leid der Menschen, aber auch die Hilfsbereitschaft vieler Bürgerinnen und Bürger. Es waren zahlreiche ausländische Teams vor Ort, um zu helfen. Uns haben aber auch viele Überlebende bei der Rettung von Angehörigen unterstützt.
SWR Aktuell: Haben Sie im Moment das Gefühl alles getan zu haben, was Sie konnten oder empfinden Sie auch so etwas wie Frust, weil man bei so einer Katastrophe wahrscheinlich nie genug helfen kann?
Bertram Bähr: Es liegt in der Natur des Menschen, Zweifel zu haben. Man fragt sich natürlich, hätte ich mehr helfen können, hätte ich länger bleiben sollen? Gerade jetzt, wo uns die Nachricht erreicht, dass wieder zwei erwachsene Männer lebend gerettet worden sind. Zweifel sind da völlig menschlich und normal.
SWR Aktuell: Wie sahen die Tage dort aus? Gab es für Sie und Ihr Team so etwas wie Routine?
Bertram Bähr: Wir haben immer im Schichtsystem gearbeitet. Das heißt, ein Team war stets im Einsatz, das andere hat sich unterdessen ausgeruht. So haben wir es mit unserem Bergungs- und unserem Rettungsteam gehandhabt. Dann hatten wir noch das Team "Management". Das hat die Führung übernommen und ebenfalls im Schichtsystem gearbeitet. Es waren immer Zwölf-Stunden-Schichten, danach wurde gewechselt.
SWR Aktuell: Kamen Sie überhaupt zum Schlafen?
Bertram Bähr: Es war schwierig. Also, ich war in der Regel bis drei Uhr nachts unterwegs und morgens früh um halb sechs ging es schon wieder los. Dann stand die Besprechung an. Der Schlaf kam auf jeden Fall zu kurz.
SWR Aktuell: Inwiefern hatten Sie Kontakt mit Angehörigen der Erdbebenopfer?
Bertram Bähr: Um den Trümmerkegel herum stehen grundsätzlich immer die Angehörigen der Verschütteten und warten. Sie warten drauf, dass ihre Mütter, Töchter, Söhne, Väter aus den Trümmern gerettet werden. Und sie versuchen, zu helfen. Wenn man zum Beispiel Ruhe braucht, weil etwa die Rettungshunde im Einsatz sind oder weil die Helfer mittels technischer Ortung versuchen, Geräusche von verschütteten Personen zu hören, dann haben die Angehörigen auch wirklich für Ruhe gesorgt.
SWR Aktuell: Es war ja nicht Ihr erster Einsatz in einem Katastrophengebiet. Wie verarbeiten Sie Ihre Erlebnisse?
Bertram Bähr: Wenn wir von einem Einsatz zurückkommen, gibt es ein spezielles Nachsorge-Team. An das kann man sich bei Problemen wenden. Aufgrund meiner langjährigen Erfahrung habe ich aber auch meine eigene Art entwickelt, die Eindrücke zu verarbeiten. Ich spreche viel mit meiner Familie. Das hilft mir auf jeden Fall.