Wenn die "Querdenker"-Szene mit Parolen wie "Bye-bye Demokratie" oder "Frieden, Freiheit, keine Diktatur" auf die Straße geht, dann erinnere das an die frühe linke Bewegung, sagt Henning Lobin, Direktor des Leibniz-Instituts für deutsche Sprache (IDS) in Mannheim.
"Mit den Protesten gegen die Corona-Maßnahmen wird nicht nur die Art des Aktivismus von den '68ern' übernommen, sondern auch die Haltung."

Staatliches Handeln versus Freiheitsverlust?
Parallelen sieht der Sprachwissenschaftler darin, dass hinter allem staatlichen Handeln Faschismus und die Gefahr einer aufziehenden Diktatur gesehen werde. Das zeige sich in der Verwendung von Begriffen wie "Corona-Diktatur" oder "Pharma-Faschismus". Außerdem würden besonders politisierte Impfgegner vor einer Bedrohung der Grundrechte warnen und Slogans der friedlichen Revolution in der DDR verwenden, beispielsweise "Wir sind das Volk".
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Forschende haben die Unterschiede innerhalb der "Querdenken"-Bewegung untersucht. Die Anhänger in Baden-Württemberg ticken demnach ganz anders als die in Ostdeutschland.
Aufgeladener Bezug zum Holocaust
Besonders aufgeladen sei die Diskussion, wenn die "Querdenker"-Szene Begriffe benutzt, die sich auf den Holocaust beziehen. Das werde bei Plakat-Aufschriften wie "Impfen macht frei" deutlich, die sich an der KZ-Inschrift "Arbeit macht frei" orientiert.
Impfgegner verfolgen mit Begriffen politische Ziele
In seiner Untersuchung der Impfgegner-Sprache hat Lobin außerdem festgestellt, dass sie gerne auf das Mittel der sogenannten Umkehrung zurückgreift:
"Ihnen wird der Vorwurf der Verfassungsfeindlichkeit gemacht - sie berufen sich selbst auf Grundgesetz und Demokratie. Ihnen wird eine Nähe zu rechtem Gedankengut vorgeworfen - sie berufen sich selbst auf die Schrecken der Nazi-Diktatur."
Die Sprache der "Querdenker"-Szene hat nach Meinung des Mannheimer Linguisten ein Ziel: Sie wolle die anerkannten "Erzählungen der Mitte" durch alternative Erzählungen ersetzen, aus denen dann auch ein anderes politischen Handeln folgen soll.