Blumen am Marktplatz in Mannheim nach dem Tod eines Mannes durch Polizeigewalt (Foto: René Priebe)

Todesursache wichtigste offene Frage

Toter nach Polizeieinsatz in Mannheim: Was wir wissen und was nicht

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Wolfgang Kessel
Wolfgang Kessel, Redakteur beim SWR in Mannheim (Foto: SWR, Wolfgang Kessel)

Der Tod eines Mannes nach einem Polizeieinsatz in Mannheim hat heftige Kritik ausgelöst. Die Polizei verspricht Offenheit und Aufklärung. Viele Fragen sind noch offen.

Was wir wissen:

Der Ablauf des Geschehens am Montag bis zur Festnahme

Ein Arzt des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit in Mannheim (ZI) kam am Montag (2. Mai) laut Polizei persönlich in die Polizeiwache im Innenstadt-Quadrat H4. Dort bat er die Beamten um Hilfe. Laut Landeskriminalamt (LKA) hatte dem Arzt zufolge ein 47 Jahre alter Patient das ZI verlassen. Der Mann sei "hilfsbedürftig". Zwei Polizeibeamte und der Arzt machten sich dann auf die Suche und entdeckten den Mann schließlich am Rande des Marktplatzes in der Innenstadt. Dort überwältigten die Beamten den 47-Jährigen, brachten ihn zu Boden und fixierten ihn.

Wie Zeugen den Einsatz beobachtet haben

Mehrere Umstehende am Mannheimer Marktplatz sahen und filmten das Geschehen mit ihren Handys. Auf mindestens einem Handy-Video, das am Tag des Vorfalls gemacht wurde, ist zu sehen, wie ein Beamter mehrfach mit der Faust auf den Kopf des am Boden liegenden Mannes schlägt. Dieses und weitere Videos sind Teil der Ermittlungen der Polizei. Der Mann kollabierte schließlich und wurde etwa eine halbe Stunde lang reanimiert. Ein Krankenwagen brachte ihn ins Uniklinikum, wo er kurz danach verstarb.

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Die Identität des Opfers

Der Mann war 47 Jahre alt, er hatte laut Polizei seit 2017 die deutsche Staatsangehörigkeit und einen kroatischen Migrationshintergrund. Er litt laut Polizei an einer Herzinsuffizienz (Herzschwäche).

Das Vorgehen der beiden Polizisten am Mannheimer Marktplatz

Das LKA bestätigte dem SWR, dass mindestens eines der im Netz kursierenden Videos tatsächlich "eine Teilsequenz" des Vorfalls am Montag zeigt. Auf dem Video ist zu sehen, wie ein Polizeibeamter den am Boden liegenden Mann mehrfach mit der Faust auf den Kopf schlägt. An der Leiche des Mannes wurden laut LKA Spuren "stumpfer Gewalt" festgestellt. Diese seien "von geringer Intensität gewesen". Die Bodycams (Schulterkameras) der beiden Beamten waren nicht aktiviert.

Die Folgen des Vorfalls für die beiden Polizeibeamten

Gegen die beiden Polizisten wird wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt mit Todesfolge ermittelt. Sie sind vom Dienst suspendiert. Die beiden Männer sind seit mehreren Jahren im Polizeidienst. LKA-Präsident Andreas Stenger sagte, es handle sich um "Kollegen, die haben schon das eine oder andere Dienstjahr auf dem Buckel". Die Beamten haben sich aber nach Angaben der Staatsanwaltschaft noch nicht zum Ablauf geäußert. Sie seien seines Wissens bislang auch nicht auffällig geworden, so der Leitende Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Mannheim, Romeo Schüssler.

Das ZI Mannheim und die Polizei

Nach dem Tod eines ZI-Patienten hat die Einrichtung auf SWR-Anfrage Zahlen zu Polizei-Einsätzen bekannt gegeben. Ein ZI-Sprecher bestätigte, dass im vergangenen Jahr in insgesamt 100 Fällen die Polizei zu Hilfe gerufen werden musste. In etwa der Hälfte der Fälle musste die Polizei helfen, Konflikte zu deeskalieren. In den rund 50 anderen Fällen hätten Patienten das Gelände verlassen und mussten mit Hilfe der Polizei zurückgeholt werden. Grund: Es habe die Gefahr bestanden, dass sie sich selbst oder andere Menschen gefährden. Im ZI werden nach eigenen Angaben pro Jahr mehr als 3.600 Patientinnen und Patienten stationär behandelt.

Kriminaltechniker am Tatort in der Nähe des Mannheimer Marktplatzes in der Innenstadt (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa/PR-Video | René Priebe)
Kriminaltechniker am Montag am Tatort in der Nähe des Mannheimer Marktplatzes in der Innenstadt

Was wir nicht wissen:

Die Todesursache des 47-Jährigen

Es ist die wohl wichtigste offene Frage in diesem Fall: Woran starb der 47-Jährige nach der Polizeikontrolle am Montag genau? Starb er eines gewaltsamen oder eines natürlichen Todes? Aufschlüsse darüber wird sehr wahrscheinlich das Obduktionsergebnis der Rechtsmediziner bringen. Dieses Ergebnis wird aber erst in sechs bis acht Wochen vorliegen. Die Annahme, dass der Mann ohne Polizeikontrolle noch am Leben wäre, ist Spekulation und ebenfalls Gegenstand der Ermittlungen. Auch unklar: Warum genau kollabierte der an einer Herzschwäche leidende Mann? Nach seinem Zusammenbruch soll der Mann dann laut Polizei "reanimierungspflichtig" gewesen sein. Der Grund dafür ist ebenfalls unklar. Nach SWR-Informationen litt der Mann unter Angstzuständen und war seit 20 Jahren Patient im ZI.

Der (Nicht-) Einsatz der Bodycams der Beamten

LKA-Präsident Andreas Stenger sagte am Mittwoch, die Beamten hätten laut Dienstanweisung die Bodycams eigentlich aktivieren müssen. Warum das nicht passierte, sei Gegenstand der Ermittlungen. Der baden-württembergische Landesdatenschutzbeauftragte Stefan Brink erklärte, der Einsatz von Bodycams sei nur dann zulässig, wenn es zur Abwehr einer Gefahr erforderlich sei. In bestimmten Fällen sei dies auch ohne vorherige Ankündigung zulässig: "Wenn beispielsweise aufgrund einer akuten Situation keine Zeit für eine vorherige Information möglich ist." Tatsächlich könne es vorkommen, dass Beamte im Einsatzgeschehen keine Gelegenheit haben oder nicht daran denken, die Kamera einzuschalten.

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Handy-Videos und Videos von Überwachungskameras

Die Ermittler sind aktuell dabei, Zeugenaussagen, Videofilme von Passanten und Überwachungskameras auszuwerten, um den gesamten Ablauf "millimeterpapiergenau" zu rekonstruieren, so LKA-Präsident Stenger. Der Mann habe, so Stenger weiter, "sicherlich den Anweisungen der Beamten, stehenzubleiben, nicht Folge geleistet". Man sehe zudem auf den Videos, dass er sich widersetzt habe, "dass da Bewegungen sind, dass da ein Schlagen ist". Man dürfe sich aber nicht von einzelnen Videosequenzen täuschen lassen. Bislang haben sich laut LKA rund 30 Zeugen gemeldet. Außerdem seien mehr als 70 Videos zur Verfügung gestellt worden.

Der Vorfall und die Folgen für die Mannheimer Polizei

Der Fall wird die Polizei aus Sicht des Mannheimer Polizei-Präsidenten Siegfried Kollmar viel Vertrauen in der Stadt kosten. "Wir werden einige Wochen und Monate brauchen, bis wir Vertrauen zurückgewonnen haben. Unsere Bemühungen haben einen Knacks bekommen." Schnell wurden in dem Quartier rund um den Marktplatz, der von türkischen Läden und Geschäften dominiert wird, Vorwürfe wegen mutmaßlicher Polizeigewalt laut. Die Polizei musste auch wegen dieses Drucks früh klarstellen, dass es sich bei dem Opfer nicht um eine Person mit türkischer, sondern mit deutscher Staatsangehörigkeit handelte. Der Vorwurf unangebrachter Polizeigewalt steht weiter im Raum.

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