Bereits 2009 hat das Land Baden-Württemberg beschlossen, dass Pflegeheimbewohner nur noch in Einzelzimmern untergebracht werden dürfen. Weitere bauliche Veränderungen sind ebenfalls Bestandteil der Landesheimbauverordnung. Bis 2019 gab es noch Übergangsfristen. Für das Pflegeheim "Rosengarten" in Ladenburg (Rhein-Neckar-Kreis) gab es noch mal eine Betreiberverlängerung bis zu diesem Jahr. Jetzt ist aber endgültig Schluss.
Vom Vorzeigemodell zum Auslaufmodell
Zurzeit leben 31 Bewohnerinnen und Bewohner im "Rosengarten". Bis jetzt verfügte das Heim über 18 Einzelzimmer und sieben Doppelzimmer. Mit der Landesheimbauverordnung - heißt es von den Betreibern - würden jetzt mehrere Heimplätze durch den Zwang zur Einzelzimmerbelegung wegfallen. Dazu kämen die geforderten Maßnahmen für den Umbau der Räume. Außerdem müsste jede Etage noch einen gemeinschaftlichen Kochraum bekommen. Für den "Rosengarten" ist das nicht finanzierbar, sagt Heimbetreiber Oskar Dietrich schweren Herzens. Obwohl er das schon länger weiß, steht er noch immer unter Schock.

Schluss nach 33 Jahren: Ende August muss jedes Zimmer geräumt sein
Nach 33 Jahre muss er seine privat geführte Einrichtung am 31. August für immer schließen. Alle Krisen hätte sein Heim bis jetzt überstanden. Allen voran die Corona-Pandemie. Kopf schüttelnd sagt der 67-jährige, dass man doch ganz einfach den bestehenden Einrichtung dauerhaften Bestandsschutz hätte geben können, wo man doch wüsste, dass hier die Bewohner ordentlich versorgt würden. Es sei für ihn auch überhaupt nicht zu verstehen, dass dieses Gesetz nur Baden-Württemberg betreffe. Wenn Oskar Dietrich nach Rheinland-Pfalz oder Hessen schaue, gäbe es dort keine solche Verordnung.
Warum soll denn bei uns in Baden-Württemberg die Menschenwürde eine andere sein, als jetzt in Hessen oder in Rheinland-Pfalz?
Warum werden die Bewohner nicht selbst gefragt?
Der Grundgedanke, dass jedem Bewohner ein Einzelzimmer zustehe, sei ja erst mal gut gemeint, sagt Heimbetreiber Oskar Dietrich, aber eben nicht zu Ende gedacht. Die Einzelzimmerquote sei wichtig und das sei auch gut so. Aber eben nicht nur. Oskar Dietrich ärgert es sehr, weil seiner Meinung nach bei der Entscheidung des Landes nicht die Bewohner im Mittelpunkt stehen. Wieso habe man die Betroffenen nicht ganz einfach selbst nach ihre Meinung gefragt? Es gäbe nämlich auch genug positive Gegen-Beispiele.
Vom Doppelzimmer ins Einzelzimmer
Manche Bewohner hätten zum Beispiel nachts Angst und würden gar nicht alleine im Zimmer schlafen wollen und können. Oskar Dietrich erinnert sich an den Fall eines Bewohners, der nachts immer wieder sein Zimmer verließ. Als er sich dann aber ein Doppelzimmer mit einem weiteren Bewohner teilte, sie diese Schlaf-Problematik von jetzt auf gleich vorbei gewesen. Danach habe er nachts auch keine Medikamente mehr benötigt.
Ich denke, man muss das abwägen. Die Doppelzimmer ganz zu verbieten, geht einfach an der Realität vorbei.
Bewohner wissen nicht wohin
Kurt Brodt lebt seit zwei Jahren im "Rosengarten". Anfangs hatte er ein gemeinsames Zimmer mit seiner inzwischen verstorbenen Frau. Für den 96 Jährigen stand immer fest, dass auch er hier seinen Lebensabend verbringen will. Er fühle sich hier sehr wohl und könne sich auch nicht mehr vorstellen hier noch mal wegzugehen. Er gebe die Hoffnung noch nicht auf, dass die Heimleitung doch noch eine Lösung finde.
Doris Betzwieser ist ebenfalls völlig verzweifelt. Die gesamte Familie der 93-jährigen lebt auch in Ladenburg. Jetzt fragt sie sich: "Wo soll ich denn jetzt hin?" Was, wenn es nur außerhalb von Ladenburg Heimplätze gibt? Dann kommt keiner mal eben vorbei. Trotzdem versucht sie die Situation mit Galgenhumor zu nehmen.
Wir haben schon mit drei oder vier Frauen hier ausgemacht, dass wir geschlossen in den Neckar springen.
Mitarbeiterin unter Tränen: Wo bleibt der Respekt vor dem Alter?
Genau 40 Mitarbeitende hat das Pflegeheim "Rosengarten". Die Inhaber beschreiben die Arbeitsatmosphäre in ihrem Heim als familiär. Jeder kenne jeden im Team - und man achte aufeinander. Außerdem habe es nie Personalengpässe gegeben, sagt Oskar Dietrich stolz. Viele Mitarbeiter seien schon Jahrzehnte bei ihnen. So wie Christine Schäfer, 30 Jahre arbeitete sie hier. Unter Tränen sagt sie, dass sie nicht verstehe, wie man sowas den alten Menschen antun könne. Einige seien dement und wüssten gar nicht, wie ihnen geschieht. Eine Bewohnerin sei bereits ausgezogen. Sie sei verwirrt und unruhig gewesen, als sie von ihrer Familie aus dem Heim geholt wurde. Christine Schäfer habe sich nicht einmal richtig verabschieden können.

Das können nur Leute in Stuttgart am Schreibtisch entschieden haben, die keinerlei Ahnung von der Praxis vor Ort haben.
Um sich selbst mache sie sich keine Sorgen, sagt Christine Schäfer. Bei dem Personalmangel in der Pflege finde sie schon einen neuen Job und die Kollegen auch. Viel schlimmer fände sie den Umgang mit den Bewohnern.
Für die Pflegeheim-Mitarbeiterin ist es einfach nur unfassbar, dass der "Rosengarten" Ende August für immer schließen muss. "Einen alten Baum verpflanzt man nicht", sagt sie. "Denn sonst geht er kaputt."