Auftakt zu Gedenkreihe 80 Jahre Kriegsende

Luigi Toscanos Ausstellung "Gegen das Vergessen" am Mannheimer Wasserturm

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Von Autor/in Martina Senghas, Sarah Matz

Mit seinen Portraits von Überlebenden der Nazi-Verfolgung ist der Fotograf Luigi Toscano seit zehn Jahren weltweit unterwegs. Nun ist die Ausstellung wieder in Mannheim zu sehen.

"Gegen das Vergessen" – so heißt eine Fotoausstellung für den öffentlichen Raum, mit der der Mannheimer Fotograf Luigi Toscano international Aufmerksamkeit erregt hat. Sie zeigt großformatige Porträts von Überlebenden nationalsozialistischer Verfolgung. Vor zehn Jahren wurde die Schau erstmals in Mannheim gezeigt und tourt seitdem durch die ganze Welt. Nun ist sie an prominenter Stelle in die Stadt zurückgekehrt: seit Freitag ist die Bilderschau vor dem Mannheimer Wasserturm zu sehen, dem Wahrzeichen der Stadt.

"Gegen das Vergessen" am Wasserturm von Luigi Toscano - Porträts
Rund 60 Portraits von Verfolgten des Nazi-Regimes sind entlang der Blumenbeete am Mannheimer Wasserturm aufgestellt.

Mannheimer Wasserturm: Gedenken an Opfer, wo Hakenkreuzfahnen wehten

Die Ausstellung "Gegen das Vergessen" ist der Auftakt einer ganzen Veranstaltungsreihe, die die Stadt Mannheim geplant hat. Aus Anlass des Kriegsendes und der damit einhergehenden Befreiung vom Nazi-Terror vor 80 Jahren. Bei der feierlichen Eröffnung der Ausstellung am Wasserturm betonte Mannheims Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) am Freitag, dass der Ort eine ganz besondere Bedeutung habe. Nach der Machtergreifung hissten die Nationalsozialisten hier nämlich Hakenkreuzfahnen. Die Bilder davon kenne man von historischen Aufnahmen.

Wenn wir 80 Jahre danach ein Zeichen setzen wollen, dann wollen wir das ganz bewusst hier am Wasserturm tun.

"Gegen das Vergessen" am Wasserturm von Luigi Toscano - Porträts
Die Porträts sind über den ganzen Platz verteilt und unübersehbar

Insgesamt sind auf dem Platz vor dem Mannheimer Wahrzeichen jetzt mehr als 60 Porträts von Menschen zu sehen, die Opfer von Nazi-Schikanen wurden: Jüdinnen und Juden, Angehörige der Sinti und Roma, Politisch-Andersdenkende und viele mehr. Die Bilder in der Öffentlichkeit zu zeigen sei auch ein Akt gegen die Versuche einzelner Gruppen, Erinnerungskultur zu banalisieren oder eine "erinnerungspolitische Wende" in Deutschland zu fordern.

Schülerinnen und Schüler des Mannheimer Moll-Gymnasiums geben Informationen zu den Porträtierten
Schülerinnen und Schüler des Mannheimer Moll-Gymnasiums geben Informationen zu den Porträtierten

Mannheimer Moll-Gymnasium ist Pate der Ausstellung

Eine Besonderheit bei der "Gegen das Vergessen"-Ausstellung am Mannheimer Wasserturm ist, dass das örtliche Moll-Gymnasium die Patenschaft für die Schau übernommen hat. Unter anderem heißt das, dass es bis Mitte Mai mehrere Termine gibt, an denen Schülerinnen und Schüler zu ausgewählten Porträts Informationen über das Leben der dahinter-stehenden Personen geben. Sie erzählen von deren Glück des Davon-Gekommen-Seins und der Grausamkeit und den Verlusten, die sie erlitten haben. Bei Interesse sind weitere Termine buchbar.

Persönliches Gedenken durch eigene Geschichte

Viele Schülerinnen und Schüler, die die Patenschaft übernommen haben, bringen eigene Erfahrungen mit Krieg, Flucht und Verfolgung mit. Gerade deshalb können Sie das Leid der Menschen nachempfinden. Für sie ist das Gedenken nicht nur historisch, sondern auch persönlich - eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart.

Zwei Schülerinnen aus der elften Klasse moderierten die Einweihung am Wasserturm. Dazu gab es eine musikalische Einlage eines Schülers, der selbst durch Krieg geprägt wurde. Ivan ist vor zwei Jahren nach dem Angriffskrieg gegen die Ukraine nach Deutschland geflohen. Jetzt spielt der Neuntklässler neben seinem Musiklehrer am Wasserturm in Mannheim die Klarinette zur Eröffnung der Ausstellung.

Eine weitere Schülerin erzählt von ihrer Flucht aus Syrien. Als sie und ihre Familie nach Deutschland kamen, waren sie begeistert darüber, "wie schön die Demokratie ist" und betont, dass man "solche Menschen und ihre Erlebnisse nicht vergessen darf". Diesen Gedanken teilt auch ein anderer Schüler, den besonders die Herausforderungen der Überlebenden nach der NS-Zeit bewegten.

Es ist egal, woher man kommt und wie man aussieht. Jeder Mensch verdient Menschlichkeit.

Luigi Toscano: Zurück in Mannheim mit den Porträts "ist sehr besonders"

Der Mannheimer Fotograf und Filmemacher Luigi Toscano hat seit Entstehen des Projekts "Gegen das Vergessen" nach eigenen Angaben rund 500 Menschen porträtiert. Als er vor zehn Jahren die ersten Aufnahmen an der Alten Feuerwache in Mannheim zeigen wollte, sei noch viel Überzeugungsarbeit nötig gewesen. Mittlerweile konnte er die Ausstellung an rund 30 Orten auf der ganzen Welt zeigen. Unter anderem auch vor dem Gebäude der Vereinten Nationen in New York.

Gruppe vor Wasserturm
Luigi Toscano (rechts) freut darüber, dass die Schülerinnen und Schüler des Moll-Gymnasiums die Patenschaft übernommen haben

Dass er mit seinen Bildern nach zehn Jahren nun zurück in Mannheim ist, sei etwas sehr Besonderes. Nicht zuletzt durch die Zusammenarbeit mit dem Moll-Gymnasium. Es sei wunderbar, wie die jungen Menschen mit den Bildern arbeiteten und Verantwortung übernähmen.

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