Viele Menschen versuchen zur Zeit, einen Termin für die Corona-Schutzimpfung zu bekommen, egal ob für die erste oder die dritte. Aber es gibt offenbar -je nach Region-viel zu wenig Angebote. Das Land Baden-Württemberg hat deshalb vor ein paar Wochen angekündigt, die mobilen Impfteams aufzustocken. Vor Ort merkt man davon offenbar wenig, sagt der Mosbacher Landrat Achim Brötel.
SWR Aktuell: In einer Veröffentlichung des Landes Baden-Württemberg vom November heißt es: "Das Land unterstützt die lokale Ärzteschaft mit mobiler Impfkapazität. Die Zahl der mobilen Impfteams im Land wird aufgestockt.“ Wo ist der Haken?
Achim Brötel: Der Haken ist, dass es im Grunde eine bloße Absichtserklärung, ein Wunsch, eine Zielvorstellung ist. Es ist wenig hilfreich, wenn das Land Mitte November vollmundig Dinge ankündigt, die auch drei Wochen später zu großen Teilen nur auf dem Papier bestehen und die im Laufe der Zeit dann scheibchenweise geliefert werden. Wir haben von diesen 155 Landesteams ein einziges abbekommen. Ein zweites war uns fest versprochen. Aber die SLK-Kliniken in Heilbronn, die für uns zuständig sind, haben uns mitteilen müssen, dass sie wegen der personellen Kapazitäten gar nicht in der Lage sind, dieses Team aufzustellen. Das ist kein Vorwurf gegen SLK. Auch dort kann man nur mit vorhandenen Ressourcen vorgehen.
"Eine solche vollmundige Ankündigung weckt einfach Erwartungen bei den Menschen. Das führt dann zu Frust und Ärger."
Diejenigen, die es abkriegen, sind die, die man am leichtesten vor die Flinte bekommt. Im Zweifel sind wir das.
Intensivstationen an Belastungsgrenze 155 Corona-Impfteams: Baden-Württemberg weitet Angebot aus
Intensivstationen sind ausgelastet. Die BW-Regierung erwägt, Patienten in andere Länder zu verlegen, sollte der Trend anhalten. Nun sollen die Corona-Impfteams aufgestockt werden.
Personal fehlt an allen Ecken
SWR Aktuell: Wie muss man sich das konkret vorstellen, wenn die Landesregierung neue Maßnahmen ankündigt, etwa den Einsatz mobiler Impfteams. Wie schnell und wie flexibel müssen die Behörden vor Ort sein? Woran hängt es am Ende?
Achim Brötel: Wenn diese Ankündigung als Pressemitteilung draußen ist, meinen die Menschen, diese Teams stehen sofort parat. Das Gegenteil ist richtig. Stand heute sind diese Teams meines Wissens immer noch zur Hälfte reine Papiertiger. Jedenfalls sind sie nicht einsatzfähig, sondern werden erst aufgestellt. Ich fände es wesentlich zielführender, wenn wir zu einer ganz offenen und ehrlichen Kommunikation kämen und sagen würden: "Wir wollen diese Kapazitäten ausbauen. Wir können aber noch nicht sagen, wann sie tatsächlich zur Verfügung stehen. Wir arbeiten mit Hochdruck dran, dass es so schnell wie irgend möglich der Fall sein wird."
SWR Aktuell: Wie viele Impfungen können Sie derzeit pro Tag durchführen und wie viele wären angesichts der Nachfrage nötig?
Achim Brötel: Stand heute können wir mit einem einzigen Team aus dem Landespool maximal 130 Impfungen pro Tag im regionalen Impfstützpunkt in Fahrenbach (Neckar-Odenwald-Kreis) durchführen. Wir bräuchten aber sechs Teams.
"Wir bräuchten knapp 800 Impfungen pro Tag, um der eigenen Zielvorstellung des Landes überhaupt gerecht werden zu können."
Hausärzte können Impfungen nicht alleine stemmen
SWR Aktuell: Haben Sie die Entscheidung vom Sommer, die großen Impfzentren zu schließen, mittragen können?
Achim Brötel: Ja, ich halte die Entscheidung zum damaligen Zeitpunkt für richtig. Also Tatsache ist, dass die Impfzentren im Sommer immer schwächer nachgefragt waren. Wir waren mit viel Personaleinsatz und großen Liegenschaften dienstbereit vor Ort. Die Nachfrage ist aber immer mehr gesunken. Allerdings war im frühen Herbst absehbar, dass es die vorgesehenen Strukturen der niedergelassenen Ärzte und die Betriebsärzte, allein nicht schaffen werden. Wenn ich auf die Zukunft gucke, entnehme ich dem, was die Wissenschaft uns sagt, dass wir wahrscheinlich künftig regelmäßig, also jährlich geboostert werden müssen. Wenn wir jetzt schon wissen, dass die niedergelassenen Ärzte keine regelmäßige Impfung für uns gewährleisten können, dann frage ich mich, wo ist der Plan der Politik, um dauerhaft solche Impfstrukturen auch für das Jahr 2022, 2023 und folgende Jahre zu gewährleisten.
Personal fehlt überall
SWR Aktuell: Was muss denn jetzt, abgesehen von der klaren Kommunikation, konkret ganz schnell passieren?
Achim Brötel: Aus unserer Sicht ist es einfach wichtig, dass wir viel mehr Flexibilität bekommen, vor allem vor Ort. Wenn in dieser krisenhaften Situation aktuell irgendeine Ebene wirklich gut funktioniert hat, dann ist es die kommunale Ebene. Wir würden uns wünschen, dass wir noch mehr Freiheiten kriegen, um tatsächlich vor Ort zu organisieren.
"Auch wir können nur mit den Mitteln schaffen, die zur Verfügung stehen."
Wir haben unsere Neckar-Odenwald-Kliniken gebeten, Impfteams zusammenzustellen. Dort ist es dasselbe Problem. Wir sind gerade im Isolationsbereich voll belegt, auf der Intensivstation gut gebucht. Wir können dort nicht beliebig viel Personal abziehen. Wir müssen einfach versuchen, mit den vorhandenen Ressourcen tatsächlich möglichst viel PS auf die Straße zu bringen. Daran arbeiten wir gerade mit Hochdruck.
"Es ist nicht hilfreich, wenn Erwartungen geweckt werden durch die Politik und dann am Ende nur Frust und Ärger und Resignation übrig bleibt."