"Tag des Glücks"

Heidelberger Glücks-Experte: "Was bei uns eigentlich immer zu kurz kommt, ist die Zuversicht"

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Kann man Glück lernen? Ja, sagt Ernst Fritz-Schubert. Der ehemalige Rektor aus Heidelberg hat das Schulfach Glück erfunden - und beschäftigt sich auch sonst mit dem Glücklichsein.

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Im Jahr 2007 hat der Pädagoge zum ersten Mal das Fach "Glück" an seiner Heidelberger Schule unterrichtet. Inzwischen gibt es das Unterrichtsfach an vielen deutschen Schulen - Ernst Fritz-Schubert bildet selbst jedes Jahr Hunderte von Lehrern aus, die ihre Schüler auf der Suche nach dem Glück begleiten. SWR Aktuell hat mit ihm gesprochen.

 SWR Aktuell: Kann man Glück eigentlich lernen? 

Ernst Fritz-Schubert: Natürlich kann man Glück lernen. Aber ich würde es anders formulieren. Ich würde einfach sagen: Man kann sich so in die Lage versetzen, dass das Glück einen findet. Also die eigenen Haltungen und Einstellungen so gestalten, dass man tatsächlich irgendwie der Welt offen begegnet.

Man sollte dieses Gefühl haben, dass das, was da passiert, passiert. Aber wie ich damit umgehe, das hängt von mir und von meinen Haltungen und Einstellungen ab. Ich finde es entscheidend, dass man dann sagt: Ich kann alles mies sehen. Aber ich kann das auch hoffnungsvoll sehen. 

SWR Aktuell: Im weltweiten Glücks-Report rangiert Deutschland nur auf Platz 14 hinter Finnland oder auch Island. Was halten Sie von solchen Abfragen? 

Fritz-Schubert: Die Aussagekraft des Glücks-Atlas halte ich für nicht besonders bedeutsam. Was messe ich da? Ich messe einen Augenblickszustand - aber nicht das, was mich vielleicht unter Umständen in Zukunft bewegt. Ich sage da einfach nur, wie viele Highlights ich gehabt habe, wie viele Hochmomente des Glücks - oder wie zufrieden ich mit all dem bin. Dabei komme ich ja nicht an den Punkt, der den dynamischen Teil des Glücks ausmacht. Ich habe eine Skala von eins bis zehn und da muss ich irgendwas einordnen. Und dann sagt man sich: Ja, gut - so eine sechs oder eine sieben ist es immer.

SWR Aktuell: Was können denn ältere Menschen noch für ihr Glück tun? 

Fritz-Schubert: Zunächst einmal: Sie können ergründen, was sie eigentlich ausmacht. Also fragen: Wer bin ich denn? Was habe ich für Stärken? Was möchte ich unbedingt haben? Was sind meine Sehnsüchte? Wie viele von den 400 Facebook-Freunden, die es vielleicht gibt, brauche ich wirklich? Wie sehr kann ich auch dankbar sein für das, was ich schon habe? Und was kann ich unter Umständen in der Zukunft dafür tun,  wenn ich mich morgens im Spiegel betrachte und mich frage: Kann ich den Menschen leiden, der da drin ist? Oder muss ich den Spiegel abhängen? Das wäre eine Geschichte, die ganz spannend ist. Eine, die sozusagen jeden Tag auf uns zukommt. Mich mit den Menschen und den Dingen zu beschäftigen - das wäre etwas, das tatsächlich helfen kann, glücklich zu sein.

SWR Aktuell: Was macht man am besten, wenn man mal einen Tag erwischt, an dem alles irgendwie schlecht zu sein scheint und man an sich selbst verzweifelt? 

Fritz-Schubert: Man kann einen Faden nehmen und für all das, was mir gut gelungen ist, einen Knoten machen. Dann vielleicht mal jeden einzelnen Knoten spüren und sagen: Hey, das war doch eine tolle Situation. Wir haben nämlich die Fähigkeit, uns an das zu erinnern, was uns gut gelungen ist. Das weckt dann auch wieder diese Gefühle, die damit in Verbindung kommen. Das, was eigentlich immer bei uns zu kurz kommt, ist die Hoffnung und die Zuversicht: Es kann gut werden.

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