
SWR Aktuell: Was bringen Sie aus Ihrer beruflichen Vorerfahrung in Ihr neues Aufgabenfeld mit, um den betroffenen Frauen bei "Amalie" zu helfen?
Astrid Fehrenbach: Ich kann von mir sagen, dass meine langjährige Berufserfahrung hauptsächlich in der Frauenarbeit liegt. Ich habe Frauenbildungsarbeit gemacht, Arbeit mit alleinerziehenden Frauen und jungen Müttern. Und ich habe viele Jahre ein Frauenhaus in Aschaffenburg geleitet und bin daher gut vertraut mit den Themen Gewalt und Traumatisierung von Frauen und ihren Kindern. Außerdem habe ich eine große Einrichtung für psychisch kranke Menschen geleitet. Mein Herz schlägt für die Frauenarbeit. Deshalb war das Stellenangebot des Diakonischen Werks für mich auch so interessant. Es war Liebe auf den ersten Blick.
SWR Aktuell: Was reizt Sie an Ihrer neuen Aufgabe?
Ich sehe es als große Herausforderung, sich mit dem Thema Prostitution in unserer Gesellschaft zu befassen. Wir sind ja sehr freiheitsliebende Menschen, und ich denke, es ist wichtig, dass wir sehen, dass alle gleichermaßen einen Anspruch darauf haben, auch wirklich in Sicherheit und Freiheit leben zu können. Niemand soll irgendwo in Zwang und Abhängigkeit gehalten werden. Wir müssen uns mit der Thematik in Deutschland befassen, weil wir ein großes Dunkelfeld von Zwangsprostitution haben - leider auch oft verbunden mit gewalttätigen Verhältnissen. Die gibt es und die Gesellschaft muss da hinschauen. Der "Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen" am 25. November ist ein guter Anlass, um aufzustehen und zu sagen: schaut mal hin. Hier gibt es Frauen in unserer Mitte, denen geht es nicht so gut. Die brauchen Unterstützung und wollen vielleicht auch nicht mehr länger so leben.
SWR Aktuell: Wer sucht die Beratungsstelle auf - und wie läuft eine Beratung ab?
Astrid Fehrenbach: Hier werden Frauen einfach vorbehaltlos akzeptiert. Egal wo sie stehen und wo sie herkommen. Wenn sie hier Kontakt suchen, Hilfe oder Beratung, werden sie unterstützt. Es gibt eine Wohnung, wo Frauen -wenn es freie Plätze gibt - spontan und recht unbürokratisch unterkommen können. Für den Übergang auch mit ihren Kindern, wenn sie aussteigen wollen. Es gibt ja sehr vielfältige Notsituationen, in die Frauen kommen können, zum Beispiel gesundheitliche Probleme, wenn man keine Krankenversicherung hat. Viele Frauen, die hier herkommen, sind nämlich nicht krankenversichert.
Es gibt aber auch viele andere Themen. Die "Amalie"-Beraterinnen wissen oft gar nicht, was sie erwartet, wenn jemand kommt. Es gibt natürlich auch längerfristige Beratungen, wo wir Frauen über einen bestimmten Zeitraum begleiten. Aber auch da, denke ich, gibt es ein großes Netzwerk an Hilfen, das in den vergangenen acht Jahren seit es "Amalie" gibt aufgebaut wurde. Trotzdem ist es ähnlich wie in der Frauenhaus-Bewegung. Auch da fallen noch immer Frauen durchs Raster, und ich denke, es ist sehr spannend, sich an der Stelle einzusetzen.
SWR Aktuell: Wie können Sie denn ganz konkret helfen?
Astrid Fehrenbach: Ich denke, man kann immer im Einzelfall helfen und Hilfsmöglichkeiten suchen. Das reicht von materieller Hilfe, bis hin zur Wohnraumvermittlung, Begleitung zum Gesundheitsamt oder ärztlichen Untersuchungen. Es gibt eine Fülle von Aufgaben. Allerdings kann ich jetzt noch nicht weiter in die Tiefe der alltäglichen Arbeit gehen, denn ich habe ja noch gar nicht angefangen. Meine Arbeit beginnt erst Anfang nächsten Jahres.
SWR Aktuell: Warum ist es denn für Sie so eine absolute Herzensangelegenheit?
Astrid Fehrenbach: Ich glaube, ich habe eine ganz tiefe Überzeugung, dass Menschen in sich einen sehr heilen Kern haben. Egal, in welchen Verhältnissen sie leben und in welchen Abhängigkeiten sie sich befinden. Vielleicht auch in Gewaltverhältnissen. Und dieser Kern, der muss gestärkt werden, der muss wieder zum Leben kommen. Ich finde es sehr lohnenswert und wichtig, hier Hilfestellung leisten zu können. Es ist ein wunderbares Gefühl, wenn es gelingt.