SWR Aktuell: Wie umfangreich sind die Beziehungen der hiesigen Unternehmen zu Russland und zur Ukraine? Und welche Bedeutung hat dieser Konflikt für die regionale Wirtschaft?
Matthias Kruse: Das Exportgeschäft in Richtung Russland und Ukraine macht ungefähr zwei Prozent des gesamten Exportgeschäfts aus. Das ist also überschaubar. Das Verhältnis des Russland-Geschäfts zum Ukraine-Geschäft ist zurzeit sechs zu eins - wobei sich das Ukraine-Geschäft in den letzten Jahren deutlich besser erholt hatte als das Russland-Geschäft. Was den Export anbelangt, hatten beide ihre Hochphase im Jahr 2012. Im Bezug auf die Ukraine ist inzwischen 80 Prozent dieses Niveaus wieder erreicht - im Bezug auf Russland sind es 71 Prozent.
SWR Aktuell: Um welche Güter geht es da?
Matthias Kruse: Die Güter, die wir nach Russland und in die Ukraine exportieren, sind im Bezug auf ihre Wertmäßigkeit ähnlich - vor allem Maschinen, aber auch KFZ und KFZ-Teile sowie chemischen Produkte. Was wir von Russland und der Ukrainie beziehen, das unterscheidet sich aber: Bekannt ist ja, dass Russland vor allem für uns ein wichtiger Rohstofflieferant ist, gerade Öl und Gas, aber auch Kohle und andere Rohstoffe. In der Ukraine ist es einerseits Weizen, aber das Land mausert sich zum Beispiel auch als Zulieferstandort. Zum Beispiel insofern, dass dort Automobilteile produziert werden, die hier dann in die Fertigung einfließen. Und auch die Programmierung von Software findet inzwischen verstärkt in der Ukraine statt.
IHK: "Unternehmen relativ breit aufgestellt"
SWR Aktuell: Wie gravierend wären denn die Sanktionen für Unternehmen aus unserer Region?
Matthias Kruse: Sanktionen sind natürlich nie gut für das Geschäft. Aber es gilt das Primat der Politik. Was gut ist, ist, dass unsere Unternehmen in ihrem Auslandsgeschäft relativ breit aufgestellt sind. Insofern kann man eine Krise in einem Land durch andere Märkte durchaus auffangen. Schwierig wird es natürlich, wenn viele Krisen zusammenkommen. Was jetzt zum Beispiel Automobilzulieferer angeht, muss man sagen, dass viele davon im Westen der Ukraine angesiedelt sind. Da muss man jetzt erst einmal schauen, ob die denn überhaupt betroffen sind – vermutlich ist das erstmal nicht der Fall. Bislang waren auch Werke in anderen Bereichen, die nah an der Grenzlinie zu den besetzten Gebieten verlaufen sind, voll einsatzfähig.
Russland setzt auf lokale Produktherstellung
SWR Aktuell: Ist dieser Weg, den Putin geht, absehbar gewesen? Hat sich die Wirtschaft darauf vorbereiten können?
Matthias Kruse: Seit 2014 hat es in der Politik von Putin einen deutlichen Schwenk geben. Das Schlagwort ist "Importsubstitution". Das ist ein Politik-Ansatz, wonach Russland versucht, immer mehr Wertschöpfungsketten-Importe durch Produkte zu ersetzen, die weitgehend vor Ort gefertigt werden. Das bedeutet dann natürlich für unsere kleinen und mittelständischen Unternehmen, die vor allen Dingen vom Export leben, dass sie dann außen vor sind. Im Vergleich zu früher hat es da einen erheblichen Abstieg gegeben: Die Hochphase des Russland-Geschäfts war wie gesagt im Jahr 2012.
SWR Aktuell: Welche Sanktionen wären denn für Russland am gravierendsten?
Matthias Kruse: Für das Russland-Geschäft ist der Zahlungsverkehr natürlich ganz besonders wichtig. Da gibt es zum einen die Überlegung, Russland vom so genannten SWIFT-Verfahren- also dem Interbankenzahlungsausgleich – abzukoppeln. Vielleicht noch wichtiger sogar ist die Frage, in welchen Währungen Zahlungen vorgenommen werden dürfen. Darf man in US-Dollar oder in Euro bezahlen? Das sind die beiden wichtigsten Währungen auch für das Russland-Geschäft. Wenn da zum Beispiel die Entscheidung sein sollte: "Nein. Das geht nicht mehr. Alle US-Dollar-Geschäfte werden auch über die USA technisch und damit erkennbar abgewickelt", dann würde das das Russland-Geschäft insgesamt sehr stark treffen. Gleiches könnte passieren, wenn wichtige Banken im Russland-Geschäft, zum Beispiel die Sberbank oder die VTB, unter verschärfte Sanktion fallen würden.