Heinrich Schliemann war in der ganzen Welt unterwegs, und dabei hat er auch Heidelberg besucht. Am 7. Oktober 1888 kam er mit seiner Frau Sophia und dem gemeinsamen Sohn Agamemnon für drei Wochen an den Neckar. Anlass war, dass sich das Ehepaar hier ärztlich behandeln lassen wollte.
Behandlung bei den Heidelberger Ärzten Adolf Kußmaul und Vincenz Czerny
Bei der geschwächten Sophia ging es darum, etwas aufgepäppelt zu werden, während Heinrich sich an der Unterlippe operieren ließ - so die Kulturwissenschaftlerin und eine der beiden Ausstellungsleiterinnen Stefanie Samida. Gleichzeitig sei der Besuch der Familie auch ein gesellschaftliches Ereignis gewesen.

"Sie haben während ihres Besuchs einen Vortrag gehalten oder sich kulturell betätigt und sich Sachen zeigen lassen hier in Heidelberg. Der Sohn von Schliemanns war auf dem großherzoglichen Lyceum in dieser Zeit auf der Schule."
Die Schliemanns hatten Kontakt zu Universitätswissenschaftlern und Archäologie-Begeisterten; es gab einen Festabend für sie und die heimische Presse berichtete
Ein Mix aus persönlichen Geschichten und wissenschaftlichen Informationen
Die lokalen Informationen sind der Ausgangspunkt einer Schau, die gleichzeitig einen persönlichen und hintergründigen Blick auf Schliemann und seine Zeit wirft. Zusammengestellt wurde sie von rund 40 Studentinnen und Studenten im Laufe eines zweisemestrigen Seminars.
"Wir haben natürlich versucht, kritisch an Schliemann ranzugehen und den Studierenden zu vermitteln, die Quellen (...) kritisch auseinanderzunehmen. Nicht zu glauben, was Schliemann selbst schreibt oder was in den Zeitungen des 19. Jahrhunderts steht oder in Briefen."
Erfolgreicher Kaufmann und archäologischer Autodidakt

Der Mensch Schliemann: Aus ärmlichen Verhältnissen stammend, hatte er als Kaufmann ein Vermögen gemacht. Als rastloser Weltreisender beherrschte er dreizehn Sprachen, und als Archäologe war er ein gefeierter, aber auch kritisch beäugter Autodidakt. Rund ein Dutzend anschaulich gestaltete Text- und Bildtafeln geben Auskunft über all das.
Forum Archäologie-Star Heinrich Schliemann – Was bleibt vom Troja-Entdecker?
Lukas Meyer-Blankenburg diskutiert mit
Leoni Hellmayr, Archäologin und Wissenschaftsjournalistin, Baden-Baden
Dr. Katarina Horst, Leiterin des Referats Antike Kulturen am Badischen Landesmuseum, Karlsruhe
Dr. Frank Vorpahl, Autor und Journalist, Berlin
Außerdem gibt es einige Vitrinen mit archäologischen Objekten. Ein Teil davon sind Original-Keramikfunde aus Troia, sogenannte Dubletten. Heidelberg besitzt 900 Stück davon, so Polly Lohmann, Archäologin und ebenfalls Ausstellungsleiterin.
"Dass Heidelberg einen großen Anteil dieser sogenannten Dubletten bekommen hat, hat einerseits sicherlich mit der Bedeutung Heidelbergs als archäologischem Wissenschaftsstandort zu tun, andererseits vielleicht auch damit, dass Friedrich von Duhn, damals Professor am hiesigen Institut für Archäologie, ein Befürworter Schliemanns und seiner Thesen war. Und möglicherweise mit dieser Abgabe der großen Anzahl an Dubletten auch ein bisschen honoriert wurde."
Wissenschaftliche Auseinandersetzung war von Eitelkeiten geprägt
Die wissenschaftliche Auseinandersetzung zu Schliemanns Zeiten war von so manchen Eitelkeiten geprägt, sie war von Männern dominiert und sie wurde zu einem großen Teil in der Presse ausgetragen – auch das zeigt die Heidelberger Ausstellung.
Schliemann-Kritiker: "Viel kaputt gemacht"
Die Ausstellung wirf einen kritischen Blick auf Schliemann, ist aber nicht überheblich. Sie ordnet ein. Besonders deutlich wird das an einer Hörstation in einem Interview mit dem Direktor des Heidelberger Instituts für Ur- und Frühgeschichte, Joseph Maran. Er gräbt heute dort, wo einst auch Heinrich Schliemann gegraben hat, nämlich in Tyrins auf dem Peleponnes. Schliemann habe unglaublich viel kaputt gemacht, so Maran über seinen berühmten Vorgänger. Dennoch habe er etwas in Bewegung gebracht.
"Er war sicherlich ein egomaner Mensch, der auch von Geltungsdrang getrieben war, aber er hat auch viel in Bewegung gebracht unter Einsatz seines Vermögens und seiner Gesundheit und seiner Energie, und das bewundere ich bis zu einem gewissen Grad."
Maran ist bewusst, dass auch die Arbeit der heutigen Archäologinnen und Archäologen in Zukunft kritisiert werden kann. Also auch seine eigene. Denn im Rückblick erweise sich jede Ausgrabung als unvollständig und unvollkommen.

Umfangreiches Begleitprogramm der Heidelberger Schliemann-Ausstellung
Innerhalb des Ausstellungsprojekts ist ein umfangreiches Begleitprogramm entstanden. Über QR-Codes auf den Ausstellungstafeln kommt man an zahlreiche Zusatzinformationen. Außerdem gibt es eine Vortragsreihe und regelmäßige Führungen. Mit Hilfe einer Broschüre kann man sich auf einen historischen Stadtrundgang auf den Spuren Schliemanns begeben. Und speziell für Schulklassen wurde die App "Actionbound" entworfen.