Heidelberger Staatssekretärin über den Ukraine-Krieg

Franziska Brantner: "Energie ist auch eine Sicherheitsfrage"

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Matthias Wiest
Matthias Wiest (Foto: SWR)

Durchatmen ist angesichts des Kriegs in der Ukraine kaum möglich, eine Sitzung jagt die nächste: Die Heidelberger Grünen-Staatssekretärin Franziska Brantner koordiniert unter anderem die Sanktionen gegen Russland.

SWR Aktuell: Es passiert gerade ziemlich viel auf einmal. Wie hoch ist momentan im politischen Berlin die Dichte und die Taktung der Krisensitzungen, an denen Sie mitwirken oder beteiligt sind?

Franziska Brantner: Wir haben eine sehr, sehr hohe Taktung, und zwar seit Tagen, eigentlich auch schon seit Wochen. Natürlich sind wir in sehr vielen Runden, in denen wir die Dinge immer wieder zusammenbringen. Dann gehen einzelne den jeweiligen Arbeitsprozessen nach. Es werden ja sehr viele Entscheidungen getroffen. So eine Sanktionsentscheidung bedarf wirklich einer detaillierten Vorarbeit: Wer wird genau gelistet, welche Bereiche werden genau sanktioniert, was betrifft die Wirtschaft oder die Banken? Das muss ja alles rechtlich standhalten. Da ist viel Vorarbeit nötig.

SWR Aktuell: Um das ein bisschen plastischer zu machen, was genau bearbeiten Sie heute bei sich im Büro?

Sanktionen müssen rechtlich gut abgesichert sein

Brantner: Von Gaseinkäufen über die Frage der Gasreserven, das müssen wir rechtlich auf den Weg bringen, bei der Kohle ebenfalls. Also die Frage, wie schaffen wir die rechtlichen Grundlagen einerseits. Andererseits wird daran gearbeitet, wirklich jetzt hier auf dem Markt tätig zu werden, damit wir am Ende gut gewappnet sind. Zweitens arbeiten wir natürlich auch daran, mit Unternehmen im Gespräch zu sein, die von den Sanktionen betroffen sind, um zu klären: Wie sind die Auswirkungen? Was ist genau sanktioniert? Wie können wir im Zweifel auch unterstützend tätig werden? Natürlich schauen wir, dass wir mit Blick auf die Energiefragen wirklich ambitioniert bei den Erneuerbaren vorankommen, dass wir unsere Energienetze noch besser vernetzen. Und heute tagt der Europäische Energieministerrat.

SWR Aktuell: Die Grünen und die Bundeswehr, das war eigentlich immer ein schwieriges Thema, weil die Grünen vom Grundsatz her auch eine pazifistische Partei sind. Wie bewerten Sie die Ankündigung von Bundeskanzler Scholz, über 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr bereitzustellen, um sie arbeits- und bündnisfähig zu machen?

"Wir müssen mehr in die Bundeswehr investieren."

Brantner: Wir wissen, dass wir mehr investieren müssen, auch in unsere Bundeswehr. Es kommt jetzt auch darauf an, dass wir das europäisch ausgestalten, also dass wir wirklich gemeinsam mit unseren Partnern definieren: Was sind die Fähigkeiten, die wir brauchen? Wie können wir sie gemeinsam beschaffen? Die zweite Frage ist natürlich auch, dass wir sicherstellen müssen, dass wir die neuen Sicherheitsbedürfnisse ansprechen. Ich sage mal das Stichwort "Cyberspace“. Dass wir auch sicherstellen, dass wir dort wirklich gut aufgestellt sind. Es ist mir persönlich natürlich auch sehr wichtig, dass wir jetzt endlich anerkennen, dass Energie auch eine Sicherheitsfrage ist, und wir eben sowohl rechtlich als auch finanziell in Deutschland und europaweit bei den Erneuerbaren schneller vorankommen.

SWR Aktuell: Im Zuständigkeitsbereich des Wirtschafts- und Klimaschutzministeriums ist ja auch die Frage: Was passiert denn, wenn Russland kein Erdgas mehr liefern sollte? Wie lautet denn Ihre konkrete Antwort darauf?

"Wir sind darauf vorbereitet."

Brantner: Wir sind darauf vorbereitet. Die Analysen sagen, dass wir bis zum Sommer "gut" durchkommen können. "Gut" ist ja angesichts der Situation relativ. Wir werden sicherlich hohe Preissteigerungen in so einem Fall innerhalb Deutschlands haben, die wir dann auch sozial abfedern müssen. Natürlich tun wir im Haus gerade alles dafür, dass wir jetzt auch alternative Quellen aufmachen und sichern, übrigens auch europäisch gedacht. Denn am Ende stehen wir hier zusammen. Daran arbeiten wir wirklich gerade seit Tagen und Wochen schon mit Hochdruck. Diese Fragen stellen wir uns nicht erst seit letzter Woche, sondern an denen sitzen wir zum Glück schon länger. Sonst wäre es wahrscheinlich jetzt etwas schwieriger. Wir haben auch schon neue Longtime-Options gekauft. Also wir sind da auch schon aktiv geworden. Von daher ist das eines der Gebiete, bei dem klar ist, wenn Putin diesen fossilen Strom zu uns stoppen sollte, dann wird er auch so nie wieder aufgegriffen werden. Dann werden wir die Alternativen haben.

SWR Aktuell: Bisher sind die russischen Gaslieferungen durch die "Nord Stream 2“- Pipeline ja nur ausgesetzt. Wird denn Ihrer Meinung nach irgendwann doch mal wieder russisches Gas da durchgeleitet oder ist Nord Stream 2 definitiv passé?

Kapazität der Pipelines ist nicht das Problem

Brantner: Wir hatten ja in den letzten Tagen, Wochen und Monaten kein Pipeline-Kapazitäten-Problem, sondern dass zu wenig Gas aus Russland gekommen war. Die Pipelines, die schon existieren, waren überhaupt nicht ausgelastet. Deswegen ist die Debatte auch gerade gar nicht, ob man mehr oder weniger neue Pipelines braucht. Sondern die Frage ist, ob überhaupt Gas kommen wird. Wir haben den Versorgungssicherheitsbericht zurückgezogen. In diesen Versorgungssicherheitsberichten müssen wir natürlich nicht nur die deutsche, sondern die europäische Versorgungssicherheit beurteilen. Also ich sehe gerade nicht, wenn man sich unsere Situation anschaut, wie wir dort zu einem positiven Urteil kommen sollen. Aber man darf ja die Hoffnung nicht aufgeben, dass Putin sich vielleicht doch zurückzieht und es zu friedlichen Gesprächen kommt. Und deswegen sagt man ja nie "nie". Aber in der aktuellen Situation, würde ich sagen, ist der Fokus darauf, wie wir jetzt der Ukraine helfen können. Das sollte für uns alle die Aufmerksamkeit bekommen, die es wirklich verdient.

SWR Aktuell: Was von all den beschlossenen Sanktionen könnte Putin denn zum Einlenken bewegen? Beziehungsweise was müsste man ihm denn noch anbieten, um eine weitere Eskalation zu vermeiden? Oder haben Sie den Eindruck, dass diplomatische Angebote für Putin gar keine Relevanz mehr haben?

Ein Wunschtraum von einem Putin, der leider so nicht existiert

Brantner: Es gab ja sehr viele diplomatische Angebote in den letzten Wochen und Monaten. Das hatte leider keinen Erfolg. Wir sehen jetzt, dass es Gespräche gibt zwischen der Ukraine und Russland. Wir müssen natürlich schauen, wie wir den Druck erhöhen. Ich denke, der Druck muss sehr groß sein. Zum gewissen Teil sind die Sanktionen natürlich auch eingepreist von Putin. Aber wir sollten auch unsere Kraft nicht unterschätzen und entsprechend klar und konsequent handeln. Ich hoffe, dass wir jetzt rechtzeitig anerkennen, wer Putin wirklich ist, und entsprechend agieren, und nicht mehr entlang eines Wunschtraums von einem Putin, der leider so nicht existiert.

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