Vor dem Haus der Familie Neuffer aus Weinheim stapeln sich Kartons und Kisten mit Spenden. Windeln, Nudeln, Hygieneartikel, all das wollen die Neuffers an die polnisch-ukrainische Grenze bringen. Vor kurzem hatte die Weinheimer Familie schon einmal Hilfsgüter nach Polen gebracht. Doch sie wollten noch mehr tun, sagt Ute Neuffer.
Sie habe sich gefragt, wie sie sich fühlen würde, wenn sie mit ihren Kindern ihren Mann und ihr Zuhause verlassen müsste. Sie fand die Vorstellung so schrecklich, sie wollte diesen ukrainischen Frauen, die das gerade mit ihren Kindern durchmachen, helfen. Ihre Familie war sofort einverstanden.
Kontakt zu ukrainischer Familie kam über eine Russin zustande
Der Kontakt zu Natalya Hrodz und ihren drei Söhnen David, Misha und Daniel entstand über eine Freundin, die Russin ist. Diese ist wiederum mit mehreren ukrainischen Familien befreundet. Natalya Hrodz und ihre Kinder stammen aus Lviv im Westen der Ukraine. Alle paar Stunden habe es dort Bombenalarm gegeben, erzählt sie. Ständig mussten sie in den Keller rennen, auch nachts. Die Kinder hätten große Angst gehabt.
Zwölf Tage nach Kriegsbeginn hätten sie dann ihre Sachen gepackt und die Ukraine verlassen. Ihr Mann, ihre Geschwister, ihre Eltern und Schwiegereltern sind noch dort. Sie telefonieren mehrmals am Tag, erzählt Natalya Hrodz. Für die Kinder sei das natürlich alles schwierig, aber wenigstens seien sie in Sicherheit.
"Die Kinder vermissen ihr Zuhause, ihren Vater, ihr Leben und ihre Freunde. Aber sie sind froh, hier zu sein und jetzt Teil dieser Familie in Weinheim. Sie sind hier sicher und es gibt ihnen ein Stück Normalität und Stabilität zurück."
Zu neunt unter einem Dach in Weinheim
Die Neuffers haben für Natalya Hrodz und ihre drei Söhne zwei Zimmer frei gemacht. Alle sind eng zusammengerückt. Die drei Kinder der Neuffers sind fast genauso alt, wie die Kinder von Natalya Hrodz. Ihr jüngster Sohn geht jetzt mit dem jüngsten Sohn der Neuffers zum Fußball.

Die Kinder spielen miteinander und bringen sich gegenseitig die jeweilige Sprache bei, erzählt Ute Neuffer. Ihr jüngster Sohn rennt durchs Haus und zeigt auf Gegenstände und benennt sie auf Deutsch. Auch am Essenstisch fragen sich alle gegenseitig, wie man etwas auf Deutsch oder Ukrainisch sagt. Und Englisch lernen sie dabei auch noch, denn Natalya Hrodz und der älteste Sohn sprechen sehr gut Englisch.
Auswirkung des Ukraine-Kriegs Fast 10.000 Flüchtlinge aus der Ukraine in BW - tatsächliche Zahl wohl deutlich höher
Immer mehr Menschen flüchten aus dem Kriegsgebiet in der Ukraine. Das macht sich bei den Erstaufnahmeeinrichtungen im Land bemerkbar.
Dank der heutigen Technik kann Natalya Hrodz weiter als Psychologin arbeiten. Ihre Patienten betreut sie jetzt Online. Und ihre Kinder gehen weiter in die ukrainische Schule. Wie schon im Corona-Lockdown findet der Unterricht digital statt, erklärt Natalya Hrodz. Der Lehrer sitzt in der Ukraine, die Kinder sind online zugeschaltet. Nur die Hälfte von ihnen ist überhaupt noch in der Ukraine.
"Von den Klassenkameraden der Kinder sind viele aufs Land geflüchtet, weil es dort sicherer ist. Aber viele sind auch nach Italien oder Polen geflohen. Also die Hälfte der Klasse ist über ganz Europa verstreut."
Das Zusammenleben klappt gut, sagen alle. Abends sitzen sie dann zu neunt zusammen am Tisch und reden und tauschen sich aus, erklärt Ute Neuffer. Sie reden über ihre Jobs, über Hobbys, das frühere Leben in der Ukraine. Die Neuffers empfinden es als Bereicherung, die Familie Hrodz aus der Ukraine da zu haben.
"Ich finde es sehr schön, fremde Gäste im Haus zu haben, von denen man so viel Neues lernt. Es sind tolle Menschen und eine tolle Familie."
Niemand weiß, wie lange die Familie Hrodz bleiben wird. Natalya Hrodz hofft, dass der Krieg bald zu Ende ist und sie wieder nach Hause gehen können. Aber wie lang es auch immer dauern wird, sie dürfen so lange blieben, wie sie möchten, meint Ute Neuffer.