Schon wenige Minuten nach der tödlichen Amokfahrt des 40-jährigen Alexander S. am vergangenen Montag sind zahlreiche Spekulationen und Falschinformationen im Netz verbreitet worden. Von Ausweisdokumenten eines angeblichen Mittäters bis hin zu verstörenden Nachrichten auf WhatsApp. Das Polizeipräsidium machte bereits kurz nach der Tat auf Falschmeldungen aufmerksam und rief dazu auf, Fake News nicht in den sozialen Medien zu teilen.
Angeblicher Täter mit Migrationshintergrund im Netz an den Pranger gestellt
Bereits am Montag teilte die Polizei mit, dass es sich bei dem mutmaßlichen Täter um einen deutschen Staatsbürger handelt. Auf der Plattform X (ehemals Twitter) und in WhatsApp wurden am selben Tag Ausweisdokumente eines Heidelbergers mit einem arabischen Namen verbreitet. Die Ausweisdokumente zeigen einen vollständigen Namen und persönliche Daten. Veröffentlicht wurden Dokumente unter anderem in Kombination mit der Überschrift eines Online-Artikels. Es wurde der Anschein vermittelt, dass man gezielt Informationen zurückhalte, und es sich dabei um den tatsächlichen Täter handeln würde.

Das Landeskriminalamt (LKA) bestätigt die Verbreitung von Falschinformationen im Netz. "Namen von mutmaßlichen Mittätern, die insbesondere in den Sozialen Medien verbreitet werden, sind entweder frei erfunden oder haben offensichtlich keinen Bezug zu dem Tatverdächtigen und der Tat." Aufgrund der laufenden Ermittlungen und Aktualität könnten darüber hinaus keine Angaben zu den Falschmeldungen gemacht werden.
Falsche Polizeimeldung: Täter mit "dunklem Hauttyp"
Wenige Minuten nach der Amokfahrt (um 12:38 Uhr) veröffentlichte das Polizeipräsidium Mannheim eine kurze Pressemitteilung: "Mannheim: Polizeilicher Einsatz in der Mannheimer Innenstadt". Im Laufe des Tages wurden von der Polizei Mannheim neue Erkenntnisse zur Tat veröffentlicht. Auf X (ehemals Twitter) wurde eine vermeintliche interne Meldung des Polizeipräsidiums Mannheim veröffentlicht. Darin wurde eine Täterbeschreibung ("dunkler Hauttyp") und ein Mannheimer Autokennzeichen geteilt. Bestätigt werden konnten diese Aussagen nicht. Das Polizeipräsidium Mannheim teilte auf SWR-Anfrage mit, dass abgesehen von den offiziellen Pressemitteilungen keine Informationen veröffentlicht wurden.

Fake News zur Amokfahrt: "Mannheim wird auseinander genommen"
Eine Stunde nach der tödlichen Amokfahrt in der Mannheimer Innenstadt wurde direkt auf das Smartphone gewarnt: "Amtliche Warnmeldung - für Mannheim - Lebensbedrohliche Lage". Parallel wurden in Messenger-Diensten wie WhatsApp anonyme Nachrichten weitergeleitet. Darin wurden die Aussagen der Polizei als falsch dargestellt und Spekulationen verbreitet. Es sei eine "Gruppe von 5-8 Mann" unterwegs und Mannheim würde "auseinander genommen" werden. Außerdem wurden Mitteilungen weitergeleitet, dass in unterschiedlichen Stadtteilen Mannheims Schüsse gefallen seien. In den Sozialen Medien wird auch weiterhin spekuliert, dass der gefasste Deutsche Alexander S. nicht der Fahrer der Amokfahrt gewesen sein könnte.
Mannheims Bevölkerung: "Zwischen Informationsbedürfnis und Informationsüberforderung"
In den ersten Stunden nach der Amokfahrt gab es nur wenige gesicherte Informationen. Viel Raum für Spekulationen. Einige Menschen suchten daher im Netz nach Hinweisen oder Details zur Tat. Laut Medienwissenschaftler Alexander Sängerlaub ist das in solchen Ausnahmesituationen auch nachvollziehbar. Man erlebe ein "Informationsbedürfnis und gleichermaßen auch eine Informationsüberforderung".
Gerade wenn man in Mannheim ist, dann möchte man natürlich auch wissen: Bin ich hier in Sicherheit? Was passiert? Die Frage ist nur, wo hole ich mir die Informationen her? Bin ich dann wirklich in X gut aufgehoben oder gucke ich nicht lieber auf verlässlichen Nachrichtenseite, wo ich weiß, hier sind die Informationen mit der Polizei "gefactcheckt".
Der Medienwisschaftler rät dazu, in solchen Situationen auch mal das Handy aus der Hand zu legen und abzuwarten, bis gesicherte Informationen veröffentlicht werden.
So reagiert die Polizei Mannheim auf Falschmeldungen in Krisensituationen
In Krisensituationen sei es besonders wichtig, schnell und effektiv auf Fake News zu reagieren. "Daher werden die Sozialen Netzwerke in solchen Fällen durch unser geschultes Team von Social Media Managern überwacht und betreut", teilt das Polizeipräsidium Mannheim dem SWR mit. Weiter erklärt die Polizei: Sobald Falschmeldungen erkannt werden, würden diese auf den offiziellen Kanälen der Polizei widerlegt. Wenn es sich um Falschnachrichten in den Kommentaren auf der Seite der Polizei handelt, werden diese von der Polizei Mannheim ausgeblendet. Die Polizei empfiehlt den Bürgerinnen und Bürgern bei Fake News immer direkt die Social-Media-Kanäle der Polizei zu kontaktieren, sodass diese die Meldung richtigstellen können.
Wir nehmen Meldungen aus der Bevölkerung ernst und prüfen jede eingehende Information sorgfältig, um gegebenenfalls schnell gegen Falschmeldungen vorzugehen und die Öffentlichkeit mit den richtigen Fakten zu versorgen.
Fake News werden von Ermittlern gesichtet
Die zahlreichen Kommentare und Posts im Zusammenhang mit den Ereignissen am 3. März werden aktuell von Ermittlern gesichtet, teilte das Landeskriminalamt (LKA) auf SWR-Anfrage mit. Die Staatsanwaltschaft bestätigte, dass in den Fällen, in denen sich Anhaltspunkte für ein strafrechtlich relevantes Verhalten ergeben, entsprechende Ermittlungsverfahren eingeleitet werden würden. Beim LKA gibt es eine Task Force gegen Hass und Hetze, mit dem Ziel, entsprechende Bedrohung frühzeitig zu erkennen und mit geeigneten Maßnahmen zu reagieren. Fake-News seien geeignet, die Öffentlichkeit zu verunsichern, eigene Aktivitäten zu verschleiern, kontroverse Debatten zu emotionalisieren, gesellschaftliche Spannungen zu verstärken und Misstrauen in staatliche Einrichtungen zu schüren, so das LKA.
Falschmeldungen rund um die Amokfahrt in der Mannheimer Innenstadt gab es nicht nur in Mannheim selbst, sondern auch in Ludwigshafen.