Seit dem 1. Januar 2002 bezahlen die Deutschen mit dem Euro. Doch immer noch kursieren hohe D-Mark Bestände im In- und Ausland, informiert die Deutsche Bundesbank. Münzen und Scheine im Wert von über sechs Milliarden Euro liegen irgendwo in Schubladen, Kartons oder ausrangierten Büchern. Vor allem bei Haushaltsauflösungen oder nach Todesfällen entdecken Menschen Restbestände der alten Währung. Andere horten Pfennige oder Mark aus purer Nostalgie. In Gaiberg (Rhein-Neckar-Kreis) können Kunden damit wieder bis Ende Mai einkaufen gehen.

Bäcker in Gaiberg: Viele Kunden kommen mit D-Mark
Der Andrang ist auch knapp ein Vierteljahrhundert nach der Einführung des Euro unerwartet groß. Vor allem Stammkunden schauen in der Bäckerei Schneider vorbei, um mit D-Mark zu bezahlen. Auch Anton Stöhr aus Bammental (Rhein-Neckar-Kreis) steht in der Schlange. Der Familienvater hat kürzlich in einer kleinen Kiste mit Glückwunsch-Briefen einen alten 100-Mark-Schein entdeckt. Für das Geld will er heute einen Kaffee trinken und zum Geburtstag der Tochter eine Sahnetorte ordern. Die Bäckerei tauscht das Geld zum amtlichen Wechselkurs ein. Für exakt 1,95583 Mark gibt es einen Euro.
Wenn man so einen Schein findet, ist das wie eine Zeitreise in die Kindheit.
Auch bei Kundin Elena Prohorov weckt der Fund alter D-Mark nostalgische Gefühle. Von ihrem ersten Taschengeld habe sie damals Eis kaufen können, lacht die Gaibergerin. Diesmal gibt es Kaiserbrötchen und Brot für einen 10-Mark-Schein, den ihre Oma in einem alten Kuvert gefunden hat. Das Brötchen würde heute umgerechnet eine Mark kosten, rechnet die Kundin vor, das sei schon "der Wahnsinn". Von zwei alten Silberlingen aber will sich Elena Prohorov nicht trennen.
Ich habe zwei 5-Mark-Stücke als Glücksbringer im Portemonnaie.

D-Mark-Aktion gibt es seit 2003
Seit 2003 gibt es in Gaiberg die sogenannten "D-Mark-Wochen". Die Idee zu der Aktion hatte damals der Vorsitzende des örtlichen Gewerbevereins. In den Anfangsjahren beteiligten sich 15 Geschäfte an der Initiative, die bei den Kunden auf große Resonanz stieß. Die Menschen strömten nach Gaiberg, um mit alten Münzen und Scheinen einkaufen zu gehen. In der Bäckerei Schneider kamen früher jeweils fünfstellige Beträge zusammen. Eimerweise wurden alte D-Mark gesammelt. Bastian Schätzle, der Sohn des damaligen Vorsitzenden, hat auf dem Speicher kürzlich ein Fotoalbum entdeckt, in dem Mark-Scheine eingeklebt waren. Für den Gaiberger ein wertvolles Erinnerungsstück.
Gaiberg sorgte in den Anfangsjahren mit seinen "D-Mark-Wochen" für Schlagzeilen. Zeitungen und Fernsehsender aus dem In- und Ausland berichteten. Bäckereichefin Gitta Stadler hat alles akribisch gesammelt. Sogar ein Artikel der New York Times findet sich in ihrem Ordner. Die Zeitung berichtete darin über einen ausgewanderten Deutschen, der von den "D-Mark-Wochen" in den USA erfahren hatte und Geld zum Umtausch nach Gaiberg schickte.
Aber leider ging die komplette Summe für das Porto und den Zoll drauf.
Geld kann ausnahmsweise bei Bank eingezahlt werden
Heute sind die meisten der ursprünglich 15 Geschäfte geschlossen, viele der ehemaligen Eigentümer verstorben. Nur die Bäckerei Schneider und der Berghof Weinäcker machen noch bei den "D-Mark-Wochen" mit. "Es ist schon erstaunlich, dass die Leute immer noch D-Mark zuhause finden", sagt Christina Dietl, die die Bäckerei mit ihrer Mutter zusammen führt. Zur Halbzeit der Aktion ist erneut ein ganzer Eimer an Münzen zusammengekommen. Das Geld kann sie auf einem Geschäftskonto der Volksbank-Neckartal gutschreiben lassen. Eine Ausnahme, denn normalerweise nimmt nur die Bundesbank noch D-Mark entgegen. In der Filiale müssen die Münzen und Scheine von Hand gezählt werden, erklärt Bankmitarbeiter René Zimmermann. Das dauere Stunden. Denn Zählmaschinen für D-Mark gibt es schon lange nicht mehr.