Mikrofon auf Bühne vor Vorhang (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Britta Pedersen)

Drei Jahre Corona-Pandemie: Wie war´s für Sie? Und wie geht`s heute?

Wegen Corona-Beschränkungen: Wieslocher Musiker schaute in "schwarzes Loch"

Stand
INTERVIEW
Wolfgang Kessel

Gitarrist Sven Wittmann aus Wiesloch (Rhein-Neckar-Kreis) verdient sein Geld vor allem mit Auftritten. Corona machte das zeitweise unmöglich. Jetzt schöpft er wieder Hoffnung.

SWR Aktuell: Als die Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 Deutschland erreicht hat: Was ist da in Ihrem Leben passiert? Was hat sich da verändert bei Ihnen?

Sven Wittmann (52): Ja, das war schon ziemlich schockierend, dass man plötzlich nicht mehr das tun durfte, wofür man eigentlich lebt und seine Leidenschaft aufbringt und womit man natürlich auch sein Geld verdient. Man wurde von jetzt auf nachher ziemlich ausgebremst und wusste erstmal gar nicht, was einem so geschieht.

SWR Aktuell: Wie war das konkret: Riefen da Veranstalter bei Ihnen an und sagte: "Du, das mit dem Auftritt kannst Du erst mal vergessen..." ?

Sven Wittmann: Zum Beispiel. Ich habe damals natürlich einige feste (Auftritts-)Termine gehabt. Die wurden dann aber relativ spontan abgesagt. Man konnte auch überhaupt nicht absehen, ob und wann die Termine überhaupt nachgeholt werden. Oder wie es überhaupt weitergeht. Man guckt da erst mal so ein bisschen in ein schwarzes Loch rein und sieht irgendwie kein Licht. Das ist natürlich nicht nur für den Geldbeutel nicht schön, sondern auch für die Stimmung.

SWR Aktuell: Wie haben Sie sich dann über Wasser gehalten?

Sven Wittmann: Ich hatte Glück, dass ich zumindest weiter Gitarrenunterricht geben konnte. Dadurch konnte ich wenigstens mal ein bisschen was verdienen. Anfangs war das ein bisschen schwierig, weil das Ganze über Distanz stattfinden musste, für beide Seiten sehr herausfordernd. Aber sobald es dann wieder losging war das natürlich sehr angenehm, einfach mal wieder was tun zu können. Nach dem ersten Lockdown konnte ich dann auch wieder ein paar Gigs (Konzertauftritte) absolvieren, die ich teils auch selbst organisiert habe - im Freien unter den damals herrschenden Corona-Bedingungen.

Musiker Sven Wittmann aus Wiesloch (Foto: SWR)
Musiker Sven Wittmann (52) aus Wiesloch brachen während der Coronapandemie etliche Auftritte weg

SWR Aktuell: Was waren das zum Beispiel für Konzerte?

Sven Wittmann: Wir haben uns zu der Zeit Gigs gesucht, wo man im Freien war und Distanz wahren konnte. Also: Biergärten und Weingüter. In der ersten Lockdown-Phase hatten wir auch spaßige Aktionen wie zum Beispiel eine Schifffahrt auf dem Neckar, wir spielten auf dem Oberdeck, von dort haben wir dann das Ufer beschallt, zwischen Neckarsteinach (Kreis Bergstraße) und Heidelberg. Oder: Eine Aktion mit einem Bollerwagen, mit dem wir durch Schatthausen (Rhein-Neckar-Kreis) gezogen sind und die Nachbarschaft bespielt haben. Das war einfach was für die Seele. Man konnte ja nicht absehen, was wird. Pünktlich zum Herbst und Winter kam ja dann schon der nächste Lockdown. Und dann war es natürlich noch mal schwierig.

SWR Aktuell: Sie haben Hilfe vom Staat bekommen - was war das genau? Und wie lief das ab?

Sven Wittmann: Man hat relativ schnell als Künstler die Corona-Soforthilfe bekommen. Ich habe dann auch die sogenannten November- und Dezember-Hilfen beantragt und erhalten. Ich war erstmal zufrieden, dass das so geklappt hat, dass der Staat sich um seine Künstler kümmert. Das Problem war dann, dass ich im folgenden Jahr das ganze Geld zurückzahlen musste. Weil sozusagen in einem Nebensatz dieser Anträge drin stand, dass das Hilfsgeld nur für die Deckung der Betriebskosten eingesetzt werden darf. Jetzt ist es natürlich so, dass selbständige Künstler wie ich keine Betriebskosten haben. Wir spielen, haben unsere Gigs, fahren dafür irgendwohin, wir unterrichten und haben dafür unsere Räumlichkeiten, wofür wir ein paar Euro Miete bezahlen. Aber wir haben keine laufenden (Betriebs-) Kosten, wie zum Beispiel andere Unternehmer. Als ich mich dann also ein Jahr später wegen der ganzen Hilfen rechtfertigen musste, wurde schnell klar, dass ich nicht anspruchsberechtigt bin. So musste ich alles wieder zurückzahlen. Das waren rund 6.000 Euro.

SWR Aktuell: Was haben Sie dann gemacht?

Sven Wittmann: Ich habe einen medizinischen Background, bin gelernter Krankenpfleger. Als die Corona-Impfkampagne anfing, bin ich da eingesteigen und war sowohl im Heidelberger Patrick-Henry-Village (zeitweise war dort ein Impfzentrum eingerichtet), als auch in mobilen Impfteams im Einsatz. So konnte ich wieder ein bisschen Geld rein holen.

SWR Aktuell: Wie war das für Sie? - Ein Gitarrist, der plötzlich Menschen gegen das Corona-Virus impft...?

Sven Wittmann: Es war wichtig für mich. Das war genau zu der Zeit, als der zweite Lockdown angefangen hat, wo ich schon wieder dieses "schwarze Loch" vor mir gesehen habe, weil man nicht wusste: Wo geht es hin? Und als die Impfzentren aufgebaut wurden, wurde da natürlich Personal gesucht. Ich habe die Qualifikation und war dann natürlich froh, dort unterzukommen und in meinem "alten" Beruf tätig zu sein. Natürlich bekam ich da auch Kontakt zu vielen Menschen, die ein ähnliches Dilemma hatten wie ich, die also ihren eigentlichen Beruf nicht mehr ausüben konnten.

SWR Aktuell: Wie ging es Ihnen psychisch, beziehungsweise seelisch? Es gab ja auch Künstler, die zu dieser Zeit in Depression verfielen...

Sven Wittmann: Kann ich nachvollziehen. Es ist nicht schön, wenn man nicht darf. Wir machen das ja alle nicht nur für das Publikum, sondern auch für uns, wir offenbaren (auf der Bühne) auch unsere Seele. Wir wollen nicht nur, dass das Publikum sich gut fühlt, sondern auch, dass wir uns wohlfühlen. Und wenn das plötzlich unterbunden wird, dann fehlt was. Dann kommt eben diese "schwarze Loch".

SWR Aktuell: Wie geht es Ihnen heute? Alles wieder normal, wie vor der Pandemie?

Sven Wittmann: Naja, normal ist anders. Aber ich lebe weiterhin von meiner künstlerischen Tätigkeit. Ich unterrichte auch weiterhin. Ich habe auch wieder Gigs - zwar nicht mehr so massiv wie vorher, aber es sind schöne Gigs. Ich freue mich drauf. Mal schauen, was passiert.

SWR Aktuell: Welche Lehren haben Sie für sich aus der Pandemiezeit gezogen?

Sven Wittmann: Es geht immer weiter. Das ist eigentlich so die Haupt-Lehre. Also: Auch wenn es noch so trüb oder noch so schlimm scheint: Es gibt immer einen Weg. Man muss ihn nur beschreiten.

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