Dr. Anne Kühn, stellv. Leiterin des Gesundheitsamts (Foto: Pressestelle, Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis)

Interview mit Anne Kühn vom Gesundheitsamt Heidelberg

Corona-Hotline und Impfzentren: Aus im Rhein-Neckar-Kreis und Heidelberg

Stand
AUTOR/IN
Wolfgang Kessel
Wolfgang Kessel, Redakteur beim SWR in Mannheim (Foto: SWR, Wolfgang Kessel)

Die Corona-Info-Hotline des Gesundheitsamts des Rhein-Neckar-Kreises wird am Freitag eingestellt. Gleiches gilt für die Impfzentren. Jetzt zieht die Behörde Bilanz.

Anne Kühn ist die stellvertretende Leiterin des Gesundheitsamts des Rhein-Neckar-Kreises in Heidelberg. Nach fast drei Jahren wird die Corona-Info-Hotline des Landkreises am Freitag (30. Dezember 2022) eingestellt. Bis dahin stellen auch die Corona-Impfzentren beziehungsweise Impfstützpunkte in Sinsheim, Eberbach (Rhein-Neckar-Kreis) und Heidelberg ihren Betrieb ein.

SWR Aktuell: Wie wichtig waren diese Impfstützpunkte und Impfzentren mit Blick auf den Pandemie-Verlauf?

Anne Kühn: Wir ziehen insgesamt eine sehr positive Bilanz für die Impfzentren. Gerade in der Hochphase der Pandemie am Anfang, als zum ersten Mal Impfstoff verfügbar war, oder auch als es dann im zweiten Pandemie-Winter mit Impfung wieder zu einem Anstieg der Infektionszahlen kam, war es extrem wichtig, dass man über die Impfzentren sehr schnell sehr viele Menschen impfen konnte, weil wir andere Abläufe als eine Arztpraxis haben. Die Praxen haben andere Vorteile, die jetzt überwiegen. Aber bis dahin war es enorm wichtig, dass es Einrichtungen wie die Impfzentren gab. Wichtig ist dabei auch, dass wir neben den Impfzentren ja auch noch die sogenannten mobilen Impfteams im Einsatz hatten. Die haben die Pflegeheime besucht, in denen die Bewohnerinnen und Bewohner einfach nicht mal eben ins Impfzentrum fahren können. Auch das ist enorm wichtig gewesen, um ganz schnell den Impfschutz dorthin zu bringen, wo er am dringendsten gebraucht wird.

SWR Aktuell: Welche Lehren ziehen Sie denn mit Blick auf die Organisation dieser Impfstützpunkte? Das war ja auch mit reichlich Aufwand verbunden - materiell, aber auch personell...

Kühn: Was wir gelernt haben, ist, dass wir sehr viel leisten können in sehr kurzer Zeit. Aber auch, dass das natürlich eine enorme Herausforderung ist, wenn man schnell qualifiziertes Personal braucht. Impfen kann ja nicht jeder. Man braucht medizinisches Personal, das gefunden und in die Strukturen eingebracht werden muss. Zusätzlich braucht man Örtlichkeiten, die groß genug sind. Da hat es uns sehr geholfen, dass wir im Rahmen unserer Pandemieplanung einen guten Überblick über mögliche Örtlichkeiten hatten, auf die wir zurückgreifen konnten.

Ende der Corona-Hotline: "Genau der richtige Zeitpunkt"

SWR Aktuell: Am 27. Januar 2020 hat das Gesundheitsamt des Rhein-Neckar-Kreises eine Corona-Info-Hotline eingerichtet. Seitdem gingen dort laut Ihrer Behörde rund 220.000 Anrufe ein. Am Freitag (30. Dezember) ist damit Schluss. Was sagt Ihr Gefühl: Genau der richtige Zeitpunkt? Oder vielleicht doch zu früh?

Kühn: Nein, genau der richtige Zeitpunkt. Wir sehen, dass die Informationen zu Corona in der Bevölkerung gut angekommen sind und dass die Fragen, die wir über die Corona-Hotline bekommen haben, eigentlich hauptsächlich noch von den Leuten kamen, die einen Impftermin bei uns haben wollten. Diese Menschen kamen aber mit unserem "Online-Terminbuchungs-Tool" nicht so zurecht, die wollten lieber mit jemandem direkt sprechen. Und dadurch, dass das Impfen (in den Impfzentren) jetzt wegfällt, entfällt damit auch der größte Teil der Fragen der Anrufer. Wir haben jetzt noch einen "CovBot" geschaltet, der gerade bei Fragen wie: "Wie ist das jetzt mit der Isolationspflicht?" oder Ähnlichem aktuell Auskunft geben kann. Das heißt: Ganz ohne Information sind die Menschen ab jetzt nicht.

SWR Aktuell: "CovBot" - Können Sie das bitte kurz erklären?

Kühn: Ja, das ist ein sprachgesteuerter Roboter, der auf die Fragen reagiert. Der hat von uns Texte vorgegeben bekommen. Zu den Standard-Fragen "Was mache ich mit einem positiven Schnelltest?", "Wo bekomme ich mein Impf-Zertifikat?" kann er Ihnen Auskunft geben. Wenn Ihre Frage nicht hinreichend beantwortet wurde, kann er Ihnen zumindest sagen, wo Sie nachschauen können. Zum Beispiel auf unserer Website oder auf der Website des Sozialministeriums.

Je höher die Infektionszahlen, desto mehr Anrufer bei Hotline

SWR Aktuell: Zurück zur Bilanz der Corona-Info-Hotline: Diese 220.000 Info-Telefon-Anrufer - wie haben die sich mengenmäßig seit Anfang 2020 verteilt?

Kühn: Es war auf jeden Fall ein Verlauf in Wellen. Immer dann, wenn sich große Veränderungen im Infektionsgeschehen ergeben haben, haben wir auch große Veränderungen in den Anruf-Zahlen gesehen. Tatsächlich waren es am Anfang sehr Viele: "Bin ich eine Risikoperson? Ich war im Urlaub - wo bekomme ich einen Test? Was muss ich überhaupt machen?". Dann wurde es über den Sommer etwas weniger. Anschließend wieder mehr, als die Infektionszahlen wieder stiegen. Dann ging es um die Fragen: "Wo bekomme ich einen Impfstoff? Wer hat ein Anrecht auf einen Impfstoff?". Später: "Wo kann ich mich testen lassen?". Und immer auch diese Frage: "Ich glaube, ich bin positiv - was muss ich machen?". Es ist allerdings deutlich absehbar gewesen, dass spätestens seit März die Anruf-Zahlen immer weiter zurückgegangen sind. Insofern konnten wir die Sprechzeiten der Corona-Hotline von zeitweise zwölf Stunden am Tag (an allen sieben Tagen in der Woche), auf dann nur noch vormittags (an fünf Tagen in der Woche) zurückfahren.

SWR Aktuell: Wie viele Menschen haben im Gesundheitsamt Rhein-Neckar die Info-Hotline betreut?

Kühn: Das war sehr wechselhaft. Das kann ich auch gar nicht genau sagen, weil wir gerade am Anfang der Pandemie, einfach sehr viele Mitarbeitende des Gesundheitsamts da eingesetzt haben.

Ein Soldat der Bundeswehr unterstützt das Gesundheitsamt bei der Corona-Kontaktnachverfolgung (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance/dpa | Philipp Schulze)
Ein Bundeswehrsoldat im Corona-Hotline-Einsatz in einem Gesundheitsamt (Archivbild)

SWR Aktuell: Die Bundeswehr war ja zeitweise auch mit dabei...

Kühn: Genau. Im zweiten Corona-Jahr kam dann auch die Bundeswehr, die einen Teil der Hotline mitbetreut hat. Das heißt, wir hatten zwischen 50 und fünf Personen, die die Corona-Hotline betreut haben.

Anrufer der Hotline konnten ihr Leid schildern

SWR Aktuell: Gab es Anliegen oder Fragen der Anrufer, von denen Sie und ihr Team total überrascht waren?

Kühn: Also, es gibt und gab tatsächlich Fragen und Konstellationen, auf die man nicht kommt. Aber was uns, glaube ich, am meisten als Team beschäftigt hat, das waren die persönlichen Schicksale der Anrufer, die zum Beispiel in Quarantäne waren und nicht wussten, wo sie jetzt was zu Essen bekommen sollten. Oder bei denen es um andere Dinge ging. Da ging es oft gar nicht so sehr um Informationen, sondern darum, dass einfach mal jemand zuhört. Dass Anrufer ihr Leid schildern konnten und dass dann jemand da ist, der das annimmt und wertschätzt. Da war auch ganz viel Fingerspitzengefühl vom Team gefragt, die Menschen entsprechend zu betreuen.

SWR Aktuell: Was hat Sie diese Zeit gelehrt, was nehmen Sie mit aus dieser Corona-Info-Hotline-Zeit?

Kühn: Dass es extrem wichtig ist, dass man mit den Menschen spricht und sie dort abholt, wo sie sind. Bei vielen Fragen dachte man ja: "Naja, das müsste doch inzwischen eigentlich wirklich jeder wissen...." - ist aber eben nicht so. Nicht jeder hat Zugang zu bestimmten Medien, zu Informationen. Manchmal braucht man einfach jemanden, der einem das Ganze erklärt, und wo man die Gelegenheit hat, auch nochmal nachzufragen. Gerade wenn es um die Sinnhaftigkeit von Schutzmaßnahmen geht. Oder: "Muss ich meine Lebensmittel desinfizieren?", "Ist es wichtig, dass ich eine Maske trage, wenn ich einkaufen gehe?". Es ging um eine verlässliche Information aus einer verlässlichen Quelle. Da war es einfach extrem gut, dass wir den Leuten eine Möglichkeit anbieten und sagen konnten: "Hör zu, hier kannst Du anrufen, hier bekommst Du tatsächlich die aktuellen Informationen zu den aktuellen Verordnungen und zum aktuellen Stand der Wissenschaft."

Mehr zum Thema Corona in Rhein-Neckar-Region

Heidelberg

Heidelberger Virologe im Interview Kräusslich: "Grippe könnte im Winter größeres Problem werden als Corona"

Die Corona-Lage in den Kliniken ist entspannt. Das bestätigte der Heidelberger Chef-Virologe Hans-Georg Kräusslich im SWR-Interview. Sorgen macht ihm eher die drohende Grippewelle.

SWR4 BW aus dem Studio Mannheim SWR4 BW aus dem Studio Mannheim

Rheinland-Pfalz

Land wollte Kosten nicht alleine tragen Auch die letzten Corona-Impfzentren in RLP jetzt zu

In Rheinland-Pfalz haben in dieser Woche die letzten von insgesamt 23 Zentren für Corona-Impfungen ihre Türen geschlossen. Das Land will Geld sparen und sieht kaum noch Bedarf.

SWR Aktuell Rheinland-Pfalz SWR Fernsehen RP