Sie wollen die Luft sauberer halten, die Anzahl der Autofahrten reduzieren und gleichzeitig ihre Innenstädte beleben: Nur wenige Gemeinden in Deutschland versuchen es bislang, dieses Ziel mit einem kostenlosen Nahverkehr zu erreichen. Bundesweite Vorreiter waren vor zwei Jahren Augsburg in Bayern und Monheim in Nordrhein-Westfalen.
Busfahren zum Nulltarif
Jetzt wagen zwei Kommunen aus der Region diesen verkehrspolitischen Schritt. Sie bieten ab dem 1. Januar allen Bürgern und Besuchern Busfahrten zum Nulltarif an. Eine Tarifreform des Verkehrsverbundes Rhein-Neckar (rnv) macht es möglich. Die Preisstufen 0 bis 2 werden dabei zu "Orts- und Stadttarifen" zusammengeführt.
In St. Leon-Rot sparen Fahrgäste maximal 1,70 Euro pro Fahrt. Ein Ausbau der Anzeigetafeln mit Angaben zu den nächsten Fahrmöglichkeiten in Echtzeit soll die Schwelle zum Einstieg in den Nahverkehr reduzieren.
Viele Menschen wollen das Auto öfter stehen lassen
Bei vielen stößt das Versuchs-Projekt schon vorab auf große Zustimmung. Das Auto häufiger stehen zu lassen und stattdessen für Einkäufe, Besuche oder die Fahrt ins Schwimmbad ein Gratisticket am Automaten zu ziehen - ein willkommene Vorstellung. Auch für Menschen aus den Nachbargemeiden.
"Mal eben zur Bank, mal eben zum Bäcker - es sind ja insbesondere diese kleinen Stadtfahrten, die stressig und ziemlich CO2-lastig sind."
2018 hat die SPD-Fraktion in Walldorf den offiziellen Antrag für kostenlose Busfahrten im Gemeinderat gestellt. Im Juli dieses Jahres wurde das Projekt dann von dem Gremium einstimmig beschlossen. Zwei Jahre lang will die Verwaltung die Initiative testen. Zunächst für Fahrten innerhalb der City, so die Gemeindeverwaltung. Aber auch der etwas außerhalb liegende Bahnhof in Walldorf könne gratis angesteuert werden.
Fahrten über Stadtgrenzen hinaus bleiben kostenpflichtig
Fahrgäste mit Zielen außerhalb der Stadtgrenzen müssten allerdings weiterhin für ihr rnv-Ticket zahlen. Busfahrten in die umliegenden Städte und Gemeinden bleiben also gebührenpflichtig. Langfristig plant der Walldorfer Bürgermeister Matthias Rentschler (FDP) auch nach Wiesloch oder Nußloch Gratis-Verbindungen zu etablieren.
Kosten: Bis zu 70.000 Euro im Jahr
In Walldorf könnte das neue Angebot den Haushalt mit bis zu 70.000 Euro belasten. Die prognostizierte Summe geht aus einer Fahrgast-Analyse der Verkehrsbetriebe hervor. Als Kommune mit einem hohen Gewerbesteueraufkommen könne sich Walldorf das leisten, so Bürgermeister Rentschler. Auf der Gemarkung hat der Softwaredienstleister SAP seinen Unternehmenssitz. In St. Leon-Rot hingegen rechnet Amtskollege Alexander Eger (FDP) mit etwa 20.000 Euro an zusätzlichen Kosten.
"Ich hoffe, dass die Bürger das Angebot fleißig nutzen."
Landesweit ähnliche Projekte
Auch in anderen Städten im Südwesten gibt es Versuche, mit zeitlich begrenzten Angeboten, Bürger für den öffentlichen Nahverkehr zu gewinnen. So experimentiert die Landeshauptstadt Stuttgart mit Gratisfahrten an Wochenenden, nachdem der Nahverkehr in der Stadt wegen der Pandemie zuletzt deutlich an Beliebtheit verloren hatte. Tübingen bietet an Samstagen ein kostenloses Busangebot, genauso wie Ulm und Neu-Ulm. Hier konnten Fahrgäste seit April 2019 zum Nulltarif Busse und Straßenbahnen nutzen. Diese Regelung wird im neuen Jahr allerdings wieder rückgängig gemacht.