Am 8. Mai 1945 trat die bedingungslose Kapitulation Deutschlands in Kraft, deshalb ist dieses Datum das offizielle Ende des Zweiten Weltkriegs. Tatsächlich war der Krieg nicht überall am selben Tag vorbei. In der Rhein-Neckar-Region zogen die US-Truppen schon Ende März als Sieger in die Städte und Kommunen ein. Die ersten Wochen und Monate waren von einem Wechselbad der Gefühle geprägt. Daran erinnern derzeit unter anderem Ausstellungen, Vorträge und Gesprächsrunden in der Region.





Zusammenleben nach 1945: "Die Verhältnisse waren komplex"
Das Mannheimer Stadtbild war von Ruinen bestimmt, in Heidelberg zerstörten die Nazis am Kriegsende selbst noch die Brücken und in vielen Kommunen in der Rhein-Neckar-Region waren Häuser zerbombt. Was der Krieg neben der äußeren Zerstörung zurückließ, war eine innerlich versehrte Gesellschaft und eine schwierige soziale Gemengelage: Überzeugte Nazis und Mitläufer, Flüchtlinge aus den damaligen Ostgebieten und ehemalige Zwangsarbeiter, Kinder, Kriegsheimkehrer, amerikanische Besatzungssoldaten und viele mehr - sie alle lebten unter schwierigen Bedingungen zusammen.
Die Ausstellung "1945: Heidelberg - Alles verloren?" im Foyer der Neuen Universität in Heidelberg geht der Frage nach, wie dieses Zusammenleben wohl ausgesehen haben mag. Einer der beteiligten Wissenschaftler beschreibt die Situation folgendermaßen:
Die Verhältnisse waren äußerst komplex und nicht frei von Spannungen.
In Heidelberg geben Fotografien, ein 15-minütiger Film mit Archivmaterial des US-Militärs und viele Texte einen Einblick, wie vorsichtig und teilweise misstrauisch die Begegnungen waren, wie schwierig die Versorgungslage für die Bevölkerung war, aber auch wie schnell sich auch wieder eine Art Normalität eingestellt hat - mit Kinobesuchen und Konzerten.

Misstrauen und Zurückhaltung gegenüber dem US-Militär
Von der Begeisterung für die amerikanische Lebensart, die aus heutiger Sicht oft mit der Nachkriegszeit verbunden wird, war unmittelbar nach 1945 eher wenig zu spüren. Egal ob in Heidelberg oder Mannheim, wo zahlreiche US-Militärs fest stationiert wurden. Den US-Soldaten war es untersagt, in engen Kontakt mit den Deutschen zu treten, es gab ein sogenanntes Fraternisierungsverbot. Und obwohl in der Bevölkerung Erleichterung darüber herrschte, dass die Zeit der Bombenangriffe vorbei war, herrschte teilweise eine große Zurückhaltung gegenüber den Amerikanern. Das US-Militär organisierte einerseits den Wiederaufbau, kontrollierte aber anderseits den Alltag und hatte Sperrzeiten verhängt.
Der Heidelberger Gerhard Eckert, der kurz vor Kriegsende geboren wurde und dessen Vater im Krieg gefallen war, erinnert sich daran, dass er mit seiner Mutter am Thermalbad vorbeiging und ihm ein US-Soldat ein Kaugummi anbot.
Und meine Mutter untersagte mir, den Kaugummi anzunehmen. Weil das ein Amerikaner war, ein Feind.




Wie sich das deutsch-amerikanische Verhältnis entwickelt hat und wie der Blick auf die Zeit unmittelbar nach Krieg aus heutiger Zeit aus Sicht der Wissenschaft ist, das erfährt man beispielsweise bei einer Ringvorlesung der Universität Heidelberg oder in einem Vortrag am Mannheimer Marchivum. In Mannheim gibt es außerdem eine vielseitige Veranstaltungsreihe zum Thema 80 Jahre Kriegsende.
Kriegsende in der Region: Von Ort zu Ort unterschiedlich dramatisch
Die Panzer des US-Militärs waren am Kriegsende in der ganzen Region unterwegs. Zum Beispiel auch in der Kraichgau-Gemeinde Mühlhausen-Tairnbach (Rhein-Neckar-Kreis). Dort hatten deutsche Soldaten bis zum Schluss versucht, sich gegen das US-Militär zu verteidigen. In Eppelheim (Rhein-Neckar-Kreis) hatte ein Mitglied der kommunistischen Partei einen Tag vor der Besetzung versucht, eine Weiße Fahne aufs Rathausdach zu hängen und war dabei erschossen worden. Insgesamt sei es von Ort zu Ort unterschiedlich dramatisch zugegangen, so der Heidelberger Historiker Frank Engehausen.

Wiederaufbau in den Kommunen: "Alle agierten ein bisschen auf Verdacht"
Egal ob in der Stadt oder kleineren Kommunen auf dem Land - in der Zeit nach 1945 ging es darum, neue Strukturen aufzubauen. Da viele Verantwortliche in den Verwaltungen und Institutionen belastet waren und auf Entnazifizierungslisten landeten, musste neues Personal her. In den meisten Orten habe man mit einem gewissen Durcheinander zurechtkommen müssen, so der Heidelberger Historiker Frank Engehausen.
Alle agierten so ein bisschen auf Verdacht und guckten mal, was passiert.
Der Wiederaufbau der Strukturen sei dabei nicht nur von dem Verhältnis zwischen Nazis und Nichtnazis geprägt gewesen und davon, wie schnell einzelne Akteure entnazifiziert worden seien. Je nach Kommune hätten auch schnell wieder alte Konflikte und politisches Lagerdenken Einfluss gehabt.

Sozialpolitikerin Marie Baum über 1945: "Was für ein seltsames Jahr."
Dass der 8. Mai 1945 als Tag der Befreiung bezeichnet wird, geht auf eine Rede des verstorbenen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker (CDU) zurück, die er zum 40. Jahrestag der bedingungslosen Kapitulation 1985 gehalten hat. Unmittelbar nach dem Ende von zwölf Jahren Diktatur und sechs Jahren Krieg war der positive Blick auf den Sieg der Alliierten eher noch ungewöhnlich. Auch in der Rhein-Neckar-Region wirkte die Nazi-Ideologie noch in vielen Köpfen fort und die Menschen mussten mit Verlusten und materieller Not fertig werden. "Was für ein seltsames Jahr" - so wird die Heidelberger Sozialpolitikerin Marie Baum zitiert, in der Ausstellung zum Kriegsende in der Heidelberger Universität.