Die Luft in Städten in Baden-Württemberg ist im vergangenen Jahr 2021 sauberer geworden. Das hat die vorläufige Jahresauswertung der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) ergeben. Die Belastung mit Stickstoffdioxid (NO2) und Feinstaub ging laut vorläufiger Jahresauswertung weiter zurück. Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) sagte: "Im vergangenen Jahr sind die Stickstoffdioxid-Konzentrationen auch an den verbliebenen Hotspots in Stuttgart unter den Grenzwert gesunken. Das ist ein Erfolg langjähriger und konsequenter nachhaltiger Verkehrspolitik."
Hermann: Umstieg auf Bus, Bahn und Fahrrad entscheidend
Es seien viele Maßnahmen gemeinsam mit betroffenen Städten auf den Weg gebracht worden, so Hermann weiter. "Zum Erfolg der Luftreinhaltung haben all diejenigen entscheidend beigetragen, die auf Bus, Bahn und Fahrrad umgestiegen sind, genauso wie diejenigen, die zu Fuß gegangen sind und auf Fahrten mit dem Auto verzichtet haben." Auch der Modernisierungsprozess zu neuen schadstoffärmeren Fahrzeugen habe dazu beigetragen. Insbesondere die partiellen Verkehrsverbote für ältere Dieselfahrzeuge ohne moderne, funktionierende Abgasreinigung, hätten die Erneuerung der Fahrzeugflotte vorangetrieben.

Aufatmen auch in Stuttgart
In Stuttgart wurde 2021 mit Jahresmittelwerten für Stickstoffdioxid (NO2) von 39 und 38 Mikrogramm pro Kubikmeter auch an den verbliebenen Straßenabschnitten Pragstraße und Talstraße der Grenzwert eingehalten. Der NO2-Grenzwert beträgt 40 Mikrogramm pro Kubikmeter im Jahresmittel. Im Jahr 2020 war dieser in den beiden Stuttgarter Straßen noch leicht überschritten worden. Da der Grenzwert nur knapp eingehalten wurde, seien alle ergriffenen Maßnahmen zur Reduktion der Stickstoffdioxid-Konzentrationen, auch die Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge, weiterhin notwendig, teilte das Verkehrsministerium am Mittwoch mit.

Laut LUBW Präsidentin Eva Bell ist auch in anderen Orten in Baden-Württemberg eine bessere Luftqualität zu verzeichnen gewesen: "An den bisher hochbelasteten Bereichen in Freiburg, Reutlingen, Mannheim und Heilbronn sind die Konzentrationen von Stickstoffdioxid im vergangenen Jahr weiter zurückgegangen und liegen nun deutlich unter dem Grenzwert. Auch das zeigt: Die ergriffenen Maßnahmen wirken."
BUND bremst die Freude des Verkehrsministeriums
Etwas vorsichtiger formuliert es hingegen der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) Baden-Württemberg. Die Zahlen müsse man mit Vorsicht genießen, erklärte die Landesvorsitzende Sylvia Pilarsky-Grosch gegenüber dem SWR. Auch die Corona-Pandemie habe das Verkehrsverhalten beeinflusst. "Viele Menschen sind 2021 wegen Corona gar nicht erst ins Auto gestiegen, sondern sind im Homeoffice geblieben." Das habe nichts mit dem Umstieg auf alternative Verkehrsmittel zu tun, so Pilarsky-Grosch. Grundsätzlich freue man sich aber über die niedrigeren Werte und begrüße auch die Maßnahmen des Verkehrsministeriums. "Aber solange der Straßenausbau in Baden-Württemberg weiter so vorangetrieben wird, werden wir nicht die Luftqualität bekommen, die wir brauchen."
Kritik von FDP, CDU fordert Überprüfung der Maßnahmen
Die FDP hingegen fordert, dass die Maßnahmen schneller wieder zurückgenommen werden. "Ob die Verbotsaktionen wirklich eine maßgebliche Rolle bei der Luftverbesserung spielen, halte ich übrigens keineswegs für erwiesen", so der FDP-Landtagsabgeordnete Friedrich Haag gegenüber dem SWR. "Meiner Ansicht nach sind der technische Fortschritt bei der Abgasnachbehandlung sowie eine Vielzahl von Maßnahmen - wie beispielsweise die Aufstellung der Luftfiltersäulen - und die natürliche Flottenerneuerung ausschlaggebend."
Der CDU-Landtagsabgeordneter Thomas Dörflinger betonte gegenüber dem SWR, dass die bessere Luft in Baden-Württemberg eine gute Nachricht ist. "Die gemeinsamen Anstrengungen der letzten Jahre für saubere Luft in den baden-württembergischen Städten haben Früchte getragen." Dazu gehörten auch die von der CDU geforderten Filtersäulen, so Dörflinger. Das bedeute allerdings, dass alle gegenwärtig geltenden einschränkenden Maßnahmen zur Luftreinhaltung nun auf den Prüfstand gestellt werden müssten.
Weiterhin zu hohe Mittelwerte in Ludwigsburg
Am einzigen verbleibenden Hotspot im Land, der Schlossstraße in Ludwigsburg, konnte die Stickstoffdioxid-Konzentration auf 44 Mikrogramm pro Kubikmeter gesenkt werden. Das sind vier Mikrogramm mehr als erlaubt. Minister Hermann erklärte dazu: "Die Maßnahmen von Stadt und Land kamen nicht schnell genug. Seit Mitte 2021 gibt es dort Luftfiltersäulen und 2022 wird die Menge des Autoverkehrs gedrosselt - auch mit Hilfe der Ampelanlagen entlang der B27. Damit wird auch in Ludwigsburg das Ziel erreicht und die Grenzwerte eingehalten werden." Entsprechend der rechtlichen Vorgaben erarbeitet das Regierungspräsidium Stuttgart einen Luftreinhalteplan, der fortgeschriebenen wird.

Regelung für Feinstaubalarm in Stuttgart soll entfallen
Beim Feinstaub PM10 (Feinstaub, deren aerodynamischer Durchmesser weniger als 10 Mikrometer beträgt) werden die Grenzwerte schon seit 2018 im ganzen Land eingehalten. Auch 2021 haben die Belastungen durch Feinstaub PM10 weiter abgenommen. Laut Verkehrsministerium sind aufgrund der deutlichen Unterschreitung der Grenzwerte Maßnahmen, die ausschließlich der Reduktion der Feinstaubbelastungen dienen, nicht mehr erforderlich. So werde die für Stuttgart geltende "Luftqualitätsverordnung Kleinfeuerungsanlagen" - und damit zum Beispiel das Verbot von Kaminfeuer - am 15. April 2022 augesetzt werden. Mit der Regelung wurde in der Landeshauptstadt bisher der Feinstaubalarm ausgerufen.