Ökonomen sehen Gefahren

BW-Landwirte und Experten warnen vor 15 Euro Mindestlohn

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Von Autor/in Julian Gräfe

Bis Juni muss die Mindestlohnkommission über die neue Lohnuntergrenze entscheiden. Laut Koalitionsvertrag sind 15 Euro pro Stunde in 2026 "erreichbar" - aber daran gibt es Kritik.

15 Euro pro Stunde - für jeden, mindestens und gesetzlich festgelegt. Das fordern auch viele Gewerkschaften. Im EU-Vergleich hätte Deutschland damit den zweithöchsten Mindestlohn. Experten sehen das kritisch. Und auch den Landwirten im Land graut davor.

Landwirte fürchten um Konkurrenzfähigkeit

Zu ihnen gehört Ewald Glaser, er ist Landwirt in Ottersweier bei Baden-Baden. Er fürchtet: Mit 15 Euro pro Stunde ist er nicht mehr konkurrenzfähig. Schon jetzt baut Ewald Glaser auf manchen Äckern und Hängen keine Kürbisse oder Weinreben mehr an - zu personalintensiv, zu teuer. Vor allem im europäischen Vergleich fürchtet Glaser um die Konkurrenzfähigkeit der heimischen Landwirtschaft.

Wenn die 15 Euro Mindestlohn kommen und die Löhne in unseren Nachbarländern auf dem derzeitigen Niveau bleiben, dann verlieren wir zwangsläufig an Wettbewerbsfähigkeit. Das heißt, die Importe werden zunehmen, das heißt, weniger Vielfalt und letztendlich auch weniger Betriebe.

Auch Landesbauernverband warnt vor Mindestlohn-Erhöhung

Ähnlich sieht das der Landesbauernverband Baden-Württemberg. Höhere Löhne bedeuteten höhere Preise für die Produkte, sagt Hans-Benno Wichert, Vizepräsident des Verbandes. "Nehmen wir unsere Bodensee-Äpfel: Die konkurrieren zum Beispiel mit den guten Äpfeln aus Polen. Dort liegt der Mindestlohn bei rund 7 Euro, bei uns wären wir dann bei 14, 15 Euro. Da werden wir nicht mithalten können", so Wichert.

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Die Landwirtinnen und Landwirte in Baden-Württemberg müssen teilweise herbe finanzielle Verluste verkraften. Nur einzelne Sparten können ihre Unternehmensergebnisse steigern.

Ökonomen: Auch Handwerk würde höheren Mindestlohn spüren

Nicht nur bei den Landwirten im Land, auch bei handwerklichen Betrieben werden die Preise steigen, befürchten Ökonomen. Clemens Fuest, Präsident des Ifo-Instituts, meint: "Davon werden Sektoren wie Gebäudereiniger, Friseurhandwerk oder Bäcker betroffen sein. Die haben eher lokale Kunden und wenn die alle einen höheren Mindestlohn zahlen, dann steigen die Preise der Güter, die sie anbieten. Das führt in der Tat zu Inflation."

Setzt Mindestlohn-Erhöhung die Wirtschaft unter Druck?

Seit 2015 ist der Mindestlohn um gut 50 Prozent gestiegen. Der Tariflohn im Groß- und Außenhandel dagegen nur um knapp 37 Prozent. Würde der Mindestlohn nun auf 15 Euro erhöht, wäre das insgesamt ein Anstieg von 76 Prozent - fast 40 Prozentpunkte mehr als der Tariflohn. Deshalb warnen auch Arbeitsmarktforscher: Eine Mindestlohn-Erhöhung würde die Tarifautonomie gefährden und die Wirtschaft unter Druck setzen. Eduard Brüll vom Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim warnt vor einer möglichen Gefahr für die wirtschaftliche Entwicklung.


Eine stärkere Mindestlohnerhöhung wäre in der Boomphase wahrscheinlich kein Problem. Allerdings in der aktuellen wirtschaftlichen Lage mit dem sehr unsicheren Konjunkturumfeld ist das eventuell gefährlich.

Gerade bei den Dienstleistungsbetrieben, die am unteren Rand der Lohnverteilung einstellen, sei der Spielraum schon stark eingeschränkt, so Brüll.

Wieso eigentlich ein Mindestlohn von 15 Euro?

Eine EU-Richtlinie empfiehlt, dass sich der Mindestlohn am sogenannten Medianlohn orientieren soll. Das sind 60 Prozent des Durchschnittseinkommens in einem Land. Laut Statistischem Bundesamt lag die durchschnittliche Bruttoverdienststunde in Deutschland im vergangenen Jahr bei 23,49 Euro. 60 Prozent davon sind 14,09 Euro, also eigentlich noch deutlich unter 15 Euro. Die geforderte Erhöhung verwundert deshalb die Experten.


"Das erscheint mir jetzt nicht direkt aus einer sinnvollen Berechnung zu kommen. Hinter den 15 Euro stehen starke Erwartungen für Tariflöhne, wenn man tatsächlich das EU-Kriterium von 60 Prozent des Medianlohns treffen will."


Eigentlich soll laut Gesetz die sogenannte Mindestlohn-Kommission die Höhe des Mindestlohns festlegen. In ihr sitzen Vertreterinnen und Vertreter von Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Die Entscheidung steht im Juni an.

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