Auf Antrag der FDP hat der baden-württembergische Landtag am Donnerstag die Laufzeitverlängerung der letzten drei verbliebenen AKW in Deutschland diskutiert. Eine Entscheidung, die nicht in Baden-Württemberg fällt und gleichzeitig eine Debatte, die zeigt, wo die politischen Linien im Land verlaufen.
Parteien uneins bei Laufzeitverlängerung für AKW
Ein Riss geht durch den Landtag, zumindest was die Zustimmung zum Thema Laufzeitverlängerung angeht. Grüne und SPD im Bund und im Land sind für eine Laufzeitverlängerung nur bis zum kommenden Frühjahr. Eine Verlängerung darüber hinaus kann sich die CDU gut vorstellen, die FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke würde möglichst bis 2026 verlängern: "Es ist notwendig, diese Kernkraftwerke, zumindest die drei, die im Moment noch am Netz sind, längerfristig laufen zu lassen. Dazu brauchen wir auch neue Brennelemente. Das muss mindestens bis 2024 gehen, möglichst aber bis 2026, damit wir sicher durch diese Energiekrise kommen, zu einem bezahlbaren Preis." Rülke, der auch Präsidiumsmitglied der FDP im Bund ist, geht damit über die Forderung seiner Partei in der Ampel-Bundesregierung hinaus.
Kritik an FDP-Slogan "Mit Kernkraft durch Krieg und Krise"
Widerspruch kommt von Niklas Nüssle, der Grüne ärgert sich auch über die Überschrift, die die FDP für die Debatte gewählt hat: "Mit Kernkraft durch Krieg und Krise". "Atomkraft und Krieg in einen Satz zu packen - und dann auch noch rein wörtlich die Atomkraft als Lösung darzustellen. Sorry, aber geht's noch?", so Nüssle.
Klare Kante zum Thema Laufzeitverlängerung auch von der SPD. Gabi Roland, vom Wahlkreis Freiburg II, erinnert an die Proteste in den 70ern: "Nai hämmer gsait, vor über 50 Jahren am Kaiserstuhl, weil das Wesentliche im Vordergrund stand: Schutz der Bevölkerung, Erhalt der landwirtschaftlichen Produktion des Weinbaus und Erhalt der Schöpfung. Und weil es bewusst war, dass es ein Risiko gibt, durch diese Technologie der Atomkraft."
CDU sieht Atomkraft entspannt
Es klatschen konsequent nur SPD und Grüne, seitens der CDU gibt es keinen Beifall. Die CDU ist nicht nur im Bund, wo sie in der Opposition sitzt, für eine Laufzeitverlängerung, auch in Baden-Württemberg sieht es die Regierungspartei entspannt mit der Atomkraft. "Die CDU-Fraktion im Landtag war die erste, die im März mal darauf hingewiesen hat, dass das Abschalten von Neckarwestheim nichts anderes als das Verbrennen von Kohle sein wird. Wenn wir so weitermachen, ruinieren wir uns in dieser Energiefrage an mehreren Stellen. Und deswegen können wir jetzt noch lange politisch darüber diskutieren. Neckarwestheim wird am Netz bleiben, da beißt die Maus keinen Faden ab", so der CDU-Abegeordnete Raimund Haser aus dem Wahlkreis Wangen.
Umwelt-und Energieministerin: Atomenergie löst Gas-Problem nicht
Die baden-württembergische Umwelt- und Energieministerin Thekla Walker (Grüne) ärgert sich über die Debatte. Schließlich habe es drei Stresstests gegeben und das von den Netzbetreibern selbst, die ja ein Interesse an einem sicheren Stromnetz haben. Eine längere Laufzeit bis zum Frühjahr reiche vollkommen. "Einfach mal Faktencheck, die große Frage, kann denn die Atomenergie die Stromerzeugung aus Gas ersetzen? Und damit sind unsere Probleme beim Gas gelöst? Nein, das ist nicht der Fall. Ein Prozent könnte theoretisch abgedeckt werden. Eine totale Nebelkerze und das finde ich auch nicht in Ordnung und nicht redlich, so die Bevölkerung zu verunsichern", so Walker.
FDP spricht von "Alibipolitik zur Besänftigung der grünen Basis"
Rülke sagte, die Strategie von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), der die zwei süddeutschen AKW für den Fall von Engpässen in der Stromversorgung bis ins Frühjahr einsatzbereit halten will, führe ins "Nirwana". Das sei nur eine "Alibipolitik zur Besänftigung der grünen Basis".
Der Hauptgrund für die Energiekrise sei der russische Angriffskrieg in der Ukraine, doch sie sei "teilweise auch hausgemacht", so Rülke. Die deutsche Energiewende sei "fehlgeleitet", weil der langfristige Umstieg auf erneuerbare Energien mit Gas überbrückt werden sollte.
Darum geht es in der AKW-Debatte:
In der Debatte geht es um die Atomkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim II und Emsland, die ursprünglich Ende des Jahres als letzte vom Netz gehen sollten. Im Bund wollen die Liberalen, dass die deutschen Atomkraftwerke bis 2024 laufen. Das führt zu Konflikten in der Ampel-Koalition in Berlin.
Das Atomkraftwerk in Neckarwestheim werde Ende des Jahres zunächst heruntergefahren, um die Brennstäbe neu zu konfigurieren, damit sie länger leistungsfähig seien. Das hatte Umweltministerin Walker zuletzt bestätigt. Anschließend könne das AKW bis Mitte April weiterlaufen und Strom erzeugen, so Walker. Eine Verlängerung darüber hinaus sei aber ausgeschlossen - genau wie ein Blackout.
Thunberg: Abschalten wäre ein Fehler
In die Diskussion über einen möglichen Weiterbetrieb der drei noch laufenden Atomkraftwerke hat sich unterdessen auch Greta Thunberg eingeschaltet. Die schwedische Klimaaktivistin hält es für falsch, die noch aktiven AKW abzuschalten und stattdessen auf Kohlekraft zu setzen.
"Wenn sie schon laufen, glaube ich, dass es ein Fehler wäre, sie abzuschalten und sich der Kohle zuzuwenden", sagte die Gründerin der Bewegung Fridays for Future am Mittwoch in der ARD-Sendung Maischberger.
Atomkraft stets umstritten
Atomkraft zur Energiegewinnung hat in Deutschland immer schon polarisiert. Eine Petition von zwanzig Professorinnen und Professoren fordert zum Beispiel in der "Stuttgarter Erklärung" den Weiterbetrieb deutscher Kernkraftwerke. Sie seien in der aktuellen Krisensituation unverzichtbar.
Atomkraftgegnerinnen und -gegner fordern hingegen einen sofortigen Ausstieg aus der Kernkraft und einen schnellen Ausbau erneuerbarer Energien. Akut sehen sie es zum Beispiel als sinnvoll an, den Erdgasverbrauch in der Industrie zu drosseln.