Bei den Beratungen von Bund und Ländern per Videokonferenz über die weiteren Maßnahmen in der Corona-Krise wurde eine Verlängerung beschlossen. Wie Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Dienstagabend bekannt gab, sollen Gastronomie, Einzelhandel und Freizeiteinrichtungen bis zum 14. Februar geschlossen bleiben. Einigkeit herrschte ebenfalls bei den Vorgaben für mehr Homeoffice in Unternehmen und eine erweiterte Maskenpflicht. Die Beratungen zwischen Bundesregierung und Ministerpräsidentinnen sowie -präsidenten dauerten fast acht Stunden.
"Ich hätte mir gewünscht, Ihnen bessere Botschaften übermitteln zu können", sagte Kretschmann. Ihm sei bewusst, dass viele erschöpft und genervt seien von der Pandemie und den Einschränkungen. Aber die Maßnahmen seien notwendig, um sich gegen die Ausbreitung der Virusvarianten zu wappnen.
Baden-Württemberg: Lockerungen bei Kitas und Schulen möglich
Kitas und Schulen sollen prinzipiell bundesweit bis Mitte Februar geschlossen bleiben oder die Präsenzpflicht soll ausgesetzt werden. Kretschmann kündigte nach dem Gipfel jedoch an, dass er für Baden-Württemberg anstrebe, Kitas und Grundschulen ab dem 1. Februar vorsichtig Schritt für Schritt zu öffnen, wenn die Infektionslage es zulasse. Dazu solle auch ein Konzept ausgearbeitet werden. "Die Kleinsten leiden am meisten darunter, wenn sie nicht mit anderen Kindern in Kontakt kommen können", begründete Kretschmann diesen Schritt. Eine Entscheidung über die Öffnung werde die Landesregierung in der kommenden Woche treffen. Für weiterführende Schulen und Berufsschulen gelte das nicht.
Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) begrüßte die geplante Öffnung von Grundschulen und Kitas ab Februar. "Kultusministerin Eisenmann setzt sich seit Wochen dafür ein, differenziert nach dem Alter vorzugehen und Kitas und Grundschulen baldmöglichst zu öffnen", teilte ein Sprecher mit. "Insofern begrüßt sie die Ankündigung des Ministerpräsidenten ausdrücklich."
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Der Umgang mit den Schulen hatte bei den Beratungen der Ministerpräsidenten mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) lange für Streit gesorgt. Insbesondere Merkel hatte darauf gedrungen, Kitas und Schulen bis Mitte Februar noch geschlossen zu lassen. Im Beschluss heißt es nun, Bund und Länder verlängerten auch den Lockdown an Schulen und Kitas bis Mitte Februar. Es wird sogar eine "restriktive Umsetzung" verlangt. Allerdings sind die Länder für die Bildungspolitik zuständig, und der Beschluss lässt ihnen auch diesmal Spielraum. Demnach ist Präsenzunterricht möglich, wenn die Präsenzpflicht ausgesetzt ist. Das ist in Baden-Württemberg schon seit Sommer der Fall.
Erweiterte Maskenpflicht beschlossen
Bund und Länder haben sich im Kampf gegen die Corona-Pandemie auch auf eine schärfere Maskenpflicht verständigt. In öffentlichen Verkehrsmitteln und Geschäften sollen künftig medizinische Masken getragen werden müssen, also sogenannte OP-Masken, KN95/N95- oder etwa FFP2-Masken.
Schärfere Vorgaben für Homeoffice
Um Kontakte am Arbeitsort, aber auch auf dem Weg zur Arbeit zu reduzieren, müssen Arbeitgeber künftig wo immer es möglich ist, Arbeit im Homeoffice ermöglichen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat bereits einen Entwurf für eine Homeoffice-Verordnung vorgelegt. Demnach sollen Arbeitgeber ab einer sogenannten Sieben-Tage-Inzidenz von 50 verpflichtet werden, "den Beschäftigten im Falle von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese Tätigkeiten in deren Wohnung (Homeoffice) auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen".
Durch mehr Homeoffice würden Kontakte am Arbeitsort, aber auch auf dem Weg zur Arbeit reduziert, so die Argumentation. Im Beschlusspapier werden die Beschäftigten zudem gebeten, das Angebot auch zu nutzen. Die Regelung ist bis zum 15. März befristet.
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Kretschmann: Virus-Mutationen sind große Gefahr
Ab wann die Maßnahmen greifen, ist noch nicht bekannt. Zuvor muss dafür unter anderem die Corona-Verordnung des Landes angepasst werden.
Mit dem Beschluss bleiben zum Beispiel Restaurants und Kneipen, Theater und Opernhäuser sowie weite Teile des Einzelhandels weiter geschlossen. Ausnahmen gelten weiterhin zum Beispiel für Supermärkte und Drogeriemärkte. Der Bund sagte zu, seine Überbrückungshilfe 3 zu verbessern. So sollen unter anderem die Zugangsvoraussetzungen vereinfacht und die monatlichen Förderhöchstbeträge für Unternehmen und Soloselbstständige deutlich angehoben werden. Auch will der Bund die Abschlagszahlungen spürbar erhöhen.
Alle Experten gehen davon aus, dass die neu aufgetretenen, aggressiveren Virusvarianten aus Großbritannien und Südafrika sich auch in Deutschland ausbreiten werden. Auch Kretschmann sieht in den Virus-Mutationen eine große Gefahr, wie er tagsüber im Tagesgespräch von SWR2 erläuterte. "Wir dürfen deshalb nicht in Panik verfallen. Das wäre die falsche Reaktion. Genauso falsch wäre es jetzt nicht zu handeln. Abwarten wäre unverantwortlich."
Kritik von der Opposition
Wie einig sich die baden-württembergische Landesregierung beim Thema Lockdown-Verschärfung ist, scheint immer noch fraglich zu sein. Denn die Landeskultusministerin und CDU-Spitzenkandidatin bei der kommenden Landtagswahl Eisenmann hatte sich gegen eine Verschärfung des Lockdowns ausgesprochen.
Man müsse den Maßnahmen erst die Chance geben, zu wirken, so Eisenmann vorab. Sie halte es für nachvollziehbar, die bisherige Linie fortzuführen, sprach mit Blick auf weitere Verschärfungen aber kritisch von einem "Überbietungswettbewerb". Bei der Frage, ob Grundschulen weiter geschlossen werden sollten, waren sich Eisenmann und Kretschmann zuletzt uneinig. Dabei konnte sich letztlich Kretschmann durchsetzen. Mit der nun beschlossenen Öffnungsperspektive scheint man sich nun wieder etwas anzunähern.
Die baden-württembergische FDP hatte sich vor dem Bund-Länder-Treffen hinter die Forderung von Kultusministerin Eisenmann gestellt, den Lockdown nicht zu verschärfen. Die Fraktion kündigte am Dienstag an, bei einer Sondersitzung des Landtags einen entsprechenden Entschließungsantrag einbringen zu wollen. "Wir werden darin die Haltung von Kultusministerin Eisenmann unterstützen, keine weiteren Entscheidungen in Richtung zusätzlicher Verschärfungen der Corona-Maßnahmen und Einschränkungen für Bevölkerung und Wirtschaft mitzutragen und stellen dies zur Abstimmung", betonte Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke.
AfD-Fraktionschef Bernd Gögel sah sich beim Thema Schulöffnungen in seiner Kritik am Lockdown bestätigt. "Wir verlieren hier eine komplette Generation."