Ein Lehrer unterrichtet eine zweite Klasse in der Liebenauschule in Neckartailfingen. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Marijan Murat)

Werden Vorschläge ignoriert?

GEW und Philologenverband kritisieren Überlegungen der BW-Landesregierung zu größeren Klassen

Stand

Bildungsverbände kritisieren den Vorschlag von Ministerpräsident Kretschmann, mehr Schüler pro Klasse zuzulassen. Der Vorwurf: Er ignoriere Vorschläge zur kurzfristigen Lehrergewinnung.

Seit 2018 lägen dem Kultusministerium Ideen vor, wie nicht ausgebildete Lehrkräfte im System kurzfristig nachqualifiziert werden könnten, sagte die Landesvorsitzende Monika Stein der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Baden-Württemberg dem SWR. Sie widersprach damit vehement dem Vorwurf von Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), keine Vorschläge von Lehrerverbänden erhalten zu haben, was in dieser "akuten Mangellage" getan werden könne.

Baden-Württemberg

Klassenteiler könnte erhöht werden Lehrermangel: Größere Schulklassen für Kretschmann denkbar

Was tun gegen den Mangel an Lehrkräften in Baden-Württemberg? Ministerpräsident Kretschmanns Vorschlag: größere Klassen. Doch Philologenverband und Opposition kritisieren die Idee.

Der Ministerpräsident hatte am Dienstag nicht ausgeschlossen, größere Schulklassen zuzulassen. Angesichts des Personalmangels und einer hohen Zahl junger Ukraine-Flüchtlinge wäre die Änderung des Klassenteilers noch eine Lösung, die er "in der Tasche habe".

GEW vermisst "Erfüllung der Fürsorge" durch den obersten Dienstherren

"Ich kann nicht verstehen, dass jetzt der nächste Vorschlag des Ministerpräsidenten kommt, der die Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte verschlechtern würde", sagte Stein im Gespräch mit dem SWR - und betitelt die Überlegung als "unausgegorene Idee". Vielmehr müssten die Arbeitsbedingungen für Lehrerinnen und Lehrer deutlich verbessert werden, weil der Fachkräftemangel seit Jahren bekannt sei.

Zu den an Ministerpräsident Kretschmann gesendeten Vorschlägen der GEW, wie Lehrkräfte kurzfristig gewonnen werden könnten, meinte die Vorsitzende: "Es wäre an der Zeit, dass diese Vorschläge ernsthaft geprüft und umgesetzt werden". Sie erwarte zudem von der baden-württembergischen Kultusministerin, dass sie sich gegen den Vorschlag von Ministerpräsident Kretschmann zu größeren Klassen stelle. "Wenn die Landesregierung den Klassenteiler erhöht, würde sie bundesweit unter Beweis stellen, dass Grüne keine gute Bildungspolitik können", sagte Stein.

"Ich vermisse die Erfüllung der Fürsorge durch den obersten Dienstherren schmerzlichst."

Philologenverband stellt sich gegen Änderung des Klassenteilers in BW

Auch der Philologenverband, der Lehrerinnen und Lehrer an Gymnasien in Baden-Württemberg vertritt, lehnt den Vorschlag von Ministerpräsident Kretschmann zu größeren Klassen klar ab. "Eine Erhöhung des Klassenteilers wäre sowohl unter dem Aspekt der Bildungsqualität als auch unter dem Gesichtspunkt der Lehrkräftegesundheit absolut verantwortungslos", teilte der Vorsitzende Ralf Scholl mit.

Er warf Kretschmann zudem vor, "frech gelogen" zu haben. Er habe bereits Mitte März Vorschläge erhalten, wie es besser laufen könne. Der Philologenverband forderte 1.000 zusätzliche Lehrkräfte, die über einen Sonder- oder Nachtragshaushalt finanziert werden sollten.

Opposition übt ebenfalls scharfe Kritik an Vorschlag der BW-Landesregierung

Der Vorstoß Kretschmanns rief ebenfalls deutliche Kritik aus der Opposition hervor. Der bildungspolitische Sprecher der SPD im Landtag, Stefan Fulst-Blei, warf dem Ministerpräsidenten vor, im Wochentakt Verunsicherung in den Schulen auszuteilen.

Die FDP kritisierte zudem die Pläne der grün-schwarzen Landesregierung in Baden-Württemberg, Vertretungslehrkräfte in den Sommerferien in die Arbeitslosigkeit zu entlassen. Lehrkräfte müssten nach mehr als zwei Jahren Corona-Pandemie entlastet werden.

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