Nach mehr als zwei Jahren hat die Enquetekommission des Landtags von Baden-Württemberg, die die Corona-Krise aufarbeiten sollte, ihren Abschlussbericht vorgelegt. Die Opposition kritisiert diesen deutlich. Die Kommission mit dem Titel "Krisenfeste Gesellschaft" habe sich zu wenig mit der konkreten Pandemie beschäftigt, bemängelte der SPD-Abgeordnete Florian Wahl.
Regierung hatte laut Opposition Angst, Fehler aufzudecken
Die Regierungskoalition habe Angst gehabt, dass bislang unbekannte Fehler aufgedeckt werden könnten und kein Interesse an einer wirklichen Aufarbeitung gezeigt. Deshalb seien etwa Anträge zur Behandlung in der Enquete-Kommission im Bereich Kita und Schule abgelehnt worden. Der FDP-Abgeordnete Niko Reith kritisierte, kein Regierungsvertreter habe in den Sitzungen auch nur ansatzweise Versäumnisse eingeräumt. Er hoffe, die Landesregierung nehme die fast 500 Empfehlungen der Kommission ernst. Die AfD forderte sogar die Einsetzung eines Corona-Untersuchungsausschusses.
Sozialminister fordert Strategie für medizinische Lieferketten
Grüne und CDU verteidigten die Ergebnisse der Enquetekommission. Der Abschlussbericht sei ein wertvolles Nachschlagewerk. Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) nannte den Bericht einen "würdigen Beitrag" zu demokratischen Debatten.
Er betonte, die Gesellschaft sei 2020 nicht auf Krisen vorbereitet gewesen, man habe den Eindruck gehabt, es könne nichts passieren. Man habe dennoch eines der größten Ziele erreicht: "Unsere Gesundheitsversorgung ist nicht zusammengebrochen", sagte Lucha. Man habe sogar immer wieder Intensivpatienten aus dem Ausland oder aus anderen Bundesländern aufgenommen.
Eine Lehre aus der Pandemie sei dagegen gewesen, dass man zu abhängig von Lieferketten sei. Es brauche etwa eine europäische Strategie für wichtige Arzneimittel, sagte Lucha. Bereits im Frühjahr hatte Lucha die Corona-Maßnahmen des Landes verteidigt. Dabei hatte er allerdings eingeräumt, Kinder müssten in künftigen Pandemien stärker berücksichtigt werden.
Debatte um Corona-Folgen BW-Minister Lucha verteidigt Maßnahmen - Kinder nicht optimal berücksichtigt
BW-Gesundheitsminister Lucha stellt sich im Hinblick auf die Corona-Maßnahmen ein gutes Zeugnis aus. Er räumt aber ein, man habe die besonderen Bedürfnisse von Kindern vernachlässigt.
Sozialverbände drängen auf schnelle Umsetzung der Empfehlungen
Die Liga der freien Wohlfahrtspflege Baden-Württemberg, in der sich mehrere Sozialorganisationen zusammengeschlossen haben, forderte eine schnelle Umsetzung der Empfehlungen. "Denn ein weiteres Papier für die Schublade brauchen wir nicht", sagte der Vorstandsvorsitzende Marc Groß. So müssten sich soziale Dienste und Einrichtungen adäquat für Notfälle rüsten können. Auch müsse die Gesellschaft so stabilisiert werden, dass Krisen sie nicht ins Wanken bringen könnten.
Die Enquetekommission hatte seit April 2022 in 25 Sitzungen darüber debattiert, welche Lehren aus der Corona-Pandemie gezogen werden können. Neben Landtagsabgeordneten waren auch mehrere Sachverständige Mitglieder des Gremiums. Zudem gab es ein Bürgerforum.