40.000 Jobs in der baden-württembergischen Automobilindustrie könnten in diesem Jahr verloren gehen: ZF und Bosch bauen Stellen ab, Mercedes plant Sparmaßnahmen - kurz: Die Automobilindustrie im Land steckt in der Krise. Das macht vielen Menschen Sorgen. Zuletzt haben sich Automobilzulieferer in einem offenen Brief an Noch-Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gewandt. Aber auch junge Menschen, die ihre berufliche Zukunft in dieser Branche planen, machen sich Gedanken - die Azubis.
Bosch-Azubi in Schwäbisch Gmünd: Ausbildung in der Krise
Einer, der 2024 in seine Ausbildung gestartet ist, ist Leon Zeller. Er macht eine Ausbildung zum Mechatroniker bei Bosch in Schwäbisch Gmünd (Ostalbkreis). An dem Standort arbeiten rund 3.600 Beschäftigte des Automobilzulieferers - aber auch hier hat vor einiger Zeit eine Nachricht viele Menschen schockiert: 1.300 Jobs will Bosch ab 2027 am Standort Schwäbisch Gmünd abbauen.
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Vor seiner Ausbildung hat Leon nicht so deutlich wahrgenommen, dass es in der Industrie und auch bei seinem Arbeitgeber kriselt. Mittlerweile macht er sich viele Gedanken darüber. "Es lässt einen nicht los, in der Arbeit genauso wie privat", erzählt der 21-Jährige. Dabei hat er unter anderem eine Ausbildung bei Bosch angefangen, weil das Unternehmen gerade in seinem Heimatort Schwäbisch Gmünd sehr renommiert ist. "Viele sagen: Da hat man was Sicheres." Das Gefühl, eine gute Ausbildung zu haben, habe er zwar immer noch, aber wie es nach dem Abschluss weitergeht, sei eben leider noch nicht sicher.

Ob er sich aufgrund der Krise in seiner Branche auch ganz umorientieren würde? "Den Beruf, den ich jetzt lerne, finde ich sehr interessant und spannend und den möchte ich eigentlich auch gerne ausüben." Einen Wechsel könne er sich nur vorstellen, wenn keine andere Wahl bleibt. Auch bei den anderen Auszubildenden in seinem Jahrgang sei die Sorge um die Zukunft nach der Ausbildung ein Thema, genauso gebe es aber Hoffnung auf bessere Zeiten.
Automobilindustrie: Ausbildungsplätze gibt es trotz Krise genug
Ausbildungsplätze jedenfalls gibt es nach wie vor genug. "2024 blieben gut 13 Prozent der angebotenen Azubiplätze bei unseren Mitgliedsfirmen unbesetzt", sagt Volker Steinmaier von Südwestmetall, dem Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg. Bis circa 2016 sei in der Branche über viele Jahre der Anteil der unbesetzten Stellen mit rund drei Prozent deutlich niedriger gewesen. Steinmaier sagt, das liege auch daran, dass sich in den letzten Jahren nicht genügend geeignete Bewerberinnen und Bewerber gemeldet hätten.
Die Zahlen sind bisher also kein Anzeichen dafür, dass sich die aktuellen Herausforderungen in der Automobilindustrie auf die Anzahl der Azubis oder der angebotenen Ausbildungsstellen in der Branche im Land stärker auswirken, als das in anderen Industriebranchen der Fall ist.
Allerdings gibt es laut der IHK Stuttgart gerade bei großen Betrieben und Konzernen lange Vorlaufzeiten bei der Personalplanung und tarifgebundene Unternehmen haben meist Betriebsvereinbarungen für die Zahl der Ausbildungsstellen. Das heißt, dass sich konjunkturelle und strukturelle Probleme der Wirtschaft auch erst mit Zeitverzögerung voll auf den Ausbildungsmarkt auswirken könnten.
Schadet die Krise dem Image der Industriegiganten in BW?
Könnten die aktuellen Probleme der Automobilindustrie sich langfristig auf das Image von beliebten Ausbildungsbetrieben wie Bosch und Mercedes auswirken? Einerseits hätten viele in der Region Schwäbisch Gmünd mitbekommen, wie schlecht es vielen Unternehmen in der Branche derzeit gehe, berichtet Leon von den Erfahrungen aus seinem Umfeld. Andererseits habe die Ausbildung bei seinem Arbeitgeber Bosch immer noch einen sehr hohen Stellenwert. "Letztendlich sagt man immer noch: Wenn man bei Bosch war und da eine Ausbildung abgeschlossen hat, ist man top qualifiziert. Deswegen ist das Interesse an der Ausbildung selbst weniger von der aktuellen Lage betroffen."
Azubi: "Wirtschaftsstandort muss gestärkt werden"
Für seine Branche würde sich Leon eine Veränderung in der Politik wünschen: Die Industrie in Deutschland solle wieder gestärkt und der Wirtschaftsstandort für Firmen attraktiver gemacht werden. Dieser Meinung ist auch Steinmaier. Man könne als Wirtschaftsstandort durch gute Qualität oder hohe Produktivität zwar einzelne Standortnachteile ausgleichen, allerdings nicht viele auf einmal. Beispielsweise bei Bürokratie, Steuern und Abgaben oder Energiepreisen müsse sich etwas tun.
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Trotz Krise: Lohnt sich die Automobilindustrie noch für junge Menschen?
Ist es für junge Menschen trotz Krise noch lohnenswert, in die Autobranche zu gehen? Steinmaier hat dazu eine klare Meinung: "Unbedingt. Wer sollte Zukunftstechnologie entwickeln, die wir brauchen, um den Wandel zu gestalten, wenn nicht eine Industrie mit nach wie vor attraktiven Ausbildungsberufen?" Der angekündigte Stellenabbau werde in den meisten Fällen über Jahre gezogen. Er werde sich aufgrund des demografischen Wandels, durch den weniger junge Menschen auf dem Arbeitsmarkt nachkommen, zudem voraussichtlich nicht so massiv auf den Arbeitsmarkt durchschlagen, erklärt Steinmaier.
In Bezug auf die aktuelle Situation fühle ich mich besorgt, jedoch hoffnungsvoll.
Auch Leon ist trotz aller Sorge überzeugt und würde eine Ausbildung in der Automobilindustrie weiterempfehlen. Man habe viele Möglichkeiten, sich weiterzubilden, und könne entscheiden, ob man in der Branche bleibt oder wechselt. "Man hat viele Chancen, seinen Weg zu finden." Noch sei etwas Zeit bis zum Abschluss seiner Ausbildung. Bis dahin bleibt Leon "besorgt, aber hoffnungsvoll".