Tempolimit auf der Autobahn (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Boris Roessler)

Ministerpräsident kritisiert FDP

Wegen Energiekrise: Kretschmann fordert zweijähriges Tempolimit auf Autobahnen

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Um Energie einzusparen, kann sich BW-Ministerpräsident Kretschmann ein befristetes Tempolimit auf deutschen Autobahnen vorstellen. Amtskollege Söder aus Bayern widerspricht.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat angesichts der drohenden Energiekrise und der hohen Kosten für Sprit ein Tempolimit gefordert. "Das hätte unmittelbar Wirkungen, das ist sofort einsparend", sagte der Grünen-Politiker bei einer Diskussionsveranstaltung der "Süddeutschen Zeitung" in München. "Da mal über den Schatten zu springen, wenigstens für zwei Jahre, wäre mal eine Diskussion wert", sagte er an die Adresse des Koalitionspartners FDP im Bund, der sich gegen ein Tempolimit sperrt.

"Wir Grünen springen ja wirklich jede Woche über irgendwelche ideologische Schatten. Das kann ich bei anderen Parteien noch nicht so feststellen."

Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU) widersprach seinem Amtskollegen bei der Veranstaltung: "Das Tempolimit erzeugt überhaupt keinen Strom." Das sei keine Lösung für die drohenden Risiken im kommenden Winter.

Umweltbundesamt sieht durch Tempolimit großes Einsparpotential

Das Umweltbundesamt (UBA) hatte vor drei Monaten verschiedene Maßnahmen vorgeschlagen, um deutlich sparsamer mit Energie umzugehen. Dazu gehörte auch, weniger und vor allem langsamer mit dem Auto zu fahren. Verringerten die Autofahrer die Geschwindigkeit auf maximal 100 Kilometer pro Stunde auf Autobahnen und auf 80 Kilometer pro Stunde auf Straßen außerorts, spare das rund 2,1 Milliarden Liter fossilen Kraftstoff ein. Das seien immerhin sofort rund 3,8 Prozent des im Verkehrssektor verbrauchten Kraftstoffs.

Söder fordert längere Laufzeiten der Atomkraftwerke

Söder sprach sich vielmehr für längere Laufzeiten der Atomkraftwerke aus, die eigentlich am Jahresende stillgelegt werden sollen. Angesichts der drohenden Gasknappheit wegen des Ukraine-Kriegs müssten alle Möglichkeiten genutzt werden gegenzusteuern. "Ich glaube im Moment, dass die Gasversorgung nicht gesichert ist", sagte Söder. "Es steht viel schlechter, als die meisten glauben."

Für einen Teil der Menschen werde sich das Leben noch einmal fundamental verändern. Söder warnte vor einem weiteren explosionsartigen Anstieg der Energiekosten und in der Folge vor einem Abstieg der Mittelschicht. Zugleich drohe ein "Herzinfarkt" für die Wirtschaft. Bei jedem Unternehmen, das von der Gasversorgung abgeschnitten werde, drohten erheblichste wirtschaftliche Probleme. Dies werde man dann auch nicht mehr finanziell ausgleichen können. Schon jetzt stehe die Bundesrepublik vor einer "riesigen Schuldenspirale", warnte er.

Kretschmann spricht von Drama, will aber nicht überdramatisieren

Kretschmann betonte, man dürfe nicht überdramatisieren - aber man müsse die Lage schon realistisch darstellen. "Natürlich ist es ein Drama." Sollten manche Unternehmen nicht mehr mit Gas versorgt werden, werde dies Folgen für die Lieferketten und andere Industriebereiche haben. Es dürfe aber nicht sein, dass auf einen Schlag Millionen von Arbeitsplätzen "einbrechen", warnte Kretschmann. Er sprach sich aus Sicherheitsgründen aber erneut gegen längere Laufzeiten der Atomkraftwerke aus: "Ich denke nicht mehr darüber nach."

Kritik von der FDP im Land, SPD bestärkt Kretschmann

Die FDP in Baden-Württemberg lehnten die Forderung nach einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen prompt ab. Der Fraktionschef im Landtag, Hans-Ulrich Rülke, nannte die Kretschmanns Argumentation zu Tempolimit und Atomkraft "völlig irrational". Es sei sinnvoller, die vorhandenen Atommeiler länger laufen zu lassen, denn Strom aus Gaskraftwerken könne durch Strom aus Kernenergie ersetzt werden. "Offenbar will Kretschmann seinem grünen Verkehrsminister beispringen, der gestern eine Charta gegen die Autofahrer vorgelegt hat", sagte Rülke in Anspielung auf den 10-Punkte-Plan von Winfried Hermann (Grüne) zu mehr Klimaschutz im Verkehr.

Er hielt den Grünen vor, sie schadeten der Ampel auf Bundesebene immer wieder massiv: "Im Koalitionsvertrag haben die Grünen unterschrieben, dass es kein Tempolimit geben soll, und nun kommen sie jeden zweiten Tag mit diesem Ladenhüter um die Ecke." Der FDP-Verkehrsexperte Christian Jung ergänzte: "Schlechte Vorschläge werden durch ständiges Wiederholen nicht besser. Vielmehr müssen wir den Menschen attraktive Alternativen bieten, das Auto auch mal stehen zu lassen."

Die Landes-SPD stärkte Kretschmann dagegen den Rücken. "Dieser Vorschlag des Ministerpräsidenten ist ein sinnvoller", sagte SPD-Partei- und Fraktionschef Andreas Stoch.

Forderung nach klaren Regeln vom Bund

Söder und Kretschmann forderten den Bund auf, klar zu regeln, wie bei einer Gas-Mangellage vorgegangen werde, welche Industrien dann noch bedient würden und welche nicht. Dies sei eine "hochgradig brisante Herausforderung", sagte Kretschmann. Söder betonte, es sei der Grundauftrag des Staates und damit der amtierenden Ampel-Bundesregierung, für warme Wohnungen und eine funktionsfähige Wirtschaft zu sorgen.

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