Winfried Kretschmann macht bei seiner Regierungserklärung im Landtag deutlich, dass auch Baden-Württemberg die Folgen des Ukraine-Krieges spüren wird.  (Foto: dpa Bildfunk, picture alliancedpa  Bernd Weißbrod)

Regierungserklärung im Landtag

Folgen des Ukraine-Krieges: Ministerpräsident Kretschmann stimmt Bevölkerung in BW auf harte Zeiten ein

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Oliver Linsenmaier
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Ministerpräsident Kretschmann ist sicher, dass BW die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine zu spüren bekommt. In seiner Regierungserklärung skizzierte er, was das bedeuten könnte.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) rechnet mit massiven Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf Baden-Württemberg. Das machte er bei seiner Regierungserklärung am Mittwoch im Landtag deutlich. "Wir müssen uns auf eine Zeit der Konfrontation einstellen. Wir müssen uns auf härtere Zeiten einstellen und ja, auch auf härtere Einschnitte", sagte Kretschmann. Der Staat könne nicht alles kompensieren. Jede Bürgerin und jeder Bürger müsse einen Beitrag leisten.

Doch auch im Parlament müsse man Abstriche machen und bereit sein, klare Prioritäten zu setzen. Dabei soll eine ressortübergreifende Lenkungsgruppe helfen. Vor allem die Aufnahme von ukrainischen Flüchtlingen habe aktuell oberste Priorität. In diesem Zusammenhang dankte der Regierungschef den Bürgerinnen und Bürgern im Land für ihre Solidarität, machte aber auch klar, dass mehr Flüchtlinge als im Jahr 2015 im Zuge der Flüchtlingskrise kommen könnten. "Vor uns liegt kein Sprint, sondern ein Langstreckenlauf", sagte der Regierungschef.

Mehr als 50.000 Kriegsflüchtlinge in Baden-Württemberg

Seit Ausbruch des Krieges seien mehr als 50.000 Menschen nach Baden-Württemberg gekommen. In diesem Zusammenhang sagte Kretschmann aber auch:

"Hinter jeder Zahl steht ein menschliches Schicksal."

Damit die Geflüchteten in Baden-Württemberg ein neues Zuhause finden können und gleichzeitig nicht ein Verdrängungswettbewerb auf dem Wohnungsmarkt entsteht, hat das Kabinett kurzfristige Lösungsansätze erarbeitet. So soll einerseits das Baurecht vereinfacht werden, um schneller Flüchtlingsunterkünfte bauen zu können. Zudem soll das Programm "Wohnraum für Geflüchtete" aus dem Jahr 2015 neu aufgelegt werden. Mittel- und langfristig müsse man noch mehr Sozialwohnungen bauen, so Kretschmann.

Hier können Sie das gesamte SWR Extra "Live aus dem Landtag - Der Ukraine-Krieg und seine Folgen für Baden-Württemberg" nachschauen:

Ukrainische Kinder sollen schnell zur Schule gehen

Da die Hälfte der Geflüchteten Kinder sind, sieht der Regierungschef deren Integration und Unterbringung in den Schulen als zweite große Aufgabe. Man werde das schnell machen, versicherte er. "Denn Kita und Schulen sind unglaublich wichtig, um Kindern Halt und Stabilität in der Fremde zu geben", sagte Kretschmann.

6.000 geflüchtete Kinder bereits in den Schulen in BW

Bislang seien rund 6.000 Kinder und Jugendliche aus der Ukraine in Schulen im Land aufgenommen worden, führte der Regierungschef aus. Sie würden entweder in eine der 2.000 Vorbereitungsklassen an den allgemeinbildenden und beruflichen Schulen im Land, oder, falls sie bereits deutsch sprechen können, direkt in Regelklassen gehen. Es soll aber auch Unterricht auf Ukrainisch von ukrainischen Lehrkräften angeboten werden.

Um das Angebot noch auszuweiten, sucht die Landesregierung weiterhin nach Freiwilligen, die entsprechend qualifiziert sind. Bislang hätten sich bereits 600 Bürgerinnen und Bürger gemeldet. "Das macht Mut und dafür sind wir sehr dankbar", sagte Kretschmann. Da viele Kinder vom Krieg traumatisiert seien, soll außerdem die Zahl der Schulpsychologinnen und Schulpsychologen erhöht werden.

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Mahnung für die Zukunft

Der Ministerpräsident machte aber auch deutlich, dass der Krieg in der Ukraine und die Sanktionen gegen Russland gerade wirtschaftlich erhebliche Konsequenzen für Baden-Württemberg haben werden. Besonders die Schlüsselbranchen im Land seien davon betroffen. Daher sei die Energieabhängigkeit von Russland eine Mahnung für die Zukunft. "Wir dürfen uns nicht von einzelnen Autokratien oder Diktaturen abhängig machen", warnte Kretschmann.

Kretschmann: Alle Lebensbereiche betroffen

Zudem stimmte er die Bevölkerung darauf ein, dass es selbst mit dem Ende des Krieges in der Ukraine nicht wieder so werde wie früher. Diese Zeitenwende halte neue Zumutungen für das Gemeinwesen bereit. Das werde alle Lebensbereich treffen, glaubt der Regierungschef.

Der Strukturwandel der Wirtschaft werde sich weiter beschleunigen, der Abschied von fossilen Rohstoffen werde noch schneller kommen und die militärische Aufrüstung werde Geld kosten, das dann an anderer Stelle fehle. "Der Staat muss dabei die richtigen Leitplanken und Regeln setzen. Aber klar ist auch: Es geht nur, wenn wir gemeinsam handeln. Wir brauchen die Unternehmen und die Bürgerinnen und Bürger, um das zu stemmen", sagte Kretschmann.

Breite Unterstützung im Parlament

Unterstützung bekam Kretschmann sowohl von den Regierungsfraktionen, also den Grünen und der CDU, wie auch der Opposition. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke sprach von einem "Konsens der Demokraten". In dieser Situation seien Solidarität und Mitgefühl wichtig, zumal Feinde der Freiheit und Verehrer von Autokraten auch im Landtag säßen, erklärte Rülke in Richtung der AfD. Deren Fraktionschef Bernd Gögel nannte Kretschmanns Rede eine "substantiell gute" Regierungserklärung.

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