Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sieht die Situation in Baden-Württemberg nach der Drosselung des Gasflusses durch die Pipeline Nord Stream 1 prekärer als zuvor. Der "Schuss Zuversicht", den man beim Gasgipfel am Montag noch ausgestrahlt habe, sei verfrüht gewesen. "Da hat uns Putin ein Stück am Seil heruntergelassen", räumte Kretschmann am Dienstag in Stuttgart ein.
Kretschmann: Sparen mildert Folgen im Herbst und Winter
Der Ministerpräsident hob hervor, dass das Sparen nun umso wichtiger sei. Das mildere in jedem Fall die Krise im Herbst und Winter ein stückweit ab. Nach dem Gipfel mit Wirtschaft, Kommunen und Versorgern hatte sich Kretschmann noch optimistisch gezeigt, dass mit Sparanstrengungen die Füllmenge in den Gasspeichern ausreichen werde, um den Winter zu überstehen.
Voraussetzung für dieses positive Szenario war aber, dass durch Nord Stream 1 weiter 40 Prozent der Lieferkapazität fließt. Doch wenige Stunden nach dem Krisentreffen in Stuttgart kündigte der russische Konzern Gazprom an, dass von diesem Mittwoch an nur noch 20 Prozent Gas täglich durch die wichtigste Versorgungsleitung nach Deutschland fließen werde.
Kretschmann will Stresstest zu Streckbetrieb von AKW abwarten
Kretschmann betonte außerdem, dass ein möglicher sogenannter Streckbetrieb bei Atomkraftwerken, um die Energiekrise abzufedern, ihn "in keiner Weise schmerzen" würde. "Wir sind in einer Krise. Die Krise macht mir Schmerzen - und nicht die Maßnahmen gegen die Krise", sagte Kretschmann. Allerdings liege die Entscheidungsmacht darüber beim Bund. Zudem müssten die Ergebnisse des "Stresstests" abgewartet werden, dem die Kernkraftwerke derzeit unterzogen werden.
Die letzten drei verbliebenen Atomkraftwerke Neckarwestheim 2 (Landkreis Heilbronn), Emsland und Isar 2 sollen wie geplant Ende des Jahres vom Netz gehen. Bei einem Streckbetrieb könnte die Leistung der Atomkraftwerke verlängert werden. Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) hatte zuvor einen längeren Betrieb nicht ausgeschlossen, um etwa bei Notsituationen Krankenhäuser weiterhin mit Strom versorgen zu können.
"Ausquetschen bis zum letzten Neutron" Das bewirkt ein Streckbetrieb beim Atomkraftwerk
Die drei letzten deutschen Kernkraftwerke machen zum Jahresende dicht. Wegen einer drohenden Energiekrise wird nun ein "Streckbetrieb" erwogen. Was spricht für diese Notlösung?
Kretschmann: Auch Kirchen mit Photovoltaik bestücken
Ministerpräsident Kretschmann unterstrich am Dienstag zudem, dass für die Energiewende auch denkmalgeschützte Gebäude wie Kirchen mit Photovoltaikanlagen bestückt werden könnten. Zwar stünden die meisten alten Kirchen in Baden-Württemberg unter Denkmalschutz, doch würde eine Solaranlage diesen Status kaum beeinträchtigen, so der Ministerpräsident.
Kretschmann warnte allerdings vor einer Überbewertung der Möglichkeiten denkmalgeschützter Gebäude. Nur drei Prozent der Bauwerke in Baden-Württemberg stünden unter Denkmalschutz.